Ihr bleibe ich treu, weil ich sie nicht begreife.

Sie sagt, sie hätte ihr Ziel klar vor Augen. Doch ich vermute, einen Augenblick später ist es bereits hinter ihrem Rücken verschwunden und treibt sie dunkel an.

Der heutige Mensch lebt Tag für Tag für Tag für Ziele, versäumt den Augenblick. Er trifft ständig Vorkehrungen, plant akribisch, in der Zukunft geboren zu werden.

Ihr bleibe ich treu, weil ich sie nicht begreife.

Die Geschäftigen ahnen schrecklich, was ihnen geschehen wird, wenn sie einmal nichts tun. Und so fliehen sie, graben sich immer tiefer ins Verderben – ihre Tätigkeit gleicht nun einer sukzessiven Selbstbestattung.

“Eine Sache besprechen” – Um ein Lagerfeuer sitzen wir. Wir reden auf ein Flackerndes ein, damit es uns antworte.

“Eine Sache kommunizieren” – Wer hiernach handelt, verstreut rastlos kalte Asche in der Welt.

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Die Idee einer Frau verfällt nicht.

Wer glaubt, diese Gesellschaft trete ihm nur gegenüber, strotzt mitten in ihrer Dummheit.

Die Kurzsichtigkeit läßt uns die Dinge oft wunderlich sehen. Und gibt uns das Elend der Logik und Zeichenhaftigkeit unserer Wahrnehmung zu erkennen. – Die Kirschblüten schweben über der Vase im Raum. Wir schließen auf die Zweige.

Die Idee einer Frau verfällt nicht. – Ich weiß sie nicht zu sagen, zu begreifen. Weder im Mädchen, noch in der Alten. Mir ist nur manches Mal, als würde ich jenes in dieser und diese in jenem erblicken.

Dieser Zeit fehlt selbst die Erinnerung, das Eingedenken ans Lebendige. – Überall ein schrilles Schreien, ein unmittelbares Gieren nach allem, was sie nicht mehr erfährt.

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Gerade die Unterscheidungen scharen die Dinge in einem gemeinsamen Raum.

Jener anatolische Bauernlümmel, der in der Discothek Acker und Weib verteidigte. – Er erkannte mich: ja, ich war ja der Gegner ohne Pflug und Sitte, die besitz- und nutzlose Gefahr.

Der Wissenschaftler soll dem Gesetz gehorchen, das er zu beherrschen begehrt. Sein Standpunkt, sein Außen, strahlt desto heller und klarer, je mehr sich jenes Dilemma in ihm verdunkelt. Dies ist seine Selbstverständlichkeit.

Gerade die Unterscheidungen scharen die Dinge in einem gemeinsamen Raum.

Das heutige Barbarische ist das Kalkulierende, das wie ein Raubtier träumt.

Jede Schärfe des Denkens verdankt sich einer Erfahrung gegen den Empirismus.

Und kreist unentwegt um eine Idee gegen den Idealismus.

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Jede Negation beginnt mit einer Bejahung der Zeit.

In uns tobt so vertraut die Angst, daß es uns gelang, den einst heiligen Wahn ins Fürchterliche, Kranke zu verschieben.

Verfallsgeschichte der Systeme: von Großgehegen zu Laufställen am Abgrund.

Das Helle zieht mich tiefer hinab.

Wie trunken, wie gierig malt uns das Lebendige die Wirklichkeit! Wie schematisch und routiniert skizziert der Realist das Leben.

Jede Negation beginnt mit einer Bejahung der Zeit.

Das Unmittelbare ist eine komplizierte fixe Idee.

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Die Routinierten – die Huren der Angst.

Andacht und Kalkulation. – Die Würde des Menschen, beten sie, sei unantastbar. Die der unteren Klassen, konstatieren sie, berechenbar.

Die morgendliche, am Ende oft kalte Dusche – eine Art Hydrotherapie: gewaltsam reinigen sie sich von ihren Träumen.

Die Routinierten – die Huren der Angst. Zusammen mit den Methodikern stehen sie immer an der selben Ecke.

Die Sachlichen. – Mit der Sache längst fertig. Sie vertreten, sie tauschen nur mehr ihre festgezurrten Begriffe.

Der Lachende, der Weinende. Sie sagen nichts. Und sind am fernsten dem Schweigen.

Man hat zu lieben, um zu erkennen. Und wie bedrängt die Erkenntnis dann die Liebe!

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