Das Absolute ist nur ein karnevaleskes lebensweltliches Exemplar.

Aberwitz und Aberglaube des rheinländischen Katholiken: daß Gott schmunzelt, wenn er vergibt. Das Absolute ist nur ein karnevaleskes lebensweltliches Exemplar.

Wir Verzweifelten. Wir fliehen ins Genaue.

Riesiger blinder Fleck aller Subtilitäten.

Lebenswerk: „Die Liebe“.

In drei Bänden. Wie Marxens Kapital.

Gleiche Schwierigkeit: das Vertraute, Allzuvertraute klar denken.

Ein anderer Mut, ein anderer Glaube ans schier Unmögliche: den Bann zu erkennen, ohne ihn zu brechen.

Ist’s wie’s ist, war’s schon immer gewesen.

Mit Verlaub, mit einem altmodischen Lächeln: dort, hinter sich selbst, gleicht jeder Schreibende einer unwahrnehmbaren Membran. Ihr unpersönliches Zittern ist nicht seine Sprache.

p30

Hitzebilder II

Mittagsbild: der Ginster in Flammen.

Die Ziegel tropften von den Dächern.

Die Steine verdursteten.

Die Gießkanne glühte ekstatisch, die Blumen hatten aufgehört zu beten.

Auch die Fische verharrten regungslos am Grund. Selbst ihre Kiemen schwiegen.

Letzte fieberhafte Lektüre: die Buchstaben knickten, verhakten sich. Die Worte verklumpten, die Sätze starben früh.

Die Bleistiftspitze schmolz, zerrann, tränkte das Papier.

p29

Hitzebilder I

Die Zeitungen verblassten beim Frühstück, welkten dahin im grellen Licht.

Die Katzen vergruben sich in Erdlöchern.

Das Echo einer Melonenexplosion unten im Tal.

Die Allee begann sich zu krümmen.

Sterbeakkorde der Zikaden.

Das Licht verlor stündlich an Geschwindigkeit.

Schatten entstanden in der Utopie.

Konturen begannen zu verwischen, züngelten in die Umgebung und verschmolzen mit ihr. Es gab nun keine Dinge mehr.

Auch die Gesellschaft sah sich gezwungen, ihren Aggregatszustand ins Gasförmige zu verlegen. Sie existierte nun wieder als Idee.

Verbrannte, schwarze Klumpen prasselten auf die Terrasse, Käferleichen. Die Mücken verdampften im Flug.

Der Himmel leerte sich, schließlich verlor er seine Farbe.

Eine Ameisenstraße führte in den Kühlschrank.

p28

Er pustete, weil es wuchs.

Roman. – Die kleine Hand eines Jungen, ein Ring an einem Stiel, eine gespannte, schillernde Fläche. Anfangs eine sanfte Wölbung, ein Halbbläschen vielleicht. Behutsam füllte er es mit seinem Atem. Gleich würde es sich schließen, sich lösen und zu schweben beginnen, wie es die vielen anderen vor ihm taten. Es aber wuchs zur Blase, deren Größe schon die seines Kopfes überragte. (Ein besonders hübsches, stattliches Exemplar, dachte er. Und freute sich.)

In diesem Stadium, als er zwar staunte, doch jenes Ding, das sich da vor ihm entwickelte, durchaus noch sein großes Bläschen war, spürte er erstmals einen sanften Widerstand. Es galt nun, einen Gegenstrom zu überwinden.

Bald wunderte ihn auch dies nicht mehr. Er zweifelte. Er zweifelte und pustete. Doch dieses eigenwillige, widerspenstige, ihm vertraute unheimliche Ding dehnte sich weiter. Er pustete, weil es wuchs.

Und nur für Leser war es noch von Belang, zu entscheiden, welche Seite denn nun sich nicht zu lösen vermochte.

p27

Oben auf dem Gipfel liegt unten weit das Meer.

Aufstieg vom Strand in der Mittagssonne. Ein schmaler, steiniger Pfad schlängelt sich auf der landeinwärts gelegenen Seite des Berges nach oben. Es beginnt eine lange, leicht ansteigende Gerade, es folgt eine Kehre und wieder eine lange Gerade zurück.

Hin und her hinauf. Der Himmel steht wie ein Block. Je am Ende der Geraden, ein kurzer, in der Hitze bald ersehnter Blick hinunter aufs kühle Blau. Es erreicht unsere Augen, um bald darauf wieder hinter unserem Rücken zu verschwinden. Weiter oben wartet die nächste Kehre mit Blick auf die andere Bucht. Gerade, Kehre, Gerade, Kehre, stupide Geometrie.

Schier endloses Hin und Her. Die Sonne steht still. Nur langsam werden die Geraden kürzer, je mehr wir an Höhe gewinnen. Unsere Sehnsucht immer schneller gestillt, je weiter wir uns von ihrem Gegenstand entfernen.

Oben auf dem Gipfel liegt unten weit das Meer.

p26