Der Alp des Glücks: Sprachlosigkeit

Die Schreie der Krähen, abertausender Krähen über mir. Der klare Himmel flimmerte, zuckte zwischen ihren Flügelschlägen! Unheimliche Poesie der Träume, und ich war wach und sah. Der Alp des Glücks: Sprachlosigkeit, heiliges Unvermögen – der Himmel bewegte sich! Und ich versteinerte vor Freude.

Behagliche winterliche Regression. – Das Ende einer wohligheißen Dusche. Tägliche Überwindung, tägliches Verlassen der Mutterhöhle durch eine milchgläserne Schiebetür.

Ich zerrte sie ans Licht. – Zu nahe an der Verständigung als an den Ahnungen, flüchtigen Empfindungen in diesem Augenblick. Ich lauschte ihnen, folgte ihrem Flüstern nicht. Kaum waren sie erschienen, verriet ich sie: ich sprach für sie, ließ sie in Worten für andere verschwinden.

Kleine winterliche Erotik mit Gästen. – Begrüßungsküßchen, oft albernes, flüchtiges Spiel, zwischen drinnen und draußen. Nun aber von kalten Lippen mit warmen Wangen und kalten Wangen mit warmen Lippen – große Freude, ihr verwirrend Deutliches: immer Küssender und Geküßter zugleich.

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Schönbrunn, Spaziergang im Bilderbuch der alten Mode.

Antinomie: Ich schreibe, also bin ich.

Der Wissenschaftler sieht gern zu, wie die Welt von seinen Tatsachen zugerichtet wird. Wir sollten seiner Entschuldigung, er sei doch nur Beobachter gewesen, nicht länger Glauben schenken. Wir sollten ihn als Zeugen seiner Verbrechen verhaften.

Schönbrunn, Spaziergang im Bilderbuch der alten Mode. – Endlose Alleen, aufgereihte Baumskelette. In der Stille das Knirschen des Kies. Die langen Schatten der Kegelbüsche.

Feuchte, dampfende Wiesen, das Schnattern der Enten hinter Nebelschwaden. Gußeiserne Laternenpfähle, das ferne Licht im Palmenhaus. Alte Frauen in schweren Mänteln. Sie schauen auf und sagen zu mir freundlich: “Grüß Gott!”

Augenblickliche Wehmut: “Ach, ihr meine Moleküle! In dieser Konstellation werden wir nie wieder zusammenkommen.”

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Wenn wir über Sprache sprechen, beginnen wir zu lallen …

Übermacht. – Es gibt bereits zu viele, denen es gelingt, den Kosmos unter ihre Lupe zu legen.

Immer wieder vergessene Maxime: Die Gesellschaft ist träger und unerbittlicher als wir sie je vorzustellen vermögen. – Nicht aber das Vergessen, die Maxime selbst wird uns eines Tages den Kopf kosten.

Die Urintränken der Schmetterlinge – ihr strenges Gold der Leichtigkeit!

Sie versprach ein letztes Stückchen wilde Wiese am Rande dieses universalen Schrebergartens.

Gerne klaute ich Barbara die A’s, ohne sie zu zügeln.

Wenn wir über Sprache sprechen, beginnen wir zu lallen, klitzekleine Laute voll des ernsten Nichts. Trotzige Kinder hören wir. Und die Mutter lacht, und antwortet: „Papperlapapp! Papperlapapp!“

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“Du bist unmöglich!”

Die Komik von Liebes- oder Sexratgebern besteht darin, sich vorzustellen, ihren Ratschlägen wirklich zu folgen.

Die Idee der Wahrheit war, der Bewegung des Denkens ein Ziel vorzugeben, ihm einen Zweck, einen Nutzen zuzusprechen. Ein ängstlicher Wille gierte danach, das Denken zu dressieren: die helle Wahrheit bändige seine ungeheure Lust, verspreche, sie für immer zu erlösen.

Die Ewigkeit ward der Käfig fürs Denken, die Wahrheit sein Grab im Paradies.

Kunst, erklärt für Neurophysiologen: der paradoxe Versuch, mit Gehirnhälften simplen Dichotomien zu entkommen.

“Du bist unmöglich!”

“Ah! – Schön wär’s.”

Verachtung: oft letzte Zuckung, Tic der Liebe.

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Am Anfang war mit dem Denken bereits Schluß.

Alle hatten sich zu öffnen, waren gezwungen zu kommunizieren, – träumten sie gar schon transparent?

Es ist der obskure Glaube unserer Zeit: alles würde klar und selbstverständlich.

Und so wichen oder glichen auch die einst verstaubten Krämerläden der Religion einem Supermarkt für Hokuspokus.

Ewige Fasnacht der Selbsterkenntnismenschen: Selbst wenn ich ihnen einmal Glauben schenkte, es erschreckten mich nur Fratzen hinter unsichtbaren Masken.

Nicht wenige Erwachsene haben ein infantiles Verhältnis zu ihrem Opportunismus. Die meisten aber keins.

Nimmer und nirgends dächte ich sie relationaler als im Bett.

Am Anfang war das Element, das blinde Fleckchen mitten im Nichts. Am Anfang war mit dem Denken bereits Schluß.

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