rltdfdok: 03 Anreicherung Mesosticha: 2. Durchgang

Kontext-Implementierung -> Später: 1. Stimme (und noch später zu ML = Mesosticha Line)

Erweiterung der Semantik

Hinzufügung von Rauschen / Floor

Textgeschwindigkeit

Aside: Natur / Kultur <- Sport (Hybrid, Spannung)

Klammerungen (Einbindung von geklammertem Text / Einschlüsse):

Satzzeichen-Bedeutung, vgl. Adorno (1)

Stichwörter:

Das Gedachte, das Zwischendenzeilen

Das Überbrückende

Der Ko-mmentar

Erweiterung des Cage-Paradigmas

(Bei Cage: Auch „Willkürlichkeit“ bei Herausschneiden von Text, Heraussonderung –

Aus Textleib vorhanden)

Recycling Le Tour de France (im Folgenden: RLTdF): doppelte Sonderung. Lauter, leiser, (geklammerter) Text, Dynamisierung des Texts = Anpassung an bergiges Gelände

Vorrangiges Wortmaterial: „natürlich“ = Natur/Kultur, möglicherweise = das Kontingente etc. Generell: das KONjunktivistische des Texts.

Die Klammer stellt auch die prinzipielle Möglichkeit eines Text-Anderen, einer (Text-)Variante dar -> Damit soll gleichzeitig das NU bzw. Werk-Vorläufige formuliert bzw. im Auge behalten werden. Auch: Die Mathematizität des Texts.

Klammern: Lenkräder, Umarmungen, Gruppenbildung, das Runde gegen die Gerade (Linie)

Doppelte Sonderung: doppelte (X-fache) Kontingenz auf > 2 Ebenen.

Das Ergebnis wird im Weblog veröffentlicht (2). (1 Mesostichon / Woche):

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1 Adornos Aufsatz “Satzzeichen” in „Noten zur Literatur“, Bd. 1, A.171f., 1958

2 URL der Kategorie: http://www.abendschein.ch/site/weblog/C70/


rltdfdok: 02 Textbearbeitung: Algorithmen?

Welche Möglichkeiten der Textbearbeitung (Exzerpierung, Filterung, Modifikation, Transformation) gibt es? Zufälligerweise lese ich gerade in einer Neuauflage von John Cages „Empty Mind“. Die dort sattsam aufgeführte Erprobung des Schreibens von Mesosticha (1) macht Lust, dieses Verfahren auch einmal zu erproben. Weitere Recherchen führen zu Cages Arbeiten mit literarischen Vorlagen, die durch gewisse algorithmische Behandlungen transformiert wurden. So lese ich beispielsweise folgendes:

1979 realisierte John Cage am IRCAM Paris und im WDR Köln das radiophone Hörstück “ROARATORIO, an Irish Circus on Finnegans Wake” für Sprecher, irische Musiker und 62-Spur Tonband. Nachträglich erstellte er die Verbal-Partitur “CIRCUS ON, means for translating any book into a performance without actors, a performance which is both literary and musical or one or the other” (1979), nach der die in ROARATORIO verwendeten Verfahren auf jede literarische Vorlage übertragen werden können. (2)

Wie wäre es also solch ein Verfahren einmal an einem anderen Text auszuprobieren? Dieses eventuell weiter zu entwickeln und andere, neue aber auch bekannte Instrumente der Textbearbeitung anzuwenden und das Ergebnis vielleicht sogar in eine zeitgenössische multimediale Installation zu überführen?

Cages Verfahren mit dem Titel „CIRCUS ON …“ wurde also auch anhand Alfred Döblins Roman “Berlin Alexanderplatz” von 1929 realisiert. Der Titel lautet “Urban Circus on Berlin Alexanderplatz”. Eine einfache Blaupause des Produktionsverfahrens, die sogenannten Anweisungen finde ich im Internet, ebenfalls auf den Seiten von Volker Straebel (3).

Es sind aber demnach noch einige weitere Operatoren nötig, um z.B. einen neusachlichen Prosatext – zumindest formal – in einen poetischen zu verwandeln.

Es folgt Cages Regel für ein “unvollkommendes” oder 50% Mesostichon: “Ein Mesostichon wird erstellt, indem man das erste Wort des Buches sucht, das den ersten Buchstaben der gewünschten Mittellinie enthält, ohne dass ihm der zweite Buchstabe der Mittellinie im gleichen Wort folgt. Der zweite Buchstabe gehört in die zweite Zeile und wird in einem Wort gefunden, das danach nicht den dritten Buchstaben der Mittellinie enthält, usf. […] Andere, die so ausgewählten unmittelbar umgebende Wörter […] des Originaltextes können nach Geschmack hinzugefügt werden”, sie dürfen jedoch nicht die oben aufgestellte Regel verletzten.

Um den Text weiter zu kürzen werden die Silben, die die Mittellinie kreuzen, in dieser Position nur einmal verwendet. Dies führt zur zunehmenden Verdichtung des Textes zum Ende hin, weil immer mehr Silben aufgebraucht werden und weniger Wörter für die Mittellinie der Mesosticha in Frage kommen. Sollte ein Mesostichon am Ende eines der Bücher des Romans unvollständig bleiben, wird es mit Material vom Beginn des jeweiligen Buches zu Ende geführt.
(4)

Weitere Hinweise zum Verfahren und auch Cages Theoriearbeit sowie Anwendungsbeispielen, die hier aber nicht zu weit ausgebreitet werden soll, da dies eine eher praktische Arbeit werden soll, finde ich auch in einem einführenden Aufsatz mit dem Titel „Mesosticha“ („mesostics“) (5).

Aus dem Gesamttext generiere ich nach diesem Verfahren 61 Mesosticha.



(Screenshot, Excelliste: Auszug Silbenliste (Orte, Töne, Namen ff.))

Weitere Fragen / Stichwörter:

Max Bense, Reinhard Döhl etc. Was hat die „Stuttgarter Schule“ mit diesem Ansatz zu tun?

Zu Cage: Mathematische Verfahren der Texterzeugung -> Variation

-> Ästhetik (des Mathematischen?), Dodekaphonie, Schönberg et al.

Aufstellung im Kreis, Neue andere Klänge, Harmonien

Cage-Text: Nach Cage wäre dieses Verfahren auf jede lit. Vorlage anwendbar. Auch auf pragmatischen Kommentartext?

Der Tour-Text (Kommentartext) als lit. Text?:

Schilderung von Beobachtung unter dem Einfluss illusionistischer Komplizenschaft

Rhapsodische Narration

Cage-Algorithmus (ist es „Algorithmus“ zu nennen?): um Text zu transzendieren, um ihn „haltbar“ zu machen (da spezif. Text nur saisonal und flüchtig.)

Namenslisten (=Bewegung): Personifikationen von Bewegung: Schein-Individualität, nicht nur Funktion von Menge

Ortsliste (=Raum), ebenso: Konkretisierung (Odysseus, Odyssee),

Epos, episches Erzählen

Mesosticha:  horizontale und vertikale Semantik

Diachrone (Semantik entwickelt sich im Laufe der Zeit, div. Zeichenkette)

und synchrone (starre Zeichen Kette, die Bildlich strukturiert)

Formal: nicht natürliche Dichte des Gedichts -> aleatorische Dichte

Neuer Sinn in altem (vorgegebenem, gesprochenem) Text

Methoden: Zusammenzug aller 61 Mesosticha zu 1 Fliesstext? (Epik)

Namen und Orte (6):

Namensliste: Bewegung (sich bewegende Personen)

Ortsliste: Raum

Text (Stimmen 1 und 2): Zeitl. (diachrone) Semantik

———————



1 http://de.wikipedia.org/wiki/Mesostichon

2 http://www.straebel.de/praxis/index.html?/praxis/text/t-urban_circus.htm

3 „Die Partitur besteht aus sieben Anweisungen:

1. Auswahl eines Buches.

2. Verdichtung des Ausgangstextes nach einem algorithmischen Verfahren (Mesosticha). Tonaufnahme der Lesung dieses Textes. Die einzelnen Kapitel werden durch Pausen voneinander getrennt.

3. Erstellen einer Liste der im Buch erwähnten Orte.

4. Erstellen einer Liste der im Buch erwähnten Klänge.

5. Tonaufnahme von (3) und (4). Diese werden entsprechend ihres Auftretens im Originaltext zeitlich an dem verdichteten Text ausgerichtet. Zufallsoperationen bestimmen a) Stereo-Position, b) Dauer, c) Einschwingvorgang, d) Lautstärke, e) Ausschwingvorgang.

6. Tonaufnahmen zweckdienlicher Musik („relevant music“) oder komponierte Variationen dieser Solos werden zu einem zufallsbestimmten Circus überlagert. Jeder (Solist? Plattenspieler?) hat wenigstens doppelt so viel Stille wie Musik.

7. Erstellen eines Mehrspurbandes aus dem erzeugten Material. Wiedergabe über ein Stereo-System oder in anderer Form, so dass die verschiedenen Schichten in beliebiger Kombination hörbar werden. (2) und (6) können auch live aufgeführt werden.

Der gesprochene Text besteht aus 120 zwölfzeiligen Mesosticha. Das sind Gedicht-Strophen, in denen die in der Versmitte stehenden Buchstaben von oben nach unten gelesen ein Wort oder einen Satz ergeben. Diese Mittellinie lautet hier “Alfred Döblin”. (Cage verlangt den Namen des Autors oder den Titel des Ausgangstextes. Wegen des in “Berlin Alexanderplatz” auftretenden sehr seltenen “x” fiel die Wahl auf den Namen des Autors).“ Mehr: http://www.straebel.de/praxis/index.html?/praxis/text/t-urban_circus.htm

4 Ebd.

5 In: Aesthetik und Komposition : zur Aktualität der Darmstädter Ferienkursarbeit / Hrsg.: Gianmario Borio, Ulrich Mosch. S. 7ff. – Mainz [etc.] : Schott, 1994

6 Bei Cage spielen zusätzlich Geographika und Geräusche im Primärtext eine Rolle. Diese werden also speziell ausgewertet und fliessen zusätzlich in dessen Performance ein. „Recycling Le Tour de France“ wird diese Überlegung aufgreifen, aber in einer anderen Form umsetzen.

rltdfdok: 01 Ausgangslage

These: Alte Texte und alte Instrumente können durch alte und neue Verfahren und Kontextualisierung recycelt werden. Die Produkte sind oftmals erstaunlich. Ein praktisches Plädoyer für den kreativen Umgang mit gebrauchter Kultur.

Ausgangsmaterial ist: 1 Audio-Transkription einer Tour-de-France-Übertragung (15. Etappe auf Eurosport. Kommentierung der Moderatoren Klaus Angermann und Tony Rominger vom 20. Juli 1999). Die Transkription wurde von Marcel Michel angefertigt.

Es stellt sich die Frage: Lässt sich daraus (dieser Textarbeit) etwas machen? Weiterentwickeln? Verarbeiten?

In (allein) dieser Form ist das Material nicht interessant, aber: nimmt man den Text als Zeitdokument, ist er auch ein spezifisches Spracharchiv von Namen, Orten, Techniken etc. Worum könnte es also gehen?

Drogen – Fankultur

TV-Mediale Vermittlung

… Transformation des Textes in etwas anderes mit zusätzlichem Erkenntniswert bzw. zus. Sinnlichkeit …

Weitere Stichwörter:

Spracharchiv, Sportsprache, Wettkampfsprache

Mannschafts-/Team- vs. Einzelsport (beides)

Raumgewinnung durch eigene Kraft und Beobachtung

(Höchst-)Leistungsbegriffe, Natur / Kultur – Komplex

Metasprache im Dialog, Transformation (Sprache, Beobachtung)

Ästhetik inszenierter Kommunikation

Zeitläufte; Doping (Vermutung der 90er) -> Nachgewiesenes Doping der Grössen

Die überführten Lügner (Der der Lüge überführte Sport) sind mehr denn je inszeniert bzw. werden massenmedial rezipiert.

DIE MACHT DES ILLUSIONISMUS

„die illusionistischen Spiele“

Die Tour als semiotisches Ereignis -> Überführung in neue semiotisch-semantische Struktur

Die Tour als Dichtung, als dichtes erzählerisches Ereignis, als dramatisches Ereignis

Die Zielstrebung von Orten und Personen

Choreographie:

Teleologie

Chor

Aufbau: Szenen, Akte, Drama (Werk)

DOPING FÜR ALLE

Scheinbare Kontingenz / 2 Reifen = 2 Kreise: o+o /

Waage, Brille, Zeit und Weg und Ich (Wir)

Alles auf „Lebensweg“, Leben, schlechthin

Beispielpassus 1: Transkription / Inhaltsverzeichnis / Ausgangsdokument (von M. Michel):

Transkript der TV-Live-Übertragung der 15. Etappe der Tour de France 1999 von Eurosport.

“…da spielen so viele Rollen einen Faktor, dass es fast manchmal unmöglich ist, zu sagen, was wirklich geschieht …”

Mit Klaus Angermann und Tony Rominger.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel: Die Einführungsdebatte. -2

2. Kapitel: Der “unerlaubte Substanzen“-Diskurs. -4

3. Kapitel: “Tony, wer wird angreifen heute?” -8

4. Kapitel: “Hast du ein Freibad genommen, da unten war grad ein Bassin?” -9

5. Kapitel: Die Ratte von Comesso. -10

6. Kapitel: Die Voting Lines. -13

7. Kapitel: Der erste Bonifikationssprint. -16

8. Kapitel: Lieber einen Durand im Feld als eine Ratte im Zimmer. -19

9. Kapitel: “Was war Walter schon im Gesamtklassement?” -22

10. Kapitel: Der erste Gipfel ist genommen, US Postal zeigt erste Schwäche. -24

11. Kapitel: Kilometer 108, Verpflegung. -30

12. Kapitel: Romingers Alleingang. -31

13. Kapitel: “Escartin und an seiner Seite Dufaux.” -33

14. Kapitel: Die Abfahrt vom Peyresourde. -38

15. Kapitel: Zülle arbeitet für Armstrong. -41

16. Kapitel: Tonkov out. -43

17. Kapitel: “Virenque greift an!” -45

18. Kapitel: Alex müsste kommen und “Nardello fährt eine Superrennen” -46

19. Kapitel: Armstrong selbst greift an. -48

20. Kapitel: Tony erklärt die taktischen Geplänkel. -55

21. Kapitel: Armstrong macht wieder Tempo. -59

22. Kapitel: Die letzten Kilometer. -61

23. Kapitel: Alex fährt schlau. -65

24. Kapitel: Sieg für Fernando. -68

25. Kapitel: Das Interview mit Big Mig. -70

Beispielpassus 2: Beginn des Transkripttexts

1. Kapitel: Die Einführungsdebatte.

A: Guten Tag liebe Zuschauer, wir grüssen sie aus den Pyrenäen in (…) Piau Engaly sind wir, die Reporter versammelt, die Fahrer sind in St. Gaudans, sie starten zur fünfzehnten Etappe über fünf Gipfel der ersten Kategorie und es ist eine Bergankunft, 174 km ist das Tagespensum für die Athleten, die übrig geblieben sind 151 an der Zahl in St. Gaudens, (…) es ist noch der neutralisierte Start (…) es ist (…) vielleicht die schwerste Etappe, diese Etappe, die in den Nationalpark der Pyrenäen führt in ein Naturschutzgebiet, es ist ein Debut, ein neuer Zielort hier, Piau Engaly (…) 1975 kreiert, eine Skistation, die aber sehr schön integriert ist in die Landschaft, soweit das beim Raubbau der da getrieben wird in der Natur überhaupt möglich ist, aber verglichen mit den Bettenburgen von (…) La Plagne oder auf Alpe d’Huez schmiegt sich hier (…) dieser Ort in den Berg hinein (…) (…) ich (…) möchte sie animieren, auch wieder sich zu beteiligen (…) am Gewinnspiel von Eurosport, die Telefonnummer wird eingeblendet werden, die sie wählen können, um den Sieger dieses Tages vorauszusagen, (…) wird es Lance Armstrong sein, wird es Alex Zülle sein, Richard Virenque oder Fernando Escartin, Abraham Olano, alles Namen, die hier im Gespräch sind oder ein zweites Mal Guiseppe Guerini vom Team Deutsche Telekom, dem Zehnten der Gesamtwertung, dem Gewinner, dem Triumphator der Zielankunft in den Alpen in Alpe d’Huez (…) (…) Interviews vom Motorrad (…) nur den französischen Kollegen gestattet und nicht dass sie vermuten, dass ich diese Etappe nonstop bei Eurosport von Start bis ins Ziel im (…)

rltdfdok, deckblatt tl. 2: Notizen zu „Recycling Le Tour de France”

Notizen zu „Recycling Le Tour de France“

Komposition für drei Soundboards, eine Yamaha PSR-420

und diverse, künstliche Stimmen


 

 

Dokumentation & Materialien


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

“…da spielen so viele Rollen einen Faktor,

dass es fast manchmal unmöglich ist, zu sagen,

was wirklich geschieht …”

Tony Rominger

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach verschiedenen früheren konzeptuellen Arbeiten (1) rund um die Bereiche Recycling/Entsorgung (Erinnern/Vergessen) bzw. der Arbeit am Autorschafts- und Werkbegriff nimmt diese Arbeit das Recyclingthema wieder auf – in seiner wortwörtlichsten Bedeutung, allerdings.

 

“Recycling Le Tour de France” versteht sich als konkret-poetische Montagearbeit, die aber auch überkommene Text-, Hard- und Softwareformen, d.h. Sprache, Sound und Technik zerlegt, anwendet, rekombiniert und daraus neue, ästhetische Gebilde formt.

 

 

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(1) “jetzt ist es ein kunstwerk” – 100 Flooksbooks nach Sam Kautsch (2012), “The Chomskytree-Haiku (Rhizome(Rhizome)) / TCT-H (R(R))” (2011), “Ueberich I. Datenbank der Realfiktionen / Database of real fiction 1(2)” (2011).“ikindle” (2011), “ONPOS – Wörter, die es gar nicht gibt” (2010), “Das blaue Buch der Weissheit.” (2010), “Bibliotheca Caelestis. Tiddlywikiroman.” (2008)