Mein Universum

Ein wenig Latein

Drei Semester lang

Sechs Stunden die Woche

(ohne die Zeit für Vor- und Nacharbeit)

Davor gelernt

Wie man Zahlen so wendet

daß der Saldo stimmt

Kennzahlen und Kontokorrent

auch eine der septem artes liberales

Von Büchern den Staub gewischt

Und von Metallteilen den Ölfilm

Ein wenig Betten geschoben

in irgendeinem Sterbehaus

in Hamburgs Norden

Transit ohne die Bedenken

die man heute damit verbindet

Aber was für ein Aufbruch

der ganze Überschwang der Jugend

in einem Kartenhaus voller Bücher

Theater vom Feinsten

Glanz der frühen Jahre

Später dann: eher Langeweile

ein Mißbehagen

verursacht durch

zuviel Rückblick

Ich neige heute dazu

Vieles dem Zufall zuzuschreiben

Eine Formel

die wenig erklärt

Im Alter hören die Fragen auf

sagt mir eine, die’s wissen muß

Ein Andrer, daß

nicht alles Gold war, was glänzte

Gott sagt mir Nichts

ER schweigt

Das stört mich aber nicht

Im Gegenteil

so bleibt es spannend

Woher dann aber

– manches Mal –

der Überdruß

vor oder nach der Rasur

Mit oder ohne Bart

ändert nicht die Haltung

Vor dem Spiegel ist

hinter dem Spiegel

All its the same, Alice

Komisch nur, daß

in all dem keine Lehre steckt

Weder davor noch dahinter

Mein Geheimnis

bleibt mir unergründlich

Was ich weiß

passt in einen Fingerhut

Meine Nußschale

mit dem grünen Segel

Was ich weiß

ist in nuce

Ist mein Universum

Neapel im Frühling

Die Stadt liegt träg am Ankerplatz von Träumen.

Ein Lächeln steht den Kindern im Gesicht.

Der Wind geht um und löscht das Licht,

das hängenblieb in Winterbäumen.

Aus hundert Kirchen summt die Trauer,

Vervielfacht sich, steigt auf und fällt

auf morsche Dächer, wo das Geld

im Kasten schimmelt, wie auf Lauer.

Ein Staunen geht von Tür zu Tür,

kreuzt Katzen, die die Nacht durchschleichen

und sieht wie die Gespenster weichen

durch Ritzen in den Mauerfalten.

Verfall hält tanzend Hochzeit hier

In dieser Stadt, der heiligen, uralten.

Darin wir sterben müssen

Es ist ein Haus – darin die Räume

leer und kalt. Ein Schaukelpferd

steht still, entbehrt der Kinder,

die nun schwer und alt. So wie der Herd

in der einst belebten Küche. Nur die Träume

rücken Möbel und vom oftbespielten Flügel geht ein linder

weicher Ton in den wildverwachs‘nen Garten. Blinder

Laut dringt in die fremde Wirklichkeit – die Straße

gilbt und denkt an ein vergangenes Jahrhundert.

Schenkt, Götter ihr, daß nichts mehr wundert

sich in meinem Herzen. Nur auf der Zunge sei noch Haße.

Wie denn sollte, Liebste, ich dich blutvoll küssen

in diesem Hause hier, darin wir sterben müssen?

Morgenlied

Mit deinen Silberstiefeln

aus Tau

trittst du

Morgenspinne

meinen Schlaf

in den Tag

Wäre die Welt

wie ich sie wünschte

Liebste

Leichte Spindel

wärst du

und ich

Roter Wein

dein dunkler Gefährte

Immer kürzer

Immer kürzer werden die Tage

Der Schatten, den dein Körper

wirft

wenn die Glockenblume

wieder ein Ostern einläutet

wird länger

Immer länger wird

dein Warten auf die Nacht

Im Schein einer Laterne

deren Licht seine Quelle nicht kennt

wirfst du das Ende eines Seils

ans dunkle, andere Ufer

Immer kürzer deine Ungeduld

Immer kürzer die Nacht

Immer kürzer

der Schwanenhals

der weißgefiederte

an dem deine Sehnsucht

hinuntergleitet

In die Nacht