20. Schachtel (In Samt und Seide)

Körperkisten und Gedankensärge, gleichermassen. Wirksam, kommen zum Einsatz nur offensichtlich, nur oberhalb der Erde, Gefässe der Abschiednahme, gleichermassen.

Die Urnen dagegen: abstimmungshalber, und fürs Regal. Für den gedachten Wiedergebrauch. Für den Widerspruch.

noch jeden meiner familie habe ich zweimal unter die erde gebracht. noch jeden zweimal verabschiedet, in die kiste gegrüsst und den kopf gesenkt bei der einlotung des metallboliden in die erde. ein ritual, zwei rituale, die nie hinterfragt wurden – bei uns. ein gruss an den körper, einer an den inhalt, der allmählich entweicht.

19. Schachtel (Draussen ist nichts)

Ein Rollkoffer oder nicht. Nichtrollender Koffer. Wird da Raum durch Gegend getragen? Oder gerollt? Entgegen der Bezeichnung: geschoben? Ein Rollraum? Oder rollender Raum? Raum auf Rollen? Überhaupt: kann etwas noch als Raum bezeichnet werden, wenn es abgeschlossen oder wenigstens angedeutet wurde. Und sich in Bewegung befindet. Ist bewegter Raum noch Raum? Sind dessen Gefässe nicht schlechthin als nur angedeutete Räume zu bezeichnen?

auf zwei rollen werden sie hinter sich hergezogen. auf vieren führt man sie seitlich mit sich, was auf einer ebene eleganter aussehen kann. auch auf dreien habe ich sie schon gesehen. auf einem bahnhof. ein halter rauchte gerade eine zigarette. über mögliche fortbewegungsarten kann ich nur spekulieren.

18. Schachtel (Im Keller Gottes)

Der Keller, die Abstellkammer, das Dachzimmer. Schachteln in der ureigentlichsten Bedeutung. Dort liegen die Dinge, aber nicht aufeinander, sondern hängen an den Wänden. An den Zimmerwänden, Schrankwänden, Schrägen. An den Rändern des Raums.

da liegt etwas in einer dose in einer schachtel in einem karton in einem koffer in einer truhe im keller eines puppenhauses. babuschka heisst es. und es ruft dich beim namen. eine vielschichtige, eine verzwiebelte situation. dir kommen die tränen.

17. Schachtel (Das Selbst)

Man kann über alles diskutieren. Auch über Titel. Auch über Titelvarianten. Man könnte diese Zettelmenge auch “Über die Ordnung in meinem Keller” nennen. Vielleicht. Oder nur: “In meinem Keller”. Aber dann ginge der Fokus etwas verloren. Das könnte aber gerade recht erscheinen und man würde sich auf ein abschweifendes Sehen berufen. Und den abschweifenden Blick als den Effekt eines Nichtmehrerinnerns. Eines Nichtmehrerinnernkönnens. Wer wollte das verbieten?

man kann da auch ganz pragmatisch reagieren, wie ich jüngst schrieb. kann da gewicht abwerfen. stellenwerte verringern. verzichtsplanung betreiben und nach bestimmten oder unbestimmten mustern extrahieren. einen titel nach dem zufallsprinzip aus der zu titelnden textmasse generieren. was würde das ändern? es ist zunächst eine charmante idee. man stelle sich vor: die teile, die da aus dem textinnern ans licht gezerrt werden und da plötzlich rumstehen, oben, und nicht wissen, was sie da tun sollen, so im rampenlicht und ner menge vorschusslorbeeren; und einen dann wieder absetzen, hineinwerfen in das monstrum. das ist mir da so durch den bauch gegangen. (ist auch so ein zusammenhang: diese überbewertung der titel. (…)

16. Schachtel (Rebus)

Die Arbeit nimmt überhand. Erst jetzt stelle ich fest, dass sich hier noch keine Überlegung zu einer Truhe jedeweder Form eingefunden hat. Sie hat sich, könnte man sagen, bislang sehr im Hintergrund gehalten. Vielleicht entspricht das auch ihrem Wesen. Wen mag das wundern, wird sie doch klein geschrieben und von einem dunklen Kreuz eingeleitet. Und es herrscht Frieden, woimmer sie auftaucht, wo sie sich am Ende befindet. Eine sich alles versagende Immobilie, die in meinem Keller fast zuhinderst steht.

ungewöhnlich, hier ein zitat einzufügen, nein, ein zitat noch einmal zu zitieren, aber genau das entspricht dem lauf der dinge, einem desiderat, einem: Schreiben auf eine Weise, dass jeder Satz schlichte Mitteilung ist. Nicht literarische Möblierung des Raums zwischen Autor und Leser.

Eine Mitteilung, die sich nach einer Reaktion (Was sagtest Du?) leichthin reduziert (Ach nichts).