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Wie der lesende, so zählt der schreibende Bibliothekar naheliegendem Berufsklischee zum Trotz durchaus nicht zu den typischen Vertretern seiner Zunft. Im Gegenteil bin ich davon überzeugt, daß der literarisch ambitionierte Literaturverwalter in der belletristischen Gesamtproduktion eher unterrepräsentiert ist: Selbst dem nicht mehr als durchschnittlichen Literaturkenner sind spontan zweifellos ebenso viele schriftstellernde Ärzte (Schnitzler, Döblin, Benn) oder Juristen (Thoma, Tucholsky) wie Bibliothekare geläufig. Dies mag zunächst in den schon für die Berufswahl ausschlaggebenden Persönlichkeitsmerkmalen begründet sein, jener nicht so sehr von schöpferischer Intelligenz als verläßlicher Zuarbeit angezogenen Begabung.
Ausschlaggebend wird auch der ernüchternde Umgang mit dem Buch als Verwaltungsmasse, als bibliographische Einheit sein, sowie die schwermütige Pflicht, Autorenhoffnungen gleich zu tausenden in den Magazinen zu begraben.
In: Döhmer, Klaus. – Merkwürdige Leute : Bibliothek und Bibliothekar in der Schönen Literatur. Würzburg : Königshausen und Neumann, 1982 (S.98f.)