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Zwischen den Seiten der Bücher, sagte er, aber das können Sie sich nicht einmal vorstellen, weil Sie noch so ein windiger Neuling sind, liegt die gräßlichste Unflat jener schmutzigen und buckligen Wesen, die wir Leser nennen. Ein in seine Lektüre vertiefter Leser ist an sich schon ein lasterhaftes Wesen, übelriechend sein Atem und seine Hose, auf dem besten Weg zum Gehirnschwund mit allem, was sich daraus für die Transpiration und für die Gesundheit der Gliedmaßen im allgemeinen ergibt. In den Büchern findet man daher alles: Schuppen zum Beispiel! Sie wissen ja nicht, wie eklig das ist, eine Schuppendecke, als hätte es ins Buch geschneit, dazu die anderen Absonderungen der Kopfhaut; auch Haare! Sie wissen gar nicht, wie viele Haare, und erst die Körperbehaarung! Härchen aus Bärten, Schnurrbärten und Ohren landen in den Büchern; und bei jeder Lektüre kommen neue dazu, schichtweise, denn Lesen ist ein vandalischer Akt in jeder Hinsicht. Ich kann Ihnen die Seiten zeigen, die den Leuten gefallen und bei denen sie sich unbewußt länger aufhalten; es sind mit einer Fettschicht überzogene Seiten, Fleckchen überall und anderes Zeug, das uns ständig aus dem Gesicht fällt, ohne daß wir es wollen; Spucketröpfchen zerknittern das Papier oder werfen es auf, wenn es sich um Husten, Niesen, Auswurf oder Lachen handelt, vor allem wenn sie zwischen den Zähnen herausspritzen in Form jenes gewiß nicht hygienischen Sprühregens, der Ihnen bekannt ist. Und erst die Nase!
Aus: Ermanno Cavazioni, Mitternachtsabitur, 1991, S.61f.