Dranmor Erläuterungen (auch Waschzettel)

Vorläufiges Kurzexposé (3/06)

Ferdinand Schmid alias Dranmor (1823-1888), ist ein längst vergessener Schweizer Dichter und Diplomat, der und dessen Werk in diesem Fragment-Roman allerdings nur als Bearbeitungsoberfläche des Ich-Erzählers auftaucht. In der in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts abbrechenden Sekundärliteratur wird er als „Mann des Übergangs“ oder auch als „seltsamer Mann“ beschrieben, getrieben von einer grossen Lust auf Literatur und fernen Zielen. Geboren in Bern, lebte er einige Zeit in Österreich in KuK-Diensten, um dann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach Brasilien zu reisen, dort Österreich zu vertreten und sich engagiert um die Kolonialisierung bestimmter Landstriche Brasiliens zu bemühen. Seine Bemühungen scheiterten. Er reiste wieder nach Bern zurück, um dort unter mysteriösen Umständen zu sterben.

Im Zentrum des Textes, der sich in der Gegenwart situiert, steht ein Ich-Erzähler, der Dranmor auf der Spur ist bzw. diesen ausgraben will. Der grobe und einfache Plot: Der Erzähler landet auf der Suche nach einer Arbeitsstelle in Bern, trifft dort einen alten Studienfreund mit dem Namen Roman. Beide beginnen gleichzeitig für einen Literaturwettbewerb zu schreiben und nehmen sich den vergessenen Dichter Dranmor vor. Später, ab etwa dem sechsten Kapitel, tritt SIE auf. Eine vergangene Liebe Romans und des Erzählers, die von letzterem, exemplarisch für vieles andere auch, noch nicht bewältigt wurde. Der Erzähler verliert zudem seine Arbeitsstelle und stürzt in eine Krise. Der experimentelle Roman in Fragmenten (Manuskript in Überarbeitung, derzeit 320 Normseiten) kippt im letzten Drittel ins Mythologische und endet in der Auflösung der Erzählstränge, Diskurse und des Erzählers.

Das Personal des Romans ist sehr überschaubar. Neben dem Erzähler treten nur wenige Figuren, wie z.B. Roman, SIE, ein Gemälde Holstein-Gottorfs, eine Zimmerpflanze mit dem Namen Maria und ein sich allmählich aggressiv gebärdender Pilz auf. Die Schauplätze, ausser einer Stippvisite in Barcelona, beschränken sich auf Wohnung, Keller, Dach des Erzählers in Bern und einige unbedeutende andere Stationen.

Zentrale Motive des Romans sind: das eigene Schreiben und Zur-Sprache-Finden des Erzählers, die Bedeutung von Literatur an sich und die Oberflächennutzung und Identifikation mit Vorgängern sowie am Rande Heimat/Fremde/Exilierung. Dokumentiert werden sollen hier aber auch das Bild einer späten Heimsuchung eines nicht entsorgten Vergangenen, der Snapshot eines zehnmonatigen Verfalls bzw. das Scheitern einer halbherzig versuchten Integration in der randständigen Wahrnehmung und Sprache eines Verlorenen.