(Abwärts)
Der Gang durchs Treppenhaus erinnert mich an meine Pflichten. Hier knarrt eine Stufe, dort wackelt ein Geländer, etwas Schimmel unter einem Sims. Sollte man beobachten. Übernächstes Jahr soll hier sowieso alles tapeziert werden. Der Garten, sollte noch winterfest gemacht werden, das habe aber noch Zeit, schliesslich sei erst Herbst. Es gab Fluktuation hier im Haus im Schönsteinweg. Als ich vor ein paar Wochen hier eingezogen bin, hatte sich alles im Aufbruch befunden. Die Mietparteien der zwei Stockwerke unter mir würden bald ausziehen, hatte mir die Hausverwaltung angekündigt, neue Mieter würden einziehen, man kenne sie noch nicht, erste Besichtigungstermine seien angesetzt. Ob ich mir zutraute, mich, zumindest kommissarisch, bis man eine andere Möglichkeit gefunden hatte, hier ein bisschen umzuschauen. Ein paar kleine Handgriffe zu erledigen. Wenn etwas nicht funktionieren sollte, ein bisschen Hand anzulegen, ob ich das könne? Sonst die Bitte sich einfach mit den Vermietern, der Verwaltung, eigentlich einer Institution in Italien, die ungern in Erscheinung treten möchte, in Verbindung zu setzen, wenn irgendetwas sei, man handhabe das eher unkompliziert. Ich sagte zu, auch, um meine Chancen, diese schöne Dreizimmerwohnung mit ihrem abgewetzten Parkett zu bekommen, zu erhöhen.
Im Mietvertrag stand dann: Der Mieter würde für dieses Anliegen vorübergehend die Funktion des Abwarts übernehmen. Interessanter Begriff, mein Gedanke, kannte ich bis jetzt einen Hausmeister, vielleicht noch den des Blockwarts. In mir liege nichts Meisterschaftliches, der Kalauer insgeheim. Doch ein Abwart, abwertend irgendwie, verweist ins Tiefe. Er schmeckt nach feuchten Kellerräumen, verfaultem Laub und steht für das Geräusch einer rostigen Gartenschere. Ich würde mich mit dem Wort und den damit verbundenen, kleinen Tätigkeiten anfreunden und es irgendwie richten.
Auch die anderen Mieter ein bisschen im Auge behalten. Man wolle keine lauten Partys. Wenn es Ärger gäbe, ja, man würde schon einmal nachfragen, wie es so laufe. Ruhe. Diese Strasse braucht Ruhe!
Das brauche ich auch, dachte ich, vor allem aber die Angst, nichts anderes, nichts ähnlich Schönes zu finden, in dieser Stadt, in der ich noch niemanden kannte und in der ich mich gleich als Ausländer fühlte, trieb meine Unterschrift auf das Papier.
Abwarten. Um Treppe, Wände, Simse, Garten würde ich mich die nächsten Wochen kümmern. Ich würde die Stufen beobachten, besonders der Einen genau zuhören, ob sie nicht vielleicht lauter würde, ich würde Markierungen an den Schimmelrändern platzieren und diese regelmässig vermessen, ob und wie schnell diese vom Schimmel überwunden würden. Ich würde mir bald einmal Gedanken machen, wie ich Herr über die kleinen Defekte des Hauses werden würde.
Was für ein Zufall, denke ich, als ich die Eingangstüre meiner Wohnung hinter mir schliesse, dass Roman nun in der Stadt sei. Kein Zufall, dann, denn das Gesetz lautete, dass man sich immer zwei Mal im Leben träfe. Man träfe sich immer ein zweites Mal und erzählte und redete dann von Dingen, die man in der Zwischenzeit erlebt hatte, je nach Stimmung, lässt man das eine oder andere Detail aus, um sich in dem einen oder anderen Licht zu präsentieren. Ich bin mir nun nicht mehr sicher, welche Beleuchtung ich gewählt hatte, welche Bühne ich betreten hatte, als ich vorhin mit ihm plauderte. Wir hatten uns eigentlich nichts erzählt. Das ist immer der Sinn eines ersten Treffens einer zweiten Begegnung. Zumindest hatte er nichts erzählt, von sich, etwas zu Schlussfolgerndes aus der Zwischenzeit, und ich hatte mir Mühe gegeben, ihm viel und so wenig wie möglich zu sagen, damit keine Pause entstände.
Dort ist noch eine Geschichte vor dem Beginn der Zwischenzeit. Ist sie im Keller? Muss ich wieder hinunter? Ich werfe den Schlüssel auf den Schreibtisch, setzte etwas Kaffeewasser auf und öffne die Post.