Dranmor IV,1g

(Das ginge doch)

Heute sei ein guter Tag. Und: Das sei doch etwas. Das wäre doch gar nicht so schlecht, was ich geschickt hätte. Als Entwurf betrachtet, selbstverständlich. Für den Anfang. Da merke man ja richtig, da habe sich einer Gedanken gemacht, so Roman in der Antwort. Und was die Kritik anginge, die Selbstkritik, die die Kritik ja vorwegnehme, die immer auch ein Bestandteil der Kritik wäre, wenn nicht sogar der wichtigste: Die könne gar nicht genug, gar nicht zu eng oder weitläufig, gar nicht zu allgemein oder präzise sein. Sie müsse tatsächlich eine fast Medizinische sein.

Ich habe das schön geschildert, man müsse überall genau hinschauen. Alles abklopfen, sozusagen. Das sei ja über weite Strecken geschehen, am ganzen Textkörper entlang, der freilich nur als Entwurf oder Idee behandelt werden sollte, so Roman. Auch er habe im Anhang eine Kostprobe seiner Idee bereitgestellt: Ein Dialog, nicht überzubewerten und erst im Anfangsstadium, nur, um es einmal zu nennen – aber zurück zu Loipenblut. Es sei im Kern der eigentlich bessere Entwurf. Nicht unbedingt als Idee, aber als Entwurf. Sprachlich interessant, so gleichgültig, der Ansatz, finde Roman, dass eigentlich ein kleines Lob im Rahmen einer gehörigen Kritik, vor allem als Komplementär durchaus nicht schaden könne: Dass er es natürlich als Anspielung auf ein Dranmorleben, gar ein Dranmorschreiben lesen würde, sei mir hoffentlich klar, nachdem ich wohl immer noch damit beschäftigt sei, Material für den Wettbewerb zu sammeln. Dass er auch die Verarbeitung des Menschenfressermotivs nach Hans Staden, das sei ja offensichtlich, nicht übersehen habe. Diese Brasilienerfahrung, man sollte sie aber noch etwas mehr betonen. Aber die Figur des Menschen im Kessel – wo hat er das denn gelesen? – jenes erzählende Ich im feuerheissen Wasser, der Kampf um das Selbst – wo hat er das denn gelesen? –, ja, und das Fass und das ganze Wasser, Fruchtwasser, Feuerwasser, – wo hat er das denn gelesen? – sehe er schon, so Roman. Ein wirklich interessanter Ansatz, nur: Eben nur ein Ansatz, oder besser gesagt: Entwurf. Man müsse da schon etwas mehr hineinlegen. Die Länge. Und der viele Schnee. Müsse es nicht Sand oder Urwald sein? Der Verlust. Das Verschwinden der Leute. Die Entgrenzungen. Eine Gegengeburt: Wie viele Zeichen es denn seien? Wieviele Tropfen? Wer, was ich denn denke, der Disla sei. Ein Gott? Ein Ich? Dranmor? Oder nur ein schlechter Witz? Aber: Das werde schon, das werde schon. Ich hätte ja noch etwas Zeit.

Ob ich bald wieder zur Arbeit gehe? Man vermisse mich doch sicherlich. Ob es in meiner Wohnung auch so kalt sei? Ob ich einen angenehmen Jahreswechsel gehabt habe? Man könne sich ja mal wieder treffen, wie er denke, und solche Dinge bei einem Glas Wein … Telefonisch sei es bei ihm zur Zeit ganz schlecht. Er würde mir ja gerne seine Nummer geben. Aber: Etwas sei nicht in Ordnung. Etwas sei kaputt. Ja, wie seltsam, sowohl zu Hause, als auch auf der Arbeit. Er lasse das wieder richten und bei Gelegenheit erfahre ich dann auch die Nummer. Aber postalisch. Aber per E-Mail sei es ja auch kein Problem. Nun, man halte sich auf dem Laufenden. Ein mögliches Treffen von uns könne vielleicht schon nächste oder übernächste Woche in Aussicht gestellt werden. Mein Gott, es sei ja schon bald Februar, wie die Zeit vergehe. Er wünsche mir alles Gute. Und so weiter.

Das ist etwas. Da ist ein Daumen, der sich langsam beruhigt. Da ist eine Wohnung, die sich heizt, die sich mit der Hitze des Daumens, der ganzen Hand langsam füllt. Da ist der nur noch kleine Schmerz dieser Schreibhand, aus dem seltsame Dinge strömen. Der sich entwickelt und entbindet oder fallen lässt. Der sich entspannt. Da ist ein Wochenanfang in Sicht. Ich werde wieder zur Arbeit gehen. Wieder arbeiten müssen, um weiter dort arbeiten zu können. Schnelle Woche des Broterwerbs, es muss zu schaffen sein. Uneigentlich Arbeitenkönnen: an dem was als Arbeit bezeichnet wurde, was Roman vielleicht mit Feuer meinte. Ein unglücklicher Ausdruck: Das Selbst. Zudem ist ein Blick in diesen unglücklichen Band zu werfen. Vielleicht schon am kommenden Mittwoch. Ein paar Strophen lesen: Strophen lesen. Ich lege einen Fetzen Papier auf die entsprechende Seite. Einhundertsechs. Und vielleicht verstehen, was mit trauernden Wolken über den Wäldern gemeint ist. Was mit dem grauen Nebel auf dem See. Der grünen Halde. Man konnte ja alles missverstehen. Man konnte ja alles verstehen, wie man nur wollte. Sich stur stellen und sagen: so sei es aber. Und irgendwann ist es dann so. Irgendwann, wenn nur hartnäckig genug daran geglaubt würde. Eine Loipe ist dann eine Spur. Doppelspur. Ein Weg. Ein Zeichen einer Fahrt. Eine Andeutung einer Odyssee. Eines Lebens. Eines Verschwindens. Vielleicht eines Gefressenwordenseins. Eine Geschichte um ein paar Tropfen Blut.

Die Sache ist in Fahrt. Läuft. Man müsste sich darüber Gedanken machen, was passieren wird. Jetzt, hier, nach diesem Entwurf. Das liegt in meiner Hand. Man müsste einen Fall konstruieren. Einen Fall, der gelöst werden möchte. Zwei Spuren würde es geben. Und: Es ist noch etwas Zeit.