(Burning down the house)
Eine Hinterlassenschaft. Ein Riss und ein Stück Hosenstoff verkeilt sich am Aussengitter des Fensters. Eine Naht gibt nach. Das Knie windet sich. Hände graben Löcher in den lockeren Kies, scharren, öffnen den blickdichten Vorplatz ein wenig und legen feuchten Humus frei.
Mehr wird von den Nägeln nicht aufgenommen, also zeichnen sich Linien in die Oberfläche. Mustern. Mehr Scharren. Beeilung, ruft Sabina, das Sengen der Federn, sie fliegt auf eine Kastanie, kaum mehr zu sehen in deren Sommerpracht. Das Rufen der Artgenossen, aufgeregt, hier ist das Ende, nichts mehr zu holen.
Gleichmässiges Lodern, man kann förmlich das Züngeln der Flammen erfassen. Das Gleiten. Und das Knacken der Holzgitter zu den Parzellen.
Die gefrässigen Zungen haben wohl schon den Ölkeller erreicht. Schwerer, angenehmer, gleichmässig dunkler Rauch strömt aus Luken und Mauern der unteren Geschosse. Ein prächtiger, satter Geruch. Schrottplätze, Tankstellen, Abenteuerspielplätze, oder der eines auslaufenden Containerschiffes. Nur dunkel der Rauch und beklemmend der Pilzgesang, ein immer noch bittendes, flehendes Mantra hebt sich an zu einem Jahrhundert voller Schreie oder anderthalb und drängt, wie die eigene Masse an die Ränder dort unten, zum vermeintlichen Aussen.
Von Ast zu Ast und Baum zu Baum hüpft Sabina und sucht auch dort noch das Freie. Irritiert von sich bündelnden Massen nicht mehr versteckter, scheinbarer, nun aufgescheuchter Vögel, die ihre Matinee unterbrechen müssen und nun alle von einem Blitzfeuer sprechen. Darüber wird im Flug diskutiert, und bald im Südosten.
Mich hält es auf der Strasse, auch wenn ich die Arme ausbreite und sie langsam hebe und senke, die Strasse, die sich trotz früher Stunde allmählich belebt und mich hinter die Bäume schickt, amputierte Alleen, sicherer sei es dort unter den Laubdächern, die Fensterläden öffnen sich schon.
Das Haus. Das Haus. Es brennt. Haben Sie das schon gesehen? Und der Rauch, die dünne Säule, die schräge, nach oben zieht sie. Und: wie interessant, das kleine Wölkchen dort oben. Akkumuliert.
Auch der Raum vor dem Haus und ein paar Versuche ihn zu retten, und was noch zu retten ist: der Kies auf dem Vorplatz und ein Fahrrad und ein Sack mit Torf, der Werweisswem gehört.
Dann eine Tonleiter. Hitze zieht ein letztes Mal aus dem Keller nach oben, löst Stufen aus der Treppe. Das Glas: nicht mehr viel, nur weniges klirrt und platzt und ist kaum zu hören, dabei der Tumult der sich langsam vergrössernden Gruppe. Die Wagen. Die Lichter und Schläuche. Man wird dich erkennen. Sabina weiss etwas: dort drüben sei es sicherer.
Auch die direkte Masse der Leute ist ein Schutz und im Zentrum am grössten, aber bald geteilt durch die Autorität der Schläuche und Helden mit Helmen und dem vielen Wasser, das aus Hydranten schiessen sollte, wäre es nicht trockener als sonst, und heute nicht so früh. Es dauert, man kann das Dauern spüren.
Und: wie unbeteiligt ein Feuer brennen kann, und wie unbeteiligt ich und die Löschenden, die doch ihr bestes versuchen, als schon das Dach nicht mehr Dach sein will und der zweite Stock im ersten, und dann die Wände im ersten zu Recht ergrauen. Das Rauchwerk. Das Erinnern.
Ein Jahrmarkt, so etwas. Ein Fest, und das früh am Morgen. Am Tag des Herrn, denkt mancher, und: so viel Arbeit.
Das muss man besprechen. Da kommen Fragen auf. Da kommen auch Fragen von den Herren im Dienst.
Da ist ein Kopfschütteln. Ein So plötzlich und Der Gestank und Das Haus sei doch unbewohnt oder unbewohnbar oder beides. Ein grosses Rätsel, vielleicht ein elektrischer Defekt. Der Defekt macht die Runde.
Ob man etwas gesehen hätte. Dann: Ob er etwas gesehen hätte. Dann: Ob ich etwas gesehen hätte. Und: Ob mir etwas aufgefallen sei. Ob ich hier wohne, die Fragen an mich von nicht unfreundlichen Herren.
Ich weiss nicht, ich weiss nicht. Nein, ich sei eher zufällig hier, auf dem Weg zum Bäcker – der habe doch schon offen, frage ich zurück.
Einen schönen Vogel habe ich da, ob der denn zahm sei. Sehr ungewöhnlich einen zahmen Spatz zu haben, noch dazu einen, der auf der Schulter sässe, so brav, und nein: jetzt Grimassen schneide.
Ich hätte ihn gerettet, sage ich und meine es anders herum, ernte dafür einen schneidenden Blick von Sabina. Er bemerkt ihn und wandert mit dem seinem erst auf die Hände, dann Schuhe und verweilt auf der Hose, begutachtend, scheint es.
Es ist ein grosses Glück, dass in diesem Moment sich ein Teil des feurigen Gerüstes von der Aussenwand löst und einstürzt und Aufmerksamkeit fordert.
Wir sind wieder für uns in der gebannten Menge. Und: Wir müssen, wir müssen, Sabina, aber Wohin, zu Sabina, ich möchte nicht alleine im Freien schlafen, Sabina, jetzt wo da nichts mehr ist.
Aus der Strasse, dem Viertel in Richtung des Berges, entgegen den Strömen der Brandstiftersucher, der Gaffer und Sonntagsvergessenen, die Hände nun in den Hosentaschen, den Vogel geschultert, der, man bemerkt das, sich wohl verhält, als redete er auf mich ein.
Das könne schon sein, im Freien, aber nicht alleine, ich werde schon sehen, Sabina, und weiter Nun nimm diese günstige Bahn, wir treffen uns an der Endstation.