Käuflich

Große Gedichte, so sagt die Legende,

gehn erst im Geist großer Leser zu Ende.

Dieses hier auch. Denn es ist gegenwärtig

richtig besehen noch nicht so recht fertig.

Mag es auch strahlen und sternengleich glitzern,

fehlts ihm an was. Und woran? An Besitzern.

Ach, wenn sich doch für die wortreiche Spende

bald ein geeigneter Eigner einfände.

Spende – “der Welle lieblicher Buhler”,

wusste schon Goethe. Ach, Guido, als Schöngeist

liebst Du die Künste? Das sinnig Gereimte?

Klingende Worte? Das süßlich Geschleimte?

Silben, die Seele und Herz Dir befeuern?

Nimm dies Gedicht – und erlass mir die Steuern!

Frag auch die Freunde aus deiner Partei

Wem ich was schreibe, ist mir einerlei.

Gegen fiskalische Vorförderungen

werden hier gern “Niebel“ungen gesungen,

“Brüderle, trink!”, “Heide-Rösler” und “Unterm

Lindner”. Ihr müsst mich nur richtig ermuntern!

Pfandfreies Bier, dreißig Vollsilberlinge

– dafür erdichte ich herrliche Dinge,

widme sie euch, eurem Werk, eurem Wohle.

Meldet Euch bald, schließlich brauch ich die Kohle!

taz > (GROa)