Mollet, Li: sondern (Auszug)

Die aussortierten Objekte vom einen Haus ins andere transportieren. Die anderen hinterlassen. Hinter der Mauer lassen und entsorgen. Empfohlen sei es, die Nostalgie von der Haut zu schaben und in eine Geste zu übersetzen. Dabei die Staubflecken betupfte Notiz auf einem Papierstreifen entdeckt. Bitte eine Geschichte erzählen, meine Geschichte. Und das Foto der Schattenlandschaft, der Sonne beschienene Hügel im Hintergrund. Ein einziger Baum unterbricht die horizontale Linie. Der Arzt sagt, er habe die subakromiale Reizung mit verdünnten Steroiden infiltriert und die myofasciale Kettenreaktion, auch die sekundäre, neural- und manual-therapeutisch angegangen. Ich will das Meer sehen, sage ich.

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Meine neuen Schuhe reizen die Ferse nicht lange nach dem ersten Gang. Trotzdem der Reiz prächtiger Häuser, Plüschvorhänge und Perlen, er verdrängt meinen Wunsch nach halte mich fest und ich dich. Es geht um eine Vase, sagt er, die den Blumen ein Wasserbad, du weißt schon. Eine bauchige Form. Im Geschäft fahre ich in die dritte Etage und suche danach. Ich finde nicht, was sich suche. Aber es gibt Gedanken und Gefühle, die immer wieder da sind. Auch manchen Dingen sprechen wir überdauernde Bedeutung zu. Ich wünsche mir Zeit, viel Zeit. Verstehst du, ein einziger Sommer ist leider zu wenig, sage ich. Aber was würden wir tun, wenn wir einen zusätzlichen Tag geschenkt bekämen, fragt er.

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Immer wieder werfe ich die Fragen in die Luft. Der Wind tut das seine, fegt in Ankündigung eines Gewitters durch die offene Tür. Den Schal vom Stuhl. Die Staubflocken im Kreis. Manchmal diese runde Bewegung in meinem Kopf. Ein Kreiseln bis zum nächsten Atemzug. Jener Topf, zum Beispiel, steht seit Jahren in der Ecke, daneben die bemalte Blechdose. Ich schicke ein paar Wünsche durch den Äther. Pandora sammelt sie ein. Er zieht ein frisches Hemd an, die Hose und die alten Schuhe. Das Schweigen ist ein Beweis dafür, dass das Sprechen sich selbst nicht genügt, sage ich. Warum nicht die Geschichte entwerfen von einem Mann und einer Frau, du weißt schon, ein Paar erfinden, das alt und schöner wird mit den Jahren.

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Damals fasste seine Hand meinen Arm, und wenn ich beim Treppensteigen ausser Atem geriet, streifte mich sein verwunderter Blick. Von da an war nichts mehr, wie ich glaubte, dass es, und ich sehe jede Falte um die Lippen, die zahnärztliche Bastelarbeit, das Haar am falschen Ort. Ich höre das feinste Anstossen der Zunge, den stockenden Atem. Am Nebentisch sagt eine Frau: Gerade ist eine relative Bezeichnung. Zwischen zwei Punkten geschieht mehr als die Linie zu markieren meint. Sie zuckt mit den Nasenflügeln. Zum Beispiel gestern, sage ich, es stand dir gut an. Die Beharrlichkeit, der aufrechte Gang und die Brille vor den schwächer werdenden Augen. Lass uns die verblühten Blumen schneiden, sagt er.



(c) Li Mollet. Auszug aus dem entstehenden Manuskript „sondern“. Li Mollet lebt in Bern, schreibt Prosa, Gedichte und Essays. Veröffentlichungen (Auswahl): nichts leichter als das, Edition Howeg/Zürich, 2003 (Prosa).  Vom Umgang der Pädagogik mit der Kunst, Ergon/Würzburg, 1997 (Essay).  Zuletzt erschien: Ich bin’s, Salome. Edition Howeg, 2009

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