Öffnen, rekonstruieren

(M50)

Wie Gessner seine bibliotheca universalis intendiert Fries sein Werk (d.i. Bibliotheca philosophorum, h.a.) als offene Form: Im weiteren Verlauf der Vorrede verspricht er, er wolle zugeben, wenn er sich über chronologische Zuschreibungen unsicher sei, um Sachkundige dadurch zu veranlassen, ihn auf Verbesserungen hinzuweisen; diese wolle er dann mit namentlicher Nennung der res publica litteraria bekannt machen. Bemerkenswert ist hieran zweierlei: Erstens bezieht sich die Offenheit der Form anders als bei Gessner, entsprechend der veränderten Intention des Werkes, nicht auch auf die vorauszusehende weitere Textproduktion der Zukunft, sondern ausschließlich auf die Rekonstruktion der Vergangenheit. Fries’ Projekt ist mithin von Fischarts Kritik an Gessner nicht betroffen: Die Vergangenheit ist theoretisch vollständig rekonstruierbar, wenn man wie Fries einen zeitlichen Grenzpunkt markiert. Zweitens benennt Fries an dieser Stelle explizit den Adressatenkreis seines Werkes: Es ist die internationale Gelehrtenwelt, und zwar insbesondere die nachfolgenden Generationen.

Aus:  Werle, Dirk. – Copia librorum : Problemgeschichte imaginierter Bibliotheken 1580 – 1630 / Dirk Werle. – Tübingen : Max Niemeyer Verlag, 2007. S.205