(Ein Beitrag zur Urheberrechtsfrage)
Im Anfang schuf Sprüngli den Schokohimmel und die Nusserde; die Nusserde war sofort schön lecker und süß, und beste Qualität lag in den Schaufenstern des Stammladens, und der Geist Sprünglis schwebte (schleckmaulig) über der Zuckerfläche.
Da sprach der Sprüngli-Confiseur: «Es werde ein Éclair!», und es ward ein Éclair. Und der Sprüngli-Confiseur sah, dass das Éclair gut war; da schied der Sprüngli-Confiseur das Éclair von den Pralinen und nannte das Éclair auch «Liebesknochen», den Pralinen aber gab er den Namen «Heimatliebe». Und es wurde geschätzt und gekauft: erster zuckriger Erfolg.
Dann sprach der Sprüngli-Confiseur: «Es entstehe ein festes Nougatherz inmitten der Caramelsauce und bilde eine Scheidewand zwischen den beiderseitigen Zuckerbomben!» Und es geschah so. So machte der Sprüngli-Confiseur das feste Nougatherz und schied dadurch die Caramelsauce unterhalb des Nougatherzens von den Zuckerbomben oberhalb des Nougatherzens. Und der Sprüngli-Confiseur nannte das feste Gewölbe «Mampfi-mampf». Und es wurde Morgen und dann Weihnachtsmorgen: zweiter zuckriger Erfolg.
So waren an nur zwei Tagen drei neue Confiserie-Leckereien vollendet. Da machte der Sprüngli-Confiseur sein Werk, das er geschaffen hatte, zum vollendeten Verkaufserfolg und ruhte mit einem dicken Ranzen auf ewige Lebenszeiten in seinem Lehnstuhl, wo er Praktikantinnen begrabschte und sich mit Süßigkeiten aus dem eigenen Laden füttern ließ. Nach einigen Jahren aber segnete ihn das Zeitliche, worauf das dicke Geschäft mit seinem Namen erst recht begann.
Sein «Verbindliches Testament an meine Kundschaft» aber wird überleben und uns vorausleuchten in eine hoffentlich niemals dürre Zukunft:
Verbindliches Testament an meine Kundschaft
1) Du sollst keine anderen Confiseurs haben neben mir!
2) Du sollst den Namen Deines Confiseurs nicht missbrauchen! Kauf bei ihm und lob ihn auf allen Deinen Wegen. Und vergiss nicht: Am besten lobt es sich mit vollem Mund!
3) Gedenke des Sonntags, dass Du dort nichts als Süßigkeiten issest! Sechs Tage sollst Du nur einige Kilo Schokolade pro Tage essen, aber am Sonntag schlag Dir den Ranzen voll! Zur schwereren Ehre Deines Confiseurs.
4) Ehre den Zucker und die Eier, sie machen die Leckereien süß und binden wichtige andere Zutaten.
5) Du sollst nur mit Pralinen töten! Die Anleitung dazu findet man in Friedrich Dürrenmatts «Durcheinandertal».
6) Du sollst nicht ehebrechen! Das Bett ist dazu da, Pralinen in sich reinzustopfen.
7) Du sollst bei mir nichts stehlen. Alles andere ist mir egal.
8) Du sollst meinen Laden stets loben, auf allen Deinen Wegen. Wehe Du verleugnest mich!
9) Du sollst begehren Deines nächsten Zuckerbomben. Sei neidisch und kauf solche bei mir. Immer und immer wieder.
10) Du sollst nie Deines nächsten Weib oder Dein eigenes begehren. Sex macht schlank. Das ist ungesund. Iss lieber nochmals mehr Schokolade.
Als aber das ganze Volk die Werbung vernahm und die flammenden Vorschriften für die Zuckerbomben, so frassen sie alle, bis ihnen die Bäuche platzten und sie den Confiseur vor sich sahen, den kugelrunden Bauch vor Lachen haltend
(c) Dominik Riedo (* 1974 in Luzern) lebt und arbeitet als Schriftsteller in Romoos/Schweiz. Bisher acht Buchveröffentlichungen, zuletzt: «Baustelle Kultur» (2010); als Herausgeber: «Heidis + Peters. Vorsicht: Kulturraum Schweiz! Eine Anthologie» (2009); beide im Verlag Pro Libro, Luzern. Riedo wurde von den Kulturschaffenden der Schweiz und der interessierten Schweizer Bevölkerung direktdemokratisch zum Kulturminister der Schweiz ernannt (20072009). In diesem Umfeld ist der Text «Sprünglis Genoxidis» entstanden. Er wird hier zum ersten Mal veröffentlicht.
Mehr Informationen zum Autor unter http://www.dominikriedo.ch.