Über: “jetzt ist es ein kunstwerk. 100 flooksbooks.”

(Eine Sam Kautsch Postproduktion)

Ist Fluxus qualifizierbar? Quantifizierbar? Derivativ? Dokumentierbar? Transhistorisch auratisch? In einer Auktion wurde ein signiertes Exemplar eines Sam-Kautsch-Stempels ersteigert, um dies herauszufinden.

30 Jahre nach der Objektproduktion Kautschs, soll das Kautsch-Programm ausgeführt, diese Fragen überprüft und Ergebnisse dokumentiert werden. Das ursprüngliche Kautsch-Programm wird also umgesetzt und erstmals einer interessierten Öffentlichkeit als Serie von 99 Objekten und deren Bildern sowie als kontinuierlich entstehendes Metawerk vorgestellt.

Stempeln, Signieren, Deklarieren

Kautsch fertigte – vermutlich um 1978 – je 300 Stempel mit dem Schriftzug “jetzt ist es ein kunstwerk” in Deutsch, Englisch und Französisch. Einige wenige dieser Edition wurden als Objekt konfektioniert, die Mehrheit wurde jedoch als reiner Stempel vertrieben. Zusätzlich zum Stempel erhielt der jew. Besitzer ein Blatt Papier (ca. 21 x 31 cm). Auf diesem befinden sich 99 Fluxus-Symbole, ebenso der Vermerk “Stempel” und “Signatur”. Der Besitzer erwirbt mit dem Kauf das Recht, Gegenstände zum Kunstwerk zu deklarieren. Jedesmal wenn er einen Gegenstand mit dem Stempel zum Kunstwerk deklariert und als Künstler signiert, streicht er eines der Symbole auf dem Blatt durch. (Im Sinne von Kautsch kann dies durch bemalen, durchstreichen, lochen, überkleben, ausschneiden usw. passieren.) Nach dem 99sten Gebrauch erlischt das “Nutzungsrecht” am Stempel, den 100sten Stempel platziert der Besitzer auf dem Blatt und signiert es ab. Kautschs Auseinandersetzung mit dem “Kunstbetrieb” bildeten die Grundlage seiner Werke. Konzeptuelle Arbeiten stellen einen wichtigen Teil seiner Arbeiten dar, da er sich eher als Kunsttheoretiker versteht, weniger als bildender Künstler. Bekannt ist Kautsch sicherlich für seine Fluxus-Klang-Installationen. Diese Happenings wurden oft in Zusammenarbeit mit Norbert Linx und Hans Koehler durchgeführt. Sam Kautsch steht in der Tradition eines/r Georg Brecht, George Maciunas, Nam June Paik, Yoko Ono, Robert Filliou und Dieter Roth.

[Datenblatt Stempel: Künstler: Sam Kautsch (*1947) / Titel: jetzt ist es ein kunstwerk / Bezeichnet: Signiert / Jahrgang: Um 1980 / Kunstlandschaft: Schweiz/Deutschland/USA, 20. Jh / Format: 60 x 60 x 19 mm / Technik: Klassischer Holzstempel / Auflagehöhe: < 300 Exemplare / Zustand bei Erwerb (Februar 2012): Ungebraucht, feine Spuren der Lagerung ersichtlich / Provenienz: Privatsammlung, Bern //]

Authentizität und Legendenbildung

“Sam Kautsch ist einer der wegweisenden Protagonisten des Fluxus, Jahrgang 1947 und gebürtiger Krefelder. Er gilt als wichtigster Verfechter der protoreal/fiktionalen Strategie. Ziel und Zweck seines Schaffens gründet sich in der mutwilligen Beschädigung nahezu aller Erwartungshaltungen von Kritikern, Künstlern und Betrachtern zugleich. Seine Arbeiten übersteigen dabei jedoch regelmäßig das dinglich Artifizielle und sind quasi von sich aus gültige Modelle und Module von fiktionalen Wirklichkeiten. Dem naiven Glauben an einen autonomen Schöpfer von Kunstwerken hält der Künstler ein Angebot entgegen, das jeder zu nutzen eingeladen ist. Ein Stempel stempelt den Beleg: „jetzt ist es ein kunstwerk“. Neben der augenblicklich wahren Aktualität dieser Aussage führt Kautsch damit einen Beweis, den ein jeder nachvollziehen und anwenden kann. Wann, wenn nicht jetzt – wann jemals ist etwas mehr ein Kunstwerk gewesen? Die Arbeit von Sam Kautsch kreist um die Pole Authentizität und Legendenbildung. Dabei legt sie immer wieder die Erwartungshaltungen des Kunstbetriebs und Kunsthandels offen. Mit einer großen Portion Sarkasmus kommentiert Kautsch in seinen Arbeiten die Bemühungen von Künstlern, Kuratoren und Galeristen, Kunst zu konstituieren. Als einer seiner wichtigsten Methoden ist das Spiel mit der “Legende vom Künstler” und der vermeidlichen Authentizität anzusehen. Diese wird auf ironisch – distanzierte Weise von Kautsch reflektiert und ist somit alles andere als der Glorienschein der das Künstlersubjekt, hier Abteilung Fluxus, umleuchtet.” (Quelle: Berliner Kunstverein)

Die Objekte

Die Durchführung einer Kautsch-Stempelung und damit Produktion von 99 authentischen Kunstwerken wird mit der – nun auch in Europa Fuß fassenden – Idee der Kartonbuchfabrikation kurzgeschlossen.

“Buenos Aires. Papiermüll-Sammler, sogenannte Cartoneros, die nachts durch die Straßen der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires ziehen, haben die ausrangierten Verpackungen für Milchflaschen, Mehl oder Kartoffelchips-Tüten zusammengesucht. Cucurto und seine Helfer machen daraus Buchcover – die dann zu Kartonbüchern werden.” (Quelle / Mehr …)

Als Dekonstruktion betrieblicher Reproduktion wird auch dort ein Konzept des Singulär-Seriellen entgegengesetzt, das zudem sehr pragmatisch mit Materialien umzugehen weiß. Während jene Kartonbücher aber zumeist mit liebevollen Zeichnungen und Bemalungen versehen werden, greift dieses Kautsch-Projekt auf ästhetisch schon Vorhandenes zurück. Gebrauchte, frankierte, beklebte und divers beschriebene Kartonversandtaschen werden zu Buchumschlägen, die je eine einmalig als Digitalprint realisierte Fotographie enthalten. Jedes Kartonbuchobjekt enthält zusätzlich Titel- und Verlagsinformationen, besagte Kautsch-Stempelung und Objektnummerierung, Datum und Signatur des Objekt-Produzenten („hab“ = Hartmut Abendschein, etkbooks) sowie diesen Begleittext mit obiger Abbildung des Fluxus-Symbolblatts. Zusätzlich wird jedem Objekt eine Fotographie seiner selbst beigefügt. Das so erweiterte Objekt enthält somit neben sich auch seine Dokumentation und multipliziert damit seinen Wert und die zu stellenden Fragen. Was bedeutet dies etwa für Begriffe der Originalität, Reproduktion, Multiplikation bzw. Autorschaft? Die Objekte werden in Bildform im Internet dokumentiert und sind käuflich zu erwerben.

ISBN 978-3-905846-21-8

Mehr / Order: http://flooksbooks.etkbooks.com