überschreibungen 9

(abschäumen)

(was bisher geschah, oder:). für später eingestiegene: es geht hier immer noch um die beschreibung der bearbeitung eines romanmanuskripts. oder: es handelt sich um die abbildung eines leicht eingreifenden lektüreerlebnisses. (ein abschreckendes, weil alles noch so unfertig ist, weil es noch so viel zu tun gibt, weil die zweifel so gross sind, was denn gestrichen werden muss. und: es muss wieoftgesagt massiv gestrichen werden).

und dass dieser bericht sie doch reichlich spät erreiche. ich entschuldige mich. der kleine sohn hatte hohes fieber. und ich wusste zuerst nicht, was tun, und: ich musste ihn pflegen. sie könne sich ja vorstellen: Es wird alles unwichtig, wenn ein Kind krank ist . sämtliche vorstellungskräfte neutralisierten sich. und: man liege nur noch am hustenden puls des kleinen – darum dieser bericht erst heute. und, ja: das kind sei wieder gesund. gottseidank. keinmensch wisse, warum dieser plötzliche fieberschub (…) sie verstehe. aber nun will sie, dass wir endlich zur sache kommen.

zwei dinge, hauptsächlich: die arbeit an der zentralen passage des kapitels. (III,1c=Über Berge schreiben). ich glaube, die ist mir einigermassen gelungen. (auch wenn sich eine kernthese noch nicht so richtig herausschälen lässt (ie: über berge zu schreiben als sich über den berg schreiben)). aber klar, hoffentlich die analogie: Heimat ist auch im Flachland ein Berg und/bzw. Die (meine) Sprache ist auch in der Fremde nur Dialekt. das wirkt wohl nur aus dem kontext heraus und vielleicht etwas gespreizt. ich zitiere also die verbesserte form um dieser stelle (um einmal explizit ein sanfte transformation gezeigt zu haben, wie einmal angefragt wurde): Woran schreiben, wenn der starre Blick aus dem Fenster fällt? Die Fensterrahmen, blätternden Simse, die bei windiger Bise knarren und sich in hölzerne Instrumente verwandeln. Entlaubte Bäume geben die Sicht auf eine Bergkette frei: Über Berge schreiben, immer, auch wenn über anderes geschrieben wird. Woran ich schreibe ist vergessen. Wofür ich schreibe, weiss ich nicht. Ich weiss nur, wogegen ich schreibe. Ich schreibe gegen Berge. Gegen diese Berge.  Die Berge, die ich sehe, sind Prellwände und leiten etwas um. Hitze ist es nicht, wären sie sonst vereist? Sie verleiten Kälte aus allen Richtungen. Auch aus der Heimat. Umgeleitete Heimatkälte. Heimat, die sich auflöst, um nirgends zu sein; um überall sein zu können. Die Heimat ist auch im Flachland ein Berg. Verzweifelte Schreibübungen, um das Zittern der Hände in den Griff zu bekommen. Die Gleichgültigkeit des Themas. Die Form ist das Thema. Die Nichtvollendung, ewiges Baustellengelände des einzelnen Wortes. Dessen Summe: das Fragment.

Das Schreiben passiert in einer Giesserei; und schreiben ist giessen. Das Umfüllen, Verfüllen von Flüssigem, Flüssigkeiten, Molekularem in eine feste Form. Einen Berg zu beschreiben, lässt ihn erröten. Das Hoffen auf Erkaltung, auf eine Formgebung nach Entfernung des Mantels. Die Nahtstellen und Ränder: an diesen muss gefeilt werden. Vielleicht wird es eine Büste. Ein Lächeln oder eine grimmige Fratze. Vielleicht auch Torso oder abstraktes Gebilde, das für das Weiche oder Harte stünde – oder für beides.
DAFÜR: Woran schreiben, wenn der starre Blick aus dem Fenster fällt? Die Fensterrahmen etwa, die blätternden Simse, die bei windiger Bise knarren und sich in hölzerne Instrumente verwandeln. Entlaubte Bäume geben die Sicht auf eine Bergkette frei: Über Berge schreiben, immer, auch wenn dabei über ganz anderes geschrieben wird. Woran ich schreibe ist fast vergessen. Wofür ich schreibe, weiss ich nicht. Dagegen nicht, wogegen ich schreibe. Ich schreibe gegen Berge. Gegen diese Berge. Generell.

Die ständigen Berge, die ich sehe, es sind Prellwände und leiten um. Nicht trockene Hitze, wären sie sonst vereist? Sie verleiten Kälte aus allen Richtungen in diese Region. Auch aus der Heimat. Umgeleitete Heimatkälte. Heimat, die sich auflöst, um langsam nirgends zu sein; um überall sein zu können. Die Heimat ist auch im Flachland ein Berg. In der Ferne – verzweifelte Schreibübungen, um das Zittern der Hände in den Griff zu bekommen. Und: die Gleichgültigkeit des Themas. Dabei ist die Form das Thema. Eine förmliche Nichtvollendung des Schreibens, ein ewiges Baustellengelände jedes einzelnen Wortes. Dessen Summe: höchstens Fragment.

Passiert das Schreiben beispielsweise in einer Giesserei; ist das Schreiben giessen. Das Umfüllen, Verfüllen von Flüssigem, Flüssigkeiten, Molekularem in eine feste Form. Einen Berg zu beschreiben: das lässt ihn erröten. Das Hoffen auf Erkaltung, auf eine Formgebung nach Entfernung des Mantels. Die Nahtstellen und Ränder: an diesen muss gefeilt werden. Vielleicht wird es eine Büste. Ein Lächeln oder eine grimmige Fratze. Vielleicht auch Torso oder abstraktes Gebilde, das für das Weiche oder Harte stünde – oder für beides.
soweit eine etwas längere ausstellung der bearbeiteten passage. (ich weiss, also fasse ich mich im folgenden kurz). weiter also nur der hinweis, das darauffolgende kapitel (III,1d=Deadline*) dafür ersatzlos gestrichen wurde. (nicht ersatzlos, das hätte ein zu grosses loch in den plot gerissen, aber: der übergang wurde durch einen direktes mailzitat (exzerpt, kursiv) sichergestellt – ich hoffe, das bleibt weiterhin lesbar)

dann: sie weiss noch nicht, ob sie dieses verfahren gutfinden soll. sie ist sehr skeptisch, als ich ihr sage, dass es noch mehr stellen gäbe, die ich wohl so bearbeiten werde. müsse. (was hat sie etwas gegen paraphrasen? bzw. umgekehrt: hat sie vielleicht sogar etwas gegen das original?). sie ist heute sowieso sehr skeptisch. vielleicht ist es ja die eifersucht. diese familiensache. sie will nicht, dass sie zur sprache kommt. sie hat es aber herausgefordert

CONTAINER: Diverse Kommentare und Materialeinbettungen. Hoffe die Bildbeschreibung (Bildnis Wilhelm Augusts von Holstein-Gottorf im Kommentar) ist einigermassen authentisch, und ja Brinkmann musste da rein. Brinkmann und Staden – Was für ein Bogen! Und: der schöne Kommentardialog mit Hediger – aus Sicht des jetzigen Standes (und des Ausgangs des Romans, den ich hier natürlich nicht verrate) sind die dort und zu jenem Zeitpunkt benutzten Begriffe des Abschäumens, auch: des Kopfbrasiliens – tatsächlich prophetisch … Etwas noch, hier festgehalten, die Überlegung nämlich, ob die Passagenuntertitel numerische Datumsangaben bräuchten (ohne Jahreszahl freilich – in dieser Form, vielleicht: “(Debe mara pa, 06.12.)” o.ä.). Die mutmasslichen (erzähl)zeitlichen Abstände zwischen den Passagen könnten so kenntlich gemacht werden. Inhaltliche Löcher könnten so abgesteckt werden, die Grösse der Leerstellen festgelegt … vielleicht ist aber auch das offenzulassen.

(zu dranmor III,1a-III,2; übersicht überschreibungen)