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Alle neunundneunzig Bücher des Erdenkreises habe ich gelesen und das neunundneunzigste, welches den Äquator in Alexandrinern bemisst, habe ich auswendig gelernt. Die rhythmischen Zyklen, die das Versmass durchläuft, imitieren die Sonnenläufe zwischen den Polen und formen so die Welt zu einer Kugel aus ungezählten Kreisen.
Die neunundneunzig Bücher der Bibliothek von Wergenstein enthielten die Welt in ihrer Gesamtheit. Umfassend war das Wissen, das sie dem Leser schenkten, und still das Vergnügen, das ihre Lektüre bereitete. Wer das kreisrunde Gestell umschritt, umkreiste die Dinge und umrundete die Welt. Als Antonia die Bibliothek von Wergenstein betrat, fragte sie: Beschreiben diese Bücher auch den Raum, der von den Dingen ausgeht? Etwas ratlos erzählte ich ihr von den Totenköpfen in Madagaskar, von den Mangrovenwäldern im Amazonas und von den Hunden der Mongolei.
Markus A. Hediger, Die Bibliothek von Wergenstein, Skypaper Press, 2006, mehr …