Wodka-Martini – bianco! – “Pfui Teufel!” (GuU08)

„Arcolian Nights”. So der Name der Band aus Mytilini. Das halbe Dorf ist dort und bleibt bis in die Morgenstunden. Begrüßungen: der schräge Vogel aus dem Kiosk, die Damen aus den Mini-Markets, die Blumenhändlerin, der junge Wirt. Fühle mich fremd wie ein Ethnologe. Snejanna, die alle Susana nennen, lächelnd und völlig überfordert hinter der Theke (ruppige Bestellungen der für diese Nacht engagierten Kellnerin, wenn sie mit ihren Zetteln von den Tischen kommt). Eine Touristen-Bar voll mit Eingeborenen.

Sie aber sitzt, den Kopf geneigt, in einem kurzärmeligen, weißen Kleid (das kurz über ihren glatten Knien liegt, sich in den Höhlungen darunter faltet) auf einem Barhocker auf der Bühne. Sie sieht auf und streicht sich im Scheinwerferlicht nervös ihr glattes, schwarzes Haar aus dem Gesicht (ein dünner, knochiger Unterarm kommt ins Bild, ein Händchen mit langen, kalten Fingern verdeckt für einen Moment das Profil ihrer griechischen Nase). Sie nimmt das Mikrophon in ihre linke Hand, blickt hinter sich, nickt dem Gitarristen zu und dreht sich wieder zurück (ihre Kollegen stimmen noch die Instrumente). Da sitzt sie, und wartet, einen Augenblick in stiller, gefrorener Schönheit …

Dann beginnt sie zu singen. Beinahe zeitgleich verteilt sich klebrig im Mund der erste Schluck von Snejannas Wodka-Martini – bianco! – “Pfui Teufel!”

Aus “Gestell und Ungestalt. Fassung erster Hand” von Rainer Hoffmann. Gestell und Ungestalt erscheint im September 09 bei etkbooks.