„Ein wunderbarer Roman über Familie und Liebe, Verlust und Glück, Schuld und Vergebung.“ (Booklist)
„Beeda wird vielleicht verlieren, aber die LeserInnen können nur gewinnen.“ (Publishers Weekly)
„Jacobs' Roman bietet einen Einblick in das muslimische Leben in Südafrika, eine gehörige Portion Humor und spiegelt zugleich universelle menschliche Erfahrungen.“ (Booklist)
Über den Autor und weitere Mitwirkende
Rayda Jacobs, südafrikanische Schriftstellerin und Filmemacherin, wurde 1947 in Kapstadt geboren. 1968 musste sie Südafrika verlassen und ging nach Kanada ins Exil. Seit 1996 lebt sie wieder in Kapstadt. Ihre Verfilmung von „Bekenntnisse einer Spielerin“ wurde 2007 auf dem Internationalen Filmfestival in Dubai uraufgeführt.
Leseprobe. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
Als Erstes muss ich bekennen, dass ich Muslimin bin. Ich bin neunundvierzig. Ich trage ein Kopftuch, eigentlich sogar zwei, ein Unter- und ein Obertuch. Ich habe alle meine Söhne mit dem Wort Gottes großgezogen. Niemand würde auf der Straße Notiz von mir nehmen. Ich bin eine jener Frauen in langen Gewändern, die scheinbar ziellos die Stadt durchstreifen.
Als Zweites muss ich bekennen, dass ich das Risiko liebe. Ich weiß nicht mehr, wann das angefangen hat. Vielleicht in der Schule, als meine Freundin Merle, eine Christin, und ich uns für denselben Jungen interessierten. Er hatte bereits schriftlich bei mir angefragt, ob ich ihn zu einer Nachmittagsvorstellung im Kino begleiten wolle. Aber dann ließ Merle ihn in ihren Ausschnitt gucken, und er ging mit ihr. Seit damals bemühe ich mich ständig, Dinge zurückzukriegen, die mir abhandengekommen sind. Sagt zumindest mein Therapeut. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich weiß nicht einmal, ob es mir um das Geld geht. Mir fehlt ja eigentlich nichts. Meine vier Söhne bestreiten meinen Unterhalt. Einer der großen Vorteile meiner Religion ist, dass Mütter nicht die Schau mit den Schuldgefühlen abziehen müssen, wie man es so vielen jüdischen Müttern vorwirft. Unser Heiliges Buch lehrt uns ja, dass das Paradies zu Füßen der Mütter liegt. Man kann sich die Seele aus dem Leib beten oder fasten bis zum Umfallen - wenn man seine Mutter nicht ehrt, ist man geliefert. Meine Söhne wissen das. Sie sind zwar ohne Vater aufgewachsen, aber nicht ohne den Koran. Alle verdienen gut. Einer von ihnen gibt mehr als die anderen. Aber der, der am wenigsten gibt, versteht mich am besten, und er ist mein Lieblingssohn. Ganz egal, was die Experten sagen, eine Mutter kann sehr wohl ein Lieblingskind haben. Sie darf es nur nicht zugeben. Aber ich habe gute Söhne. Der Älteste hat mein Geheimnis entdeckt. Der Jüngste hat mich vor den Zwillingen in der Mitte in Schutz genommen. Bei Zwillingen muss man sich immer auf das Doppelte gefasst machen. Zu den Namen meiner Söhne komme ich noch, aber jetzt möchte ich erst einmal erzählen, wie alles anfing.
Es war im Januar 2002. Meine Freundin Garaatie, deren Mann ein Riesenarschloch ist, war gerade herübergekommen und hatte mir von seiner letzten Gemeinheit berichtet. Warum ihre Mutter sie so genannt hat, weiß ich nicht. Mit der Zeit wächst man in seinen Namen hinein. Raatie, gerad die, 'ne Fischgräte war sie. Und genau daran erinnerte sie einen. Nur dass sie nicht grätendünn war, sondern ziemlich dick.
Egal, Garaatie hatte in der Tasche ihres Mannes eine Telefonnummer gefunden mit einem Namen daneben: Moena. Manchmal verblüfft Garaatie mich mit ihrem Einfallsreichtum - sie hat nämlich behauptet, sie wäre von der Stadtverwaltung, und bekam so die Adresse zu der Telefonnummer. Dann ist sie in ihren blauen VW gestiegen und nach Woodstock gefahren.
Als sie dort ankam, sah sie zu ihrem Entsetzen eine Frau in den Zwanzigern. Garaatie dachte, sie müsse sich geirrt haben, und wollte schon umkehren. Doch der Gesichtsausdruck der jungen Frau hielt sie davon ab. Die Frau sah sie an, als kenne sie sie.
»Sind Sie Moena?«, fragte Garaatie.
»Hören Sie«, sagte die Frau, »reden Sie mit Ihrem Mann.«
Da kam es über Garaatie, als sei der Teufel in sie gefahren. So, wie sie da standen, zwischen Tür und Angel, packte sie die Andere an der Gurgel und ohrfeigte sie. Garaatie ist nicht gerade eine Elfe, die Spuren, die sie auf dem Gesicht ihrer Rivalin hinterlassen hat, konnte ich mir lebhaft vorstellen. Als sie das Geschrei hörte, kam die Mutter der jungen Frau aus dem Haus gelaufen. Sie sah die beiden, und ihr war klar, weshalb Garaatie hier war. Sie schickte Moena ins Haus.
»Sagen Sie ihr, sie soll die Finger von meinem Mann lassen«, schrie Garaatie.
Als Mahmood an diesem Abend nach Hause kam, fackelte er nicht lange herum, sondern fragte Garaatie gleich, warum sie zu Moena gefahren sei. Er hatte sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, sich heimlich, still und leise eine Zweit- oder Drittfrau zuzulegen. Er betrog Garaatie ganz offen. Als er auf seine Frage keine Antwort bekam, verpasste er ihr eine Kopfnuss. Da machte Garaatie einen schweren Fehler. Sie zitierte Gott. Das tat sie gern.
»Weißt du, was Gott dazu sagt, wenn ein Mann mehr als eine Frau heiraten will?«, fragte sie ihn. »Wenn du nicht gerecht handeln kannst, dann darfst du nur eine nehmen. Wofür hältst du dich? Für einen Propheten?«
»Komm mir nicht mit so einem Schwachsinn«, schrie er sie an. »Ich kann vier Frauen haben. Bis jetzt wollte ich keine zweite Ehefrau, aber jetzt habe ich jemand gefunden, der alle meine Ansprüche erfüllt, und darum ist das vielleicht der richtige Zeitpunkt, wieder zu heiraten.«
Statt mit einem Koffer nach ihm zu werfen, rannte Garaatie weinend hinaus. Wenn es etwas gibt, was eine Frau einem Mann nie zeigen darf, dann ist es das. Auf der Toilette zu weinen ist okay. Oder eine Freundin anzurufen. Oder ihm in den Tee zu spucken. Aber nicht, vor ihm zusammenzubrechen.
Garaaties ältester Sohn Sulaiman wohnte fünf Straßen weiter. Sie rief ihn an. Er kam herüber. Vater und Sohn sprachen lange in der Küche miteinander. Dann suchte der Sohn seine Mutter im Schlafzimmer auf und überbrachte ihr die schlechte Nachricht.
»Daddy ist im Recht, Mummy. Ich bin auch nicht froh darüber, aber so ist es nun mal.«
Zwei Tage lang hat Garaatie das Bett nicht verlassen. Sie putzte sich nicht die Zähne, kochte nicht, wusch keine Wäsche und reinigte auch sich selbst nicht. Nur zum Pinkeln stand sie auf. Am dritten Tag kam sie mich besuchen. Ich hatte keine Ahnung, was vorgefallen war.
Sie sagte nur: »Komm, gehen wir ins Casino.«
Ich sah sie verständnislos an.
»Ins Casino«, wiederholte sie, so als müsste ich Bescheid wissen. »Du weißt doch, dass wir ein Casino in Kapstadt haben, oder?«
Ich wusste es nicht. Ich las Bücher. Zeitungen las ich nicht. Ich war nie bei irgendwelchen Rennen gewesen. Auch Lose fürs Lotto oder sonstige Gewinnspiele hatte ich mein ganzes Leben lang noch nicht gekauft. Von einem Casino hätte ich höchstens etwas gewusst, wenn es auf der anderen Straßenseite läge oder Bekannte mir etwas darüber erzählt hätten.
»Gehen wir einfach hin«, sagte sie. »Wir müssen ja nicht lange bleiben.«
»Warst du schon mal da?«, fragte ich.
»Ja, mit Shariefa.«
»Wirklich?« Shariefa war die größte Fitnah weit und breit. Wollte man, dass ein Gerücht sich schneller nach Port Elizabeth ausbreitete als schlechte Luft, dann musste man nichts weiter tun, als es Shariefa unter dem Siegel der Verschwiegenheit anzuvertrauen.
»Shariefa ist in Ordnung«, sagte Garaatie, die meine Skepsis spürte. »Sie hat eben eine schlimme Enttäuschung hinter sich.«
»Shariefa hat diese Enttäuschung in erster Linie ihrer großen Klappe zu verdanken. Hast du tatsächlich gespielt?«
»Nur fünfzig Rand, und die hab ich verloren. Aber es bringt einen auf andere Gedanken. Und es macht viel Spaß.«
Das Wort Spaß aus Garaaties Mund zu hören war die nächste Überraschung.