"Eines Tages aber erhebt sich das "Warum?" und mit diesem Überdruss, indem sich Erstaunen mischt, fängt alles an. [...] Der nächste Schritt ist die unbewusste Rückkehr in die Kette oder das endgültige Erwachen". (Albert Camus, Der Mythos des Sisyphos)
"Und dann erzählte ich ihr, dann erzählte ich dir die folgende Geschichte".
"Meine eigene Person hat mich nie sonderlich interessiert, doch das hieß nicht, dass ich auf Wunsch einfach hätte aufhören können, über mich nachzudenken -- leider nicht. Und an jenem Morgen hatte ich etwas zum Nachdenken, soviel ist sicher." Mit diesem ersten Satz der Erzählung steht die zu erzählende Geschichte im Raum, unenthüllt, aber für den Leser schon präsent, das Kommende enthält er in sich, um es aus sich zu ent¬lassen.
Nootebooms (1933-) Herman Mussert, ein etwa 50 Jahre alter Junggeselle, Studienrat und verliebt in die Mythologie der Antike. Es ist Bücherwurm, er liebt tote Sprachen und lebende Menschen nicht. Er wacht in einem Hotelzimmer in Lissabon auf, obwohl er am Abend zuvor in seiner Wohnung in Amsterdam zu Bett gegangen ist. "Ich befand mich ... in einem Zimmer, in dem ich mich nach den Gesetzen der Logik, soweit ich sie kannte, nicht befinden konnte. Das Zimmer kannte ich, denn hier hatte ich vor gut zwanzig Jahren mit der Frau eines anderen geschlafen."
Hier beginnt seine Erinnerung, unterstützt von einem Foto der Voyager-Sonde, die Erde im freien großen Universum zu sehen und seine Angst, schutzlos im Raum zu sein. "... Das gesamte Universum war darauf aus, mich zu betäuben, und es schien, als versuchte ich, mit dieser Betäubung mitzusingen, dazuzugehören, so wie ein Fisch, der von der Brandung mitgesogen wird, gleichzeitig zu dieser Brandung gehört."
Er treibt reflektierend von einer Erinnerung zur anderen, sich erinnernd an die Schülerin Lisa d'India, hochbegabt und einzig in der Lage seine Vorlieben für Horaz, Platon und Ovid zu verstehen. Doch sein Kollege Herfst hatte ein Verhältnis mit ihr, seine Frau Maria mit ihm aus Rache, nicht aus Liebe. Dennoch war Maria in Lissabon in dieser erinnerten Nacht. Mussert und Frauen war wie Wasser und Öl, "Das bedeutet, dass ich in der intimen Nähe eines Frauenkörpers das Wehrloseste aller Geschöpfe bin, ..." Dennoch wurden beide Affären aufgedeckt, Mussert und Herfst der Schule verwiesen, Lisa in diesem Zusammenhang als Schülerin in einen Unfall mit tödlichem Ausgang verwickelt.
Lisa war sein Kriton, wenn er mit dem Spitznamen Sokrates den Phaidon vorspielte, Sokrates Tod und die Beweisführung der Unsterblichkeit der Seele. Seine Gedanken im Verhältnis der antiken Poesie rangen um Tod und Leben, aber alles in der Vorstellung, sein Leben waren die Bücher, die ihm erlaubten, mit ihnen zu wohnen.
Es folgt der zweite Teil.
Von Belem nach Belem geht seine Reise, von dort in den Amazonas. Sechs Reisende, zufällig zusammen, die ihre subjektive Welt kennen, ein Kind, ein Lehrer - ein Wissenschaftler, ein Journalist, - ein Priester, ein Pilot. Vom Wissenden zum Lernenden, vom Naturwissenschaftler zum Spirituellen, das Ganze. Der Okeanos der Unterwelt gab den Namen des Ozeans, auf dem sie reisen, die Mythologie gab den Sternen und den KonSTELLAtion die Namen, die Welt ein einziger Querverweis. Von Belem nach Belem, die ewige Wiederkehr Desselben, Nietzsches große Mittag, und dann der Amazonas der den Rio Negro trifft, die Fahrt auf der Lethe und auf der Styx, orphische Erinnerungen der sechs, einzeln jeweils der Gruppe erzählt und mit jeder Beendigung der Geschichte tritt der erzählende Mensch endgültig ab und Mussert seine, eben Die folgende Geschichte erzählt, ihr, die im Geiste sichtbar dabei war, seiner Kriton, die er nie vergessen hat, die für ihn unsterblich ist, obwohl er Sokrates nicht glaubte. "Und dann erzählte ich ihr, dann erzählte ich dir die folgende Geschichte". Für sie war seine Erzählung, seine Erinnerung war an sie geknüpft, vergebens im gemeinsamen Leben, wenn er feststellt: "Man existiert bereits geraume Zeit, bevor man selbst zum Zuge kommt" und auch unveränderbar in der Aussage: "Ich hatte wohl tausend Leben, doch ich nahm mir eines".
Eine poetische Erzählung, die im Strome der Erinnerungen eine Komposition des Lebens in Verbindung mit dem Tod erzeugt, und diesen in seiner finalen Betrachtung verschleiert. Doch der Tod ist allzeit präsent. Nooteboom präsentiert eine faszinierende intellektuelle Welt, in der Sie die Todesreise eines bereits im Leben erstarrten Menschen hautnah verfolgen können, der im Moment des erwarteten Todes erinnernd jenes Leben gewinnt, dessen Ebene ihm im Leben verschlossen geblieben ist.
Ein sehr lesenwertes Buch.
Was den Vergleich angeht zu Camus, Frisch und Nootebbom, lesen Sie weiter unter ISBN : 3518403966
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