"Don Quijote von Miguel de Cervantes ist das Wunderelixier gegen die Tristesse des Daseins. Das Werk über Heldensehnsucht in unheroischen Zeiten wurde famos neu übersetzt." Manfred Schwarz, Welt am Sonntag, 12.10.08
"Jedes Jahrhundert braucht seinen Quijote - wir haben unseren jetzt: Susanne Langes Cervantes-Übertragung." Hans-Martin Gauger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.08
"Nichts für Weichlinge: Der geistvolle Hidalgo Don Quijote verachtet den Alltag, seinen Komfort und seine schlechten Gewohnheiten. Die neue Übersetzung von Susanne Lange bewahrt Rhythmus und Genauigkeit, Witz und Opulenz des Miguel de Cervantes Saavedra." Heinz Schlaffer, Süddeutsche Zeitung, 14.10.08
"Die große Leistung von Cervantes, beinahe ein Wunder, ist nun, dass uns seine Riesenerzählung noch immer bezaubert. Ein Sprachwunder!" Hans-Martin Gauger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.08
"Susanne Langes Neuübersetzung von Cervantes war überfällig. Übersetzungen altern, Originale nicht." Sabine Küchler, Der Tagesspiegel, 11.10.08
"Susanne Lange hat eine Übersetzung von Cervantes´Klassiker vorgelegt, die erstmals den ganzen Reichtum dieses Wunderbuches bewahrt." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 16.12.2008
"Der von Susanne Lange ingeniös ins Deutsche übertragene "Don Quijote" dürfte ein Meilenstein der Cervantes-Rezeption werden." Georges Güntert, Neue Zürcher Zeitung, 24.01.09
"Musikalisch. Witzig. Kongenial." Manfred Papst, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 22.03.09
Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616) ist der herausragende Romancier im Siglo de Oro, dem goldenen Zeitalter Spaniens. Als Soldat nahm er an der berühmten Seeschlacht von Lepanto teil, verbrachte fünf Jahre als Gefangener in Algier und musste nach seiner Rückkehr u.a. als Steuereintreiber sein Leben fristen. All seine Erfahrungen gehen ein in das Buch, das dem modernen Roman dasTor öffnet: Don Quijote.
1964 geboren, 1992 Dozentin für Komparatistik an der Universität Tübingen, 1994-1999 Dozentin für Literatur und Übersetzung an der Universidad de los Andes (Bogotá, Kolumbien), seit 1992 freie Übersetzerin und Gutachterin für Verlage. 2009 Johann-Heinrich-Voss-Preis.
Leseprobe. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
kapitel xxi
Handelt von dem erlesenen Abenteuer und der prächtigen Trophäe von Mambrins Helm, nebst anderem, was unserem unbezwingbaren Ritter widerfuhr
Da setzte leichter Regen ein, und Sancho hätte am liebsten in der Walkmühle Unterschlupf gesucht, doch wegen des üblen Streiches, den sie ihnen gespielt hatte, war sie Don Quijote so zuwider, dass er unter keinen Umständen hineingehen wollte. So bogen sie rechts ab und gelangten auf einen anderen Weg, der dem glich, den sie am Tag zuvor eingeschlagen hatten.
Bald darauf erspähte Don Quijote einen berittenen Mann, der etwas auf dem Kopf trug, das glänzte, als wäre es aus Gold, und kaum hatte er ihn erblickt, wandte er sich schon zu Sancho und sprach:
»Wie wahr sind doch die Sprichwörter, Sancho, alle entstammen sie der Erfahrung, der Mutter aller Wissenschaften, vor allem jenes, das da heißt: Wenn eine Tür sich schließt, tut eine andere sich auf. Hat das Glück uns letzte Nacht die Tür zu dem gesuchten Abenteuer verschlossen und uns mit den Walken hinters Licht geführt, öffnet es nun sperrangelweit eine andere zu einem besseren, gewisseren, und gelingt es mir nicht, dort einzuziehen, soll es allein meine Schuld sein, weder auf meine spärliche Kunde von Walkmühlen noch auf die ?nstere Nacht werde ich sie schieben können. Der nämlich, der uns entgegenkommt, trägt, wenn mich nicht alles trügt, den Helm des Mambrin auf dem Kopf, um dessentwillen ich, wie du weißt, den Eid geleistet habe.«
»Gebt nur acht, was Ihr sagt, und vor allem, was Ihr tut«, entgegnete Sancho, »nicht, dass uns noch mehr Walkmühlen zu Ende walken und uns vollends den Verstand aus dem Kopf stampfen.«
»Zum Teufel mit dir, du Kerl!« gab Don Quijote zurück. »Was hat der Helm mit den Walken zu schaffen?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Sancho, »doch glaubt mir, dürfte ich so freiweg wie früher reden, es käme so einiges heraus, an dem Ihr seht, wie sehr Ihr auf dem Holzweg seid.«
»Auf welchem Holzweg kann ich sein, du feige Krämerseele?« sagte Don Quijote. »Siehst du nicht den Ritter dort, der uns auf einem Apfelschimmel entgegenkommt und einen Goldhelm auf dem Kopf trägt?«
»Was ich von hier aus sehe und erspähe«, entgegnete Sancho, »ist nichts weiter als ein Mann auf einem graubraunen Esel, ganz wie der meine, und auf dem Kopf trägt er etwas Glänzendes.«
»Nun, das ist der Helm des Mambrin«, sagte Don Quijote. »Weiche du zur Seite und überlass ihn mir. Zeit will ich sparen und dieses Abenteuer bestehen, ohne auch nur ein Wort zu verlieren, wart's nur ab, mein wird der Helm sein, nach dem es mich so sehr verlangt.«
»Für das Zur-Seite-Weichen will ich gern sorgen«, antwortete Sancho, »doch gebe Gott, ich kann's nicht genug wiederholen, dass es diesmal Wasser auf unsere Mühlen ist und nicht auf Walkmühlen.«
»Ich habe ihn gewarnt, Freundchen, er soll mir nicht mehr mit den Walkmühlen kommen, ja nicht mal daran denken«, sagte Don Quijote, »denn ich gelobe bei ... mehr will ich nicht sagen, dass Er dir oben gleich die Seele durchwalken wird.«
Sancho schwieg, aus Furcht, sein Herr könnte das Gelöbnis wahr machen, das er ihm so rundweg an den Kopf geschleudert hatte.
Mit Helm, Ross und Ritter, die Don Quijote sah, hatte es aber Folgendes auf sich. In der Gegend gab es zwei Ortschaften, eine davon so klein, dass sie weder Apotheke noch Barbier besaß, während der Nachbarort beides hatte, und so versah der Barbier des größeren seinen Dienst auch im kleineren, wo gerade ein Kranker zur Ader gelassen und jemand rasiert werden musste, weshalb der Barbier auf dem Weg dorthin war und sein Scherbecken aus Messing bei sich trug. Der Zufall wollte es, dass es unterwegs zu regnen begann, und damit sein vermutlich neuer Hut nicht ?eckig würde, stülpte er sich das Becken über, das so blank geputzt war, dass es eine halbe Meile im Umkreis erglänzte. Er ritt, wie Sancho richtig bemerkt hatte, auf einem graubraunen Esel daher, und all dies erschien Don Quijote als Apfelschimmel, Ritter und Goldhelm, denn alles, was er sah, fügte er im Flug nach seinen ungereimten Rittereien und seinen verfahrenen Gedanken. Als der arme Reitersmann näher herangekommen war, stürmte Don Quijote, ohne ihn auch nur eines Wortes zu würdigen, mit gesenkter Lanze und allem, was Rocinantes Beine hergaben, auf ihn zu, wild entschlossen, ihn zu durchbohren. Nur als er ihn fast erreicht hatte, rief er, ohne in seinem rasenden Ritt innezuhalten:
»Verteidige dich, du elende Kreatur, oder überlasse mir aus freien Stücken, worauf ich höchstes Anrecht habe!«
Eine solche Spukgestalt auf sich zustürzen zu sehen, das hatte der Barbier nicht im kühnsten Traum erwartet oder befürchtet, und um dem Lanzenstoß zu entgehen, hatte er keine Wahl, als sich vom Esel fallen zu lassen, und kaum war er auf dem Boden gelandet, sprang er ?inker als ein Wiesel auf und sauste querfeldein davon, dass ihn nicht einmal der Wind eingeholt hätte. Das Scherbecken ließ er auf der Erde zurück, und Don Quijote gab sich zufrieden und sagte, der Heide habe sich einsichtig gezeigt und es wie der Biber gemacht, der sich, wenn die Jäger ihn in die Enge treiben, aus Instinkt genau das abbeißt, um dessentwillen man ihn jagt. Er wies Sancho an, den Helm aufzuheben, und dieser nahm das Ding auf und sagte:
»Weiß Gott, da haben wir ein feines Scherbecken, ich wette, es ist gut und gern seine acht Silberrealen wert.«
Er reichte es seinem Herrn, der es sich auf den Kopf setzte, es hin und her drehte, das Kinnstück suchte, nicht fand und sagte:
»Der Heide, für den dieser treffliche Turnierhelm geschmiedet wurde, muss einen kapitalen Kopf gehabt haben. Doch das Ärgste ist, dass ihm die Hälfte fehlt.«
Als Sancho das Scherbecken »Turnierhelm« nennen hörte, konnte er das Lachen nicht zurückhalten, doch gleich kam ihm der Zorn seines Herrn in den Sinn, und er verbiss es sich.
»Worüber lachst du, Sancho?« fragte Don Quijote.
»Ich lache«, gab der zurück, »weil ich mir den Kapitalkopf vorstelle, den der Heide, der Besitzer dieser Sturmhaube, gehabt haben muss, die aufs Haar einem Scherbecken gleicht.«
Prolog. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten.
kapitel xxi
Handelt von dem erlesenen Abenteuer und der prächtigen Trophäe von Mambrins Helm, nebst anderem, was unserem unbezwingbaren Ritter widerfuhr
Da setzte leichter Regen ein, und Sancho hätte am liebsten in der Walkmühle Unterschlupf gesucht, doch wegen des üblen Streiches, den sie ihnen gespielt hatte, war sie Don Quijote so zuwider, dass er unter keinen Umständen hineingehen wollte. So bogen sie rechts ab und gelangten auf einen anderen Weg, der dem glich, den sie am Tag zuvor eingeschlagen hatten.
Bald darauf erspähte Don Quijote einen berittenen Mann, der etwas auf dem Kopf trug, das glänzte, als wäre es aus Gold, und kaum hatte er ihn erblickt, wandte er sich schon zu Sancho und sprach:
»Wie wahr sind doch die Sprichwörter, Sancho, alle entstammen sie der Erfahrung, der Mutter aller Wissenschaften, vor allem jenes, das da heißt: Wenn eine Tür sich schließt, tut eine andere sich auf. Hat das Glück uns letzte Nacht die Tür zu dem gesuchten Abenteuer verschlossen und uns mit den Walken hinters Licht geführt, öffnet es nun sperrangelweit eine andere zu einem besseren, gewisseren, und gelingt es mir nicht, dort einzuziehen, soll es allein meine Schuld sein, weder auf meine spärliche Kunde von Walkmühlen noch auf die ?nstere Nacht werde ich sie schieben können. Der nämlich, der uns entgegenkommt, trägt, wenn mich nicht alles trügt, den Helm des Mambrin auf dem Kopf, um dessentwillen ich, wie du weißt, den Eid geleistet habe.«
»Gebt nur acht, was Ihr sagt, und vor allem, was Ihr tut«, entgegnete Sancho, »nicht, dass uns noch mehr Walkmühlen zu Ende walken und uns vollends den Verstand aus dem Kopf stampfen.«
»Zum Teufel mit dir, du Kerl!« gab Don Quijote zurück. »Was hat der Helm mit den Walken zu schaffen?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Sancho, »doch glaubt mir, dürfte ich so freiweg wie früher reden, es käme so einiges heraus, an dem Ihr seht, wie sehr Ihr auf dem Holzweg seid.«
»Auf welchem Holzweg kann ich sein, du feige Krämerseele?« sagte Don Quijote. »Siehst du nicht den Ritter dort, der uns auf einem Apfelschimmel entgegenkommt und einen Goldhelm auf dem Kopf trägt?«
»Was ich von hier aus sehe und erspähe«, entgegnete Sancho, »ist nichts weiter als ein Mann auf einem graubraunen Esel, ganz wie der meine, und auf dem Kopf trägt er etwas Glänzendes.«
»Nun, das ist der Helm des Mambrin«, sagte Don Quijote. »Weiche du zur Seite und überlass ihn mir. Zeit will ich sparen und dieses Abenteuer bestehen, ohne auch nur ein Wort zu verlieren, wart's nur ab, mein wird der Helm sein, nach dem es mich so sehr verlangt.«
»Für das Zur-Seite-Weichen will ich gern sorgen«, antwortete Sancho, »doch gebe Gott, ich kann's nicht genug wiederholen, dass es diesmal Wasser auf unsere Mühlen ist und nicht auf Walkmühlen.«
»Ich habe ihn gewarnt, Freundchen, er soll mir nicht mehr mit den Walkmühlen kommen, ja nicht mal daran denken«, sagte Don Quijote, »denn ich gelobe bei ... mehr will ich nicht sagen, dass Er dir oben gleich die Seele durchwalken wird.«
Sancho schwieg, aus Furcht, sein Herr könnte das Gelöbnis wahr machen, das er ihm so rundweg an den Kopf geschleudert hatte.
Mit Helm, Ross und Ritter, die Don Quijote sah, hatte es aber Folgendes auf sich. In der Gegend gab es zwei Ortschaften, eine davon so klein, dass sie weder Apotheke noch Barbier besaß, während der Nachbarort beides hatte, und so versah der Barbier des größeren seinen Dienst auch im kleineren, wo gerade ein Kranker zur Ader gelassen und jemand rasiert werden musste, weshalb der Barbier auf dem Weg dorthin war und sein Scherbecken aus Messing bei sich trug. Der Zufall wollte es, dass es unterwegs zu regnen begann, und damit sein vermutlich neuer Hut nicht ?eckig würde, stülpte er sich das Becken über, das so blank geputzt war, dass es eine halbe Meile im Umkreis erglänzte. Er ritt, wie Sancho richtig bemerkt hatte, auf einem graubraunen Esel daher, und all dies erschien Don Quijote als Apfelschimmel, Ritter und Goldhelm, denn alles, was er sah, fügte er im Flug nach seinen ungereimten Rittereien und seinen verfahrenen Gedanken. Als der arme Reitersmann näher herangekommen war, stürmte Don Quijote, ohne ihn auch nur eines Wortes zu würdigen, mit gesenkter Lanze und allem, was Rocinantes Beine hergaben, auf ihn zu, wild entschlossen, ihn zu durchbohren. Nur als er ihn fast erreicht hatte, rief er, ohne in seinem rasenden Ritt innezuhalten:
»Verteidige dich, du elende Kreatur, oder überlasse mir aus freien Stücken, worauf ich höchstes Anrecht habe!«
Eine solche Spukgestalt auf sich zustürzen zu sehen, das hatte der Barbier nicht im kühnsten Traum erwartet oder befürchtet, und um dem Lanzenstoß zu entgehen, hatte er keine Wahl, als sich vom Esel fallen zu lassen, und kaum war er auf dem Boden gelandet, sprang er ?inker als ein Wiesel auf und sauste querfeldein davon, dass ihn nicht einmal der Wind eingeholt hätte. Das Scherbecken ließ er auf der Erde zurück, und Don Quijote gab sich zufrieden und sagte, der Heide habe sich einsichtig gezeigt und es wie der Biber gemacht, der sich, wenn die Jäger ihn in die Enge treiben, aus Instinkt genau das abbeißt, um dessentwillen man ihn jagt. Er wies Sancho an, den Helm aufzuheben, und dieser nahm das Ding auf und sagte:
»Weiß Gott, da haben wir ein feines Scherbecken, ich wette, es ist gut und gern seine acht Silberrealen wert.«
Er reichte es seinem Herrn, der es sich auf den Kopf setzte, es hin und her drehte, das Kinnstück suchte, nicht fand und sagte:
»Der Heide, für den dieser treffliche Turnierhelm geschmiedet wurde, muss einen kapitalen Kopf gehabt haben. Doch das Ärgste ist, dass ihm die Hälfte fehlt.«
Als Sancho das Scherbecken »Turnierhelm« nennen hörte, konnte er das Lachen nicht zurückhalten, doch gleich kam ihm der Zorn seines Herrn in den Sinn, und er verbiss es sich.
»Worüber lachst du, Sancho?« fragte Don Quijote.
»Ich lache«, gab der zurück, »weil ich mir den Kapitalkopf vorstelle, den der Heide, der Besitzer dieser Sturmhaube, gehabt haben muss, die aufs Haar einem Scherbecken gleicht.«