Mit „Warten auf die Barbaren“ hat J.M. Coetzees bereits 1980 eine zeitlose Geschichte über Würde, Angst und Unterdrückung geschrieben, die gut lesbar und vielseitig übertragbar ist.
Die Geschichte folgt dem Schicksal eines alten Beamten, der in einer kleinen Grenzgarnison jahrzehntelang loyal seinem Reich gedient hat und mit Umsicht seine kleine Machtposition ausfüllte. Er ist skeptisch als Geheimpolizisten aus der Hauptstadt nach Hinweisen für einen geplanten Angriff der Barbaren suchen und verurteilt deren Anwendung von Folter. Als er selbst sich eines Barbarenmädchens annimmt, gerät er selbst unter Verdacht und wird zum Opfer der Geheimpolizei während die Armee eine Strafexpedition ausschickt.
Coetzee beschreibt sowohl seine Figuren als auch die Situation sehr gut und mit Gefühl. Obwohl der Leser kaum etwas über Zeit, Ort oder dieses Reich erfährt, zu dem die Grenzstadt gehört, scheint die Geschichte doch fest verankert und ohne weitere Informationen auszukommen. Es wird ebenfalls gut beschrieben, wie ohne jeden Anlass aus Zufriedenheit Bedenken entstehen und diese sich zu Angst aufschaukeln lassen, vor unklaren Bedrohungen, die wiederum alle Maßnahmen rechtfertigen können. Die Geschichte stellt implizit die Frage, welche Maßnahmen nicht mehr geduldet werden dürften und wann ein Mensch für einen anderen einstehen müsste. Der Protagonist stellt sich dieser Frage und wird für seine aufrechte Haltung tragisch bestraft. Nichtsdestotrotz ist das Bild, das Cortzee entwirft ein sehr simples. Die Geheimpolizei jagt mit brutalen Mitteln eingebildeten Verrätern hinterher, wie die Armee Barbaren verfolgt, die sie einholt. Beide Scheitern an der Bekämpfung eingebildeter Bedrohungen und erscheinen sinnlos, ignorant und brutal.
Insbesondere aufgrund des zeitlosen Charakters der Geschichte finden sich viele Anknüpfungspunkte vom Feldzug des Crassus gegen die Parther über verschiedene Kolonialregime bis zu autoritären Staaten der heutigen Zeit. Im Zusammenhang des weltweiten Anti-Terror-Kampfes hat das Buch eine besondere Aktualität als es die gleichen Fragen über Folter und Gewaltanwendung aufwirft, die nun wieder öffentlich diskutiert wurden. Ein wesentlicher Unterschied der Realität zur Geschichte Coetzees ist aber, dass sich bei ihm die Bedrohung durch die Barbaren nie materialisierte. Sind aber die Angriffe real und die Festgenommenen definitiv nicht unschuldig wird die Frage, was noch erlaubt sein kann, um den nächsten Angriff abzuwenden zwar nicht ethisch aber doch für jeden einzelnen moralisch schwieriger zu beantworten.
Insgesamt ist „Warten auf die Barbaren“ ein gut lesbares und interessantes Buch, das den Leser mit moralischen Fragen konfrontiert, die zum Nachdenken anregen.
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