Viel hatten
Helmut Kohl und
Helmut Schmidt ja nicht gemeinsam, nur in ihrer Einschätzung der Medien lagen die Kanzler a.D. auf einer Linie. Als "Schmierfinken" oder "Wegelagerer" empfanden sie die Journaille, aufdringliche und lästige Wadenbeißer, deren Gier nach Sensationen weder moralische Grenzen noch Respekt vor historischer Leistung kennt. Dabei war beiden natürlich klar, dass kein Politiker heute auf die Aufmerksamkeit der Medien verzichten kann.
Diese seltsame Hassliebe zwischen Politik und Medien steht im Mittelpunkt des aufschlussreichen Interviewbandes von Herlinde Koelbl, Die Meute: Macht und Ohnmacht der Medien, der parallel zu einem Fernsehfilm gleichen Titels entstand. Die Autorin, selbst seit 20 Jahren Journalistin und besonders für ihre ausgezeichneten Fotoarbeiten bekannt, hat Medienvertreter aus allen Sparten befragt, darunter so bekannte Fernsehgesichter wie Sabine Christiansen und Maybrit Illner, führende Zeitungsjournalisten wie Hans Leyendecker, Udo Röbel oder Jürgen Leinemann, aber auch zahlreiche Fotografen, Kameraleute, Mediensprecher von Parteien und Ministerien und Online-Journalisten. Insgesamt fast 60 Interviews von unterschiedlicher Länge und Intensität -- eine beeindruckende Innenansicht des Medienapparats der Republik.
Wie schon in ihrem einfühlsamen Bildband über die Spuren der Macht liegt die besondere Stärke von Koelbls Arbeit darin, dass sie die intensive Verflechtung von Medien und Macht, die gemeinsame Eitelkeit von Politikern und Journalisten, aber auch die kritische Reflexion der eigenen Verführbarkeit zum Vorschein bringt, ohne denunziatorisch oder gar moralisierend den Zeigefinger zu strecken. So wirken die Interviews ebenso persönlich und individuell wie charakteristisch für den ganzen Betrieb.
Man merkt, mit welcher Intensität und Leidenschaft hier gearbeitet wird, wenn trotz des immensen Drucks und der zunehmenden Beschleunigung der Nachrichtenproduktion immer wieder die Faszination des Berufs beschworen wird. Doch gleichzeitig spürt man auch die unaufhaltsame Verwandlung der Medienlandschaft: Die Sucht nach aufregenden Schlagzeilen, bunten Bildern und immer neuen Sensationen, so klagen viele Journalisten, drängt die Analyse, den Hintergrundbericht und den kritischen Kommentar immer mehr ins Abseits. In solchen Momenten wirkt "die Meute" selbst atemlos und gehetzt. --Peter Schneck
"Bilder, die die erfahrene Fotografin dort entdeckt, wo außer ihr niemand hinschaut." (FAZ)
"Ein spannendes Buch." (Der Spiegel)
Über den Autor und weitere Mitwirkende
Herlinde Koelbl wurde in Lindau geboren. Ihrer ersten Ausstellung folgten rasch zahlreiche weitere im In- und Ausland. Ihre Bilder sind in den Fotosammlungen internationaler Museen vertreten. Die engagierte Fotografin erhielt für ihr Schaffen zahlreiche Preise. Sie ist Autorin vieler Bücher, die fast alle zu "Klassikern" ihres Genres geworden sind, u. a. "Das deutsche Wohnzimmer", "Männer", "Die feinen Leute", "Jüdische Portraits", "Starke Frauen", "Im Schreiben zu Haus".