Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus
AKTEULL:
MAILAKTION zum FÖRDERANSUCHEN FÜR 2017 -
Solidarität mit dem Kulturzentrum im Amerlinghaus!
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Das Kulturzentrum im Amerlinghaus ist seit 1975 kontinuierlich eine offene,
niederschwellige Einrichtung und unverzichtbare Ressource für eine Vielfalt
emanzipatorischer und selbstorganisierter Projekte, für kritische Basiskulturarbeit,
soziale und Bildungsarbeit, für antirassistische, kulturpolitische Initiativen.
Als generationen-, kulturen- und szenenübergreifendes Projekt zeichnet
sich das Zentrum durch die Heterogenität seiner Nutzer_innen aus. Hier
treffen einander Menschen aller Altersgruppen, Migrant_innen, Künster_innen,
politisch Aktive ebenso wie Obdach- und Erwerbsarbeitslose. Gemeinsam ist
ihnen der Anspruch, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.
Abseits von Mainstream und Verwertungslogik eröffnet das Kulturzentrum
im Amerlinghaus inkludierende Räume der sozialen und kulturellen Partizipation
und Selbstbestimmung, in denen Diskurse der Solidarität, der Ent-Grenzungen
und des kritischen Denkens gepflegt werden, wo kontinuierlich an einer Kultur
der Vielfalt gearbeitet wird.
Eindeutig besetzte Bereiche wie „Kultur“, Politik“ und „Soziales“
werden in vielfältigen Aktivitäten aufgebrochen und mit weniger
ausgrenzenden Bedeutungen gefüllt. Diese Struktur ermöglicht Austausch
und Diskussion, baut Berührungsängste ab und bringt neue Impulse,
verhindert Vereinzelung und die Abschottung von Szenen und Milieus und wirkt
in hohem Maße inklusiv.
Von früh bis spät ist das Haus aktiv:
Deutschkurse für MigrantInnen, Kinderbetreuung, interkulturelle Projekte
in den Bereichen Literatur, Musik, Malerei, Tanz und Crossover, Romakulturveranstaltungen,
Improvisations- und Mitspieltheater, linke Gruppen, die sich mit politischer
Theorie & Praxis beschäftigen, selbstorganisierte Senior_innen-Treffen,
Selbsthilfegruppen und Selbstermächtigungsprojekte in verschiedensten
Themenbereichen wie Prekarisierung, Marginalisierung, Migration, soziale Verdrängung,
Recht auf Stadt... Marxismuskongresse, Literaturveranstaltungen, kritische
Filmabende, juristische Beratung und vieles mehr findet im Kulturzentrum Raum.
Über 50 Gruppen, Initiativen und Projekte nutzen regelmäßig
die Ressourcen im Haus. Dazu kommt ein weiter Kreis an punktuellen Nutzer_innen.
Kontakt, Bestellung des monatlichen Newsletters oder des
zweimonatigen Printprogramms über:
-> amerlinghaus@inode.at
Kontakt Infobüro:
Büroöffnungszeiten
werktags Mo. bis Fr. jeweils 14:00 bis 20:00
01 523 64 75
amerlinghaus@inode.at
-> Info-
& Koordinationsbereich
Kontakt Aktives Zentrum:
01 523 4009 oder 0676/410 70 15
aktives.zentrum@gmail.com
-> Aktives Zentrum
-> Logos
Finanzielle Unterstützung und Spenden an:
Verein Kulturzentrum Spittelberg
Kontonummer 01510-665-534
Bankleitzahl 14 000
IBAN AT551400001510665534
BIC BAWAATWW
Texte zu Aktuellem & Geschichte unter: -> Materialien & Texte
-> Selbstverständnis, Aktivitäten
und inhaltliche Grenzen
-> Daten & Fakten:
Hausstruktur - Personal - Verein - Finanzierung
-> Geschichte & Gegenwart
Selbstverständnis, Aktivitäten und inhaltliche Grenzen
Niederschwelligkeit & Parteilichkeit
Das Kulturzentrum im Amerlinghaus will materielle, soziale, kulturelle und
kommunikative Ressource sein, im Sinne einer umfassenden Inklusion und Parteilichkeit
für Personengruppen, die kaum oder nur sehr beschränkten Zugang zu politischen,
kulturellen, sozialen Partizipationsmöglichkeiten haben. Im Sinne einer "Politik
der Gerechtigkeit", werden hier Zugänge zu Kultur, Politik und sozialem Leben
jenseits von Marktdiktat und Verwertbarkeit eröffnet. "Auch das, was "sich
nicht rechnet", hat seine Berechtigung und muss öffentlich gefördert werden."
(Regierungsübereinkommen 2010 - Kultur und Wissenschaft)
Das Kultur- und Kommunkationszentrum Spittelberg im Amerlinghaus ist ein
offener, niederschwelliger Raum, wo
- Vielfalt und Antirassismus gelebt wird
- Heterogenität und Offenheit erwünscht ist
- generationen-, schicht- und kulturenübergreifende Arbeit geleistet wird
- wo Kultur politisch ist und politische Kultur gepflegt wird
- Kritik und Auseinandersetzung nicht verhindert sondern gefördert werden
- kritisches Bewusstsein kommuniziert und in die Praxis umgesetzt wird
- wo politische Bildung stattfindet - solidarische gesellschaftliche Konzepte
entwickelt und solidarisches Handeln bestärkt werden
- Möglichkeitsräume und Experimentierfelder eröffnet werden
Aktivitäten und inhaltliche Grenzen
Das Kulturzentrum Spittelberg/Amerlinghaus steht für eine breite Palette an
Aktivitäten,
- selbstermächtigende, selbstorganisierte Projekte von prekarisierten, marginalisierten,
diskriminierten oder unterprivilegierten Gruppen
- antihierarchische Strukturen, antirassistische, antisexistische, antiheteronormative
Zugänge
- im Aufbau befindliche, nicht etablierte Initiativen mit geringen Mitteln
- Newcomer_innen, experimentelle und abseits des Mainstream positionierte
Zugänge
- kritische künstlerische, politische & soziale Auseinandersetzungen mit gesellschaftlich
relevanten Themen
- Entwicklung alternativer, gesellschaftsemanzipatorischer Konzepte in unterschiedlichen
Bereichen
denen nur dort Grenzen gesetzt werden, wo das Prinzip der Selbstverwaltung
sowie der Selbstermächtigung angegriffen wird. Neofaschistische, reaktionäre,
rassistische und sexistische Gruppen haben hier nichts verloren - ansonsten
steht das Haus allen offen, die aktiv werden wollen.
In den Diskussionen um den Fortbestand und die Struktur des Kultur- und Kommunikationszentrum
Spittelberg im Amerlinghaus kumulieren eine Reihe brisanter Diskurse, nicht
zuletzt auch um das aktuell vieldiskutierte Thema "Gentrifizierung" und die
Fragestellung "Wem gehört die Stadt?" So sind aktuell umkämpfte Themen beispielsweise
soziale Verdrängung, die Aneignung und Nutzung öffentlicher Räume, der Zugang
zu Wohn- und Arbeitsraum, die Mitbestimmung bei Restrukturierungsprozessen,
die Ausstattung mit und die Gestaltung von städtischer Infrastruktur sowie
die Ausverhandlung von Möglichkeiten urbaner Teilhabe ("citizenship"). Vor
diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie, von wem und für wen Stadt "gemacht"
wird innerhalb von Gesellschaften, die durch solche extremen Disparitäten,
Fragmentierungen und Interessenskonflikte geprägt sind. Einen wichtigen Schwerpunkt
der Arbeit im Kulturzentrum Spittelberg bildet die politische Auseinandersetzung
mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Widersprüchen. Unser Anliegen ist
es, kritische gesellschaftsemanzipatorische Ansätze zu unterstützen, die höchstens
an den Rändern des dominanten Mainstream-Diskurses sichtbar werden und nicht
nach kapitalistischen Verwertungslogiken und Konsumzwängen zugerichtet werden
können und wollen.
Die Stadt gehört allen!
Wir meinen, dass es Teil einer umfassenden politischen Bildungsarbeit ist, offen und kritisch gesellschaftliche Widersprüche zu thematisieren. Gerade auch für junge Menschen muss es möglich sein, sich mit unterschiedlichen Gesellschaftskonzepten auseinandersetzen zu können und nicht von vornherein normativen und tabuisierenden Ideologien ausgeliefert zu sein.
Träger des Kulturzentrums im Amerlinghaus ist der 1978 gegründete
Verein Kulturzentrum Spittelberg (ZVR-Zahl: 530064333). Der Verein wird durch
die Gemeinde Wien / MA 13 gefördert. Seit 2004 gab es keine Wertanpassung
der Subvention. Die Höhe der Subvention belief sich (seit 2004 in gleich
bleibender Höhe) auf € 250.000,-. 2013 gab es erstmals sogar eine
Kürzung um 5.000,-. Über 90% der Ausgaben sind Fixausgaben für
Miete, Betriebskosten, Energie- sowie Personalkosten. Die Miete in Höhe
von über 60.000,- Euro pro Jahr (fast ein Viertel der Gesamtförderung)
wird an die gemeindeeigene GESIBA bezahlt.
Die quasi gemeindeeigene GESIBA übernahm sowohl die Sanierungsarbeiten
als auch die Finanzierung, wofür ihr mit dem zu diesem Zweck mit der
Gemeinde abgeschlossenen Baurechtsvertrag das Vermietrecht und die Hausverwaltung
zugestanden wurde. Im Laufe der nächsten Jahre sollte die GESIBA durch
die Übernahme und Renovierung weiterer (über 90) Häuser am
Spittelberg profitieren - Häuser, die eigentlich abgerissen hätten
werden sollen, und nun, da soziale und kulturelle Initiativen das Grätzl
belebt und damit, nicht in direkter Absicht, "aufgewertet" hatten,
an Vermarktungswert gewonnen hatten.
In den Räumlichkeiten des Kulturzentrum Spittelberg sind vier Büros
untergebracht, zwei Veranstaltungsräume, sieben Gruppen- und Kursräume,
für eine Kindergruppe adaptierte Räume sowie Sanitäranlagen.
Jeder der Räume wird bis zu viermal täglich von Vormittags bis Abends
die ganze Woche genutzt. Das Kulturzentrum Spittelberg hat hochgerechnet eine
Besucher_innenfrequenz von um die 40.000 im Jahr.
Das Haus wurde das letzte Mal nach der Besetzung 1975 generalsaniert. Der im Amerlinghaus befindliche Gastronomiebetrieb „Amerlingbeisl“ und das Bezirksmuseum haben mit dem Verein nichts zu tun.
Der Verein hat gegenwärtig nur mehr vier Angestellte. Diese verteilen sich folgendermaßen: drei operative Teilzeitkräfte, sowie eine Vollzeitkraft für die Reinigung. In den Anfangsjahren des Kultur- und Kommunkationszentrum "Amerlinghaus" waren es noch 10 Mitarbeiter_innen, wenn auch nicht alle vollzeitangestellt; 2004 wurde unter großem Druck noch einmal massiv beim Personal eingespart, das seitdem völlig am Limit ist.
Der operative Bereich umfasst:
- das Aktive Zentrum für die Generation 50+,
mit eigenen Gruppenaktivitäten und umfangreichen Kursangeboten, das von
einer Teilzeitkraft betreut wird sowie von einer beträchtlichen Anzahl
freiwilliger Mitarbeiter_innen. (siehe Konzept Aktives Zentrum)
- den Koordinations, Informations- und Projektbereich
mit zwei Teilzeitkräften für Koordination und Betreuung von über
60 Initiativen und Gruppen, für den Journaldienst im Büro, für
alle Anfragen, für die Erstellung und den Versand des Monatsprogramms,
für die Betreuung von Newsletter und Webauftritt, für Projektabwicklung,
Veranstaltungsplanung und –betreuung, sowie für kleinere Reparaturarbeiten.
Im Kulturzentrum im Amerlinghaus arbeiten regelmäßig über 50 Gruppen und Initiativen. Dazu kommt ein weiter Kreis an punktuellen Nutzer_innen, die die Struktur für Einzelveranstaltungen, Vernetzungs- und Bündnistreffen usw. nutzen. Die Kindergruppe Amerlinghaus, die Vereinigung für Frauenintegration und der verein exil verfügen über eigenständig finanzierte Angestellte und ständige Räume im Haus.
Der Vorstand des Vereins besteht aus 9 stimmberechtigten sowie weiteren kooptierten
Vorstandsmitgliedern. Im Vorstand gibt es aktuell keineN von der Gemeinde
delegierteN VertreterIn mehr. Die Mitgliederversammlung ist das höchste
Gremium. Jede der im Haus tätigen Initiativen kann eineN VertreterIn
in die Mitgliederversammlung entsenden. Seit einigen Jahren gibt es auch wieder
Hausplena.
Neben dem Kulturzentrum ist im Amerlinghaus bereits seit 1978 das
-> Bezirksmuseum Neubau
untergebracht.
Weiters befindet sich im Haus das
->
Amerlingbeisl.
Anfänglich als Bestandteil des Kulturzentrums gedacht,
trennte sich das Beisl unter der Federführung von Andreas Friesz bald
als eigenständiger unternehmerisch geführter Gastronomiebetrieb
ab.
Der Verein Kulturzentrum Spittelberg ist Mieter der verbleibenden 523m².
Im Kulturzentrum im Amerlinghaus ist auch die
->
Kindergruppe Amerlinghaus
zu Hause, die autonom mit eigenen Angestellten
arbeitet und im Dachverband der Wiener Kindergruppen organisiert ist.
Weiters sind im Kulturzentrum zwei weitere Vereine mit eigenen Büroräumen ansässig.
Die
->
Vereinigung für Frauenintegration
nützt das gesamte Kulturzentrum
für Deutsch- & Basisbildungskurse für Frauen inklusive Kinderbetreuung.
Der
->
verein exil
betreibt einen eigenen Verlag, die edition exil, und veranstaltet
Kulturpräsentationen mit dem Schwerpunkt auf Minderheiten- & Migrant_innenliteratur
sowie Romakultur.
Die kooperierenden Vereine und Initiativen im Haus arbeiten mit eigenen Angestellten und Mitarbeiter_innen.
Für die Reinigung des gesamten Kulturzentrums Spittelberg (außer der Kindergruppe) ist Frau Milica Tosic zuständig, ohne deren langjähriges, selbstloses, immer perfektionistisches und häufig an Selbstausbeutung grenzendes Engagement der Zustand des Zentrums für den Betrieb unzureichend wäre.
Der Verein Kulturzentrum Spittelberg wird von der
MA
13 - Bildung und außerschulische Jugendbetreuung -
subventioniert.
Weitere Texte zum Thema der Finanzierung unter
-> Materialien & TexteInfos zu Spenden, Crowd Funding und fördernden Mitgliedern unter
-> SpendenDas
als „das Amerlinghaus“ bekannte und nach dem Maler Friedrich von
Amerling benannte Kultur- und Kommunikationszentrum war ursprünglich
als selbstverwaltetes Stadtteilzentrum am damals proletarischen und migrantischen
Spittelberg konzipiert.
Im Sommer 1975 wurde das in Gemeindebesitz befindliche, leerstehende und desolate
Haus besetzt. Leute aus der Nachbarschaft, StudentInnen, KünstlerInnen,
SozialarbeiterInnen und Alternativgruppen forderten ein selbstverwaltetes,
gefördertes Kultur- und Kommunikationszentrum von der Gemeinde Wien.
Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, besetzten sie im Sommer 1975
das "Amerlinghaus" in der Stiftgasse. Nach einem großen Vier-Tage-Fest
wurde im Sommer ein "Demonstrationsbetrieb” aufgenommen. Ziel des
Projekts war, zusammen mit Personen aus der Nachbarschaft, Kindern und Jugendlichen,
Erwachsenen und alten Menschen einen selbstbestimmten und selbstverwalteten
Ort der Kommunikation und der kulturellen Aktivität im Grätzl zu
schaffen. Der Bedarf nach neuen, alternativen und kritischen Konzepten war
Mitte der 1970er groß. Einen Sommer lang lebten Haus und Hof auf. Fast
täglich Kulturprogramm, Kinderbetreuung, Kommunikation zwischen den Generationen,
zwischen Bevölkerung und AktivistInnen und PolitikerInnen sowie ein hervorragendes
Medienecho waren die Folge. Die "weiche" Besetzung des Amerlinghauses
war die erste in Wien und wurde von der Gemeinde im Gegensatz zu in den nächsten
Jahren folgenden weitgehend toleriert. Die Besetzer_innen des Hauses hatten
mit der Gemeinde Wien Verhandlungen aufgenommen, die in der Renovierung des
Amerlinghauses und offiziell am 1. April 1978 in der Übergabe an den
sich als Kulturzentrum Spittelberg konstituierten Verein resultierten. Seit
damals wird der Verein Kulturzentrum Spittelberg durch die MA 13 subventioniert.
(Im Bild: Gertrude Fröhlich-Sandner und Herbert Sburny)
Ein Teil der Vereinbarungen bestand im Verzicht auf Räumlichkeiten im 1. Stock, in denen bis heute das Bezirksmuseum Neubau untergebracht ist. In den Anfangsjahren wurden von der Subvention um die 10 Mitarbeiter_innen beschäftigt. Im Amerlinghaus wurde zu dieser Zeit unter anderem eine der ersten Alternativschulen Wiens gegründet. So breit das Spektrum der sozialen und kulturellen Aktivitäten im Kulturzentrum Spittelberg auch war, zeichnete sich bereits von Anfang an eine Entwicklung ab, die die weitere Geschichte des Zentrums prägte. Die Entscheidung für eine öffentliche Subventionierung brachte die formale Einführung eines rechenschaftspflichtigen Gremiums mit sich, dem damit eine gewisse Machtposition eingeräumt wurde. Zum anderen bedeutete die Anstellung von Personen ein Auseinanderfallen der Aktivist_innen, eine ungleiche Trennung in "Macher_innen" und "Konsument_innen", eine Entwickung, welche auch die anfängliche Abhaltung von Hausplena nicht verhindern konnte. Die als "Mitarbeiter_innen- Selbstverwaltung" im Amerlinghaus bezeichnete Struktur markiert die Etablierung einer bezahlten, für den Betrieb verantwortlichen Gruppe von Personen. Das Kulturzentrum im Amerlinghaus stellte kein sich als basisdemokratisch verstehendes, autonom selbstverwaltetes Modell mehr dar. Das Zentrum hatte die Basis der jungen Sozialen Bewegungen verloren, die sich in anderen Projekten wie der Arena engagierten.
1980
kam es zu einer "Zweiten Besetzung" des Amerlinghauses im Zusammenhang
mit der "Burggartenbewegung", wobei der Konflikt zwischen autonomen
Ansprüchen und den nunmehr als alleinige Entscheidungsträger_innen
fungierenden Mitarbeiter_innen virulent wurde. War das Amerlinghaus ursprünglich
als Kultur- und Kommunikationszentrum in einem proletarischen und migrantischen
Stadtteil gedacht, so hat sich auch die Umgebung im Laufe der Jahre verändert
- eine Entwicklung, die vom Kulturzentrum sicher nicht intendiert, aber indirekt
dennoch mit vorangetrieben worden ist. Ein Großteil des Spittelbergs
wurde renoviert und nicht, wie anfangs befürchtet, abgerissen. Unter
anderem war auch die GESIBA an einigen Bauprojekten beteiligt. Rasch änderte
sich die Struktur von einem heruntergekommenen Vorstadtviertel zu einem teurer
und schicker werdenden Vorzeigeviertel mit bessergestellter, alternativ-liberaler
Klientel. Der Spittelberg ist ein frühes Beispiel für Gentrifizierung,
wo über den Umweg von sozial-engagierter Arbeit und Künstler_innen-Initiativen
mittlerweile Konsum und Gastronomiebetriebe vorherrschen und die Mieten für
die ursprünglichen Bewohner_innen längst viel zu teuer sind.
Die Spaltung der Räumlichkeiten im Amerlinghaus in die vom Kulturzentrum
verwalteten und in das von der Amerlingbeisl Gastronomie GmbH betriebene "Amerlingbeisl"
geht ebenfalls auf die Kommerzialisierung des ursprünglich als Teil des
Kulturzentrum konzipierten Beisls bereits Ende der 70er Jahre zurück.
Von Anfang an war die Arbeit im Kulturzentrum als ganzheitlich und inklusiv
konzipiert. Ein neuer Kulturbegriff wurde hier als ein alle sozialen Beziehungen
umfassender verstanden, Kulturarbeit und Soziale Arbeit waren dabei nicht
zu trennen. Die integrativen Aspekte bezogen sich auf generationenübergreifende,
interkulturelle Arbeit sowie auch darauf, eindeutig besetzte Bereiche wie
“Kultur” oder “Soziales” aufzubrechen und mit weniger
ausgrenzenden Bedeutungen zu füllen. Wurden in den ersten Jahren noch
intensive inhaltliche und politische - teilweise recht heftige - Auseinandersetzungen
über Konzepte und kritische Ansätze geführt, so wurde das Kulturzentrum
zunehmend zu einer Anlaufstelle und Ressource für unterschiedliche Gruppen,
die hier ihre eigenen Interessen und Inhalte verfolgten. Eine übergreifende,
gemeinsame politische konzeptuelle Diskussion und Entwicklung von Inhalten
verlor zunehmend an Bedeutung. Dennoch bildet das Kulturzentrum bis heute
ein "Treibhaus" für alternative Gesellschaftsentwürfe
und kritische Projekte. Was sich durch viele gesellschaftliche Veränderungen
hindurch nicht geändert hat, ist die Notwendigkeit, gegen Unrecht, Vorurteile
und rassistische Hetze aufzutreten, und unser Wille, dazu einen Beitrag zu
leisten. Das Kulturzentrum im Amerlinghaus ist ein wichtiger Treffpunkt und
eine - oft die einzige - unverzichtbare Ressource für eine Vielzahl von
Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen geblieben.
Gemessen an den damaligen Ambitionen und Visionen, nicht ein einzelnes Haus,
sondern viele solcher selbstverwalteter Zentren zu etablieren, zeigt sich,
dass es auch gegenwärtig kaum solche Räume gibt, wo engagierte Initiativen
und Personen aus der Pluralität ihrer unterschiedlichen Perspektiven,
Ansätze und Praxen heraus zusammenkommen und innerhalb einer offenen,
wertschätzenden und unterstützenden Struktur selbstbestimmt arbeiten
können – zugunsten einer solidarischen Kultur der Vielfalt.
Vieles, was gegenwärtig einen teilweise auch schon etablierten Bestandteil des sozio-kulturellen Lebens in Wien bildet, hat seinen Anfang im Kulturzentrum im Amerlinghaus genommen - von der erwähnten Alternativschulbewegung über Anti-AKW Aktivitäten, interkulturelle Lernbetreuung - noch bevor "Integration" zum hegemonial machtpolitisch besetzten Unwort wurde, autonome Frauenprojekte, der Kampf um das WUK und die Gassergasse, selbstbewusste migrantische Jugendprojekte wie ECHO oder kollektive offene Wohnprojekte für Obdachlose wie das Neunerhaus und viele andere mehr. Wahrscheinlich bildete paradoxerweise gerade die "Verbeamtung" der Mitarbeiter_innen als Lohnarbeiter_innen eine Voraussetzung dafür, dass das Kulturzentrum im Amerlinghaus - anders als zu Beginn intendiert, aber immer noch - existiert und ein linkes Zentrum geblieben ist. Mitarbeiter_innen kümmern sich um den Hausalltag und die Koordination, unabhängig von den Aufbrüchen, Wandlungen und manchmal auch Erschöpfungen, die einzelne Initiativen durchlaufen mögen.
Von den anfänglich um die zehn Mitarbeiter_innen ist der Personalstand
mittlerweile auf drei Teilzeitarbeiterinnen im operativen Bereich und eine
Putzarbeiterin reduziert. Das Aktive Zentrum im Amerlinghaus führt die
Schiene der Altenarbeit kontinuierlich fort und setzt wichtige kritische Impulse
auf gesellschaftlicher und individueller Ebene für die Realisierung neuer,
vielfältiger Lebensräume und Visionen. Geleitet von einer der Mitarbeiterinnen
werden altenpolitische Anliegen aufgegriffen und Praxen der "Generation
50+" entgegen hegemonialen gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzenkalkülen
entwickelt.
Einige Projekte und Initiativen, die ursprünglich direkt vom Verein Kulturzentrum
Spittelberg mitgetragen wurden, erhalten mittlerweile selbst Unterstützungen,
die es ihnen ermöglichen, eigene Mitarbeiter_innen zu zahlen, wie die
elternverwaltete Kindergruppe im Amerlinghaus.
Ein unmittelbar aus der für marginalisierte Gruppen parteiischen und
transkulturellen Arbeit im Kulturzentrum entstandenes Projekt im Amerlinghaus
ist der mittlerweile selbstständige verein exil. Seit 1988 arbeitet exil
als Kulturzentrum mit Schwerpunkt Literatur und Kulturpräsentationen
der sogenannten “Minderheiten” und speziell der Roma in Österreich.
In zahlreichen - auch internationalen - Veranstaltungsreihen mit Buchpräsentationen,
Lesungen, Ausstellungen, Vorträgen, Kompositions-, und Theaterprojekten
sowie Antirassismus-Workshops für Schulklassen entwickelt, fördert
und präsentiert zentrum exil Arbeiten von zugewanderten Künstler_innen
und Angehörigen ethnischer Minderheiten.
Ein weiteres im Kulturzentrum Spittelberg etabliertes, selbstgeführtes
und -finanziertes Projekt ist die Vereinigung für Frauenintegration,
gegründet 1997 im Bewusstsein, dass es vor allem für sozial benachteiligte
Migrantinnen und deren Kinder zu wenig leicht zugängliche Bildungs- und
Beratungsangebote gibt. In diesem Sinne bietet die Vereinigung für Frauenintegration
professionelle Sprach- und Computerkurse sowie Vorbereitungsangebote für
die "Integrationsprüfung" mit Kinderbetreuung für sozial
benachteiligte Frauen aus unterschiedlichen Kultur- und Sprachkreisen an.
In den mittlerweile 35 Jahren der Arbeit des Kulturzentrum Spittelbergs
hat sich zweifellos im Kontext historischen gesellschaftlichen Wandels vieles
geändert, Mitarbeiter_innen und mit ihnen Schwerpunktsetzungen haben
gewechselt, einige aus der "Gründer_innengeneration" sind bereits
in Pension, junge Personen mit anderen politischen Konzepten bringen neue
Konzepte in das Kulturzentrum.
Und das Kulturzentrum im Amerlinghaus ist bis heute ein linkes, kritisches
Zentrum geblieben, das immer noch Ausgangs- und Knotenpunkt für vielfältige
interessante Diskussionen und emanzipatorische Praxen ist.
Wie wichtig und unverzichtbar Projekte wie das Kulturzentrum im Amerlinghaus
gegenwärtig sind, zeigt sich daran, dass das Haus voller Menschen ist,
die die oft andernorts hohe Zugangsschwellen allein hinsichtlich Raummieten
und Konsumzwang nicht passieren können. Dieselben Personengruppen sind
es auch, die zusätzlich mit massiven immateriellen Hürden konfrontiert
sind. Immer größere Teile der Gesellschaft werden von Partizipationsmöglichkeiten
weitgehend ausgeschlossen und damit noch weiter an den gesellschaftlichen
Rand und in die Unsichtbarkeit gedrängt, ausgegrenzt oder mundtot gemacht
werden. Das Kulturzentrum Spittelberg im Amerlinghaus bildet einen der letzten
Orte in Wien, an dem vielfältige kritische und solidarische Basiskulturarbeit
stattfinden kann, ohne direkt einer Verwertungslogik unterworfen zu sein.
In einem gesamtgesellschaftlichen Kontext, der geprägt ist von Einsparungen
und Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich, von steigender Armutsgefährdung,
zunehmenden Ausgrenzungen und steigender Repression gegenüber alternativen
Gesellschaftsentwürfen, hat der Weiterbestand des Zentrums eine gesamtgesellschaftlich
relevante Bedeutung.
Dass im Zuge einer zunehmend wirtschaftsliberalen Politik kritischen sozialen
Projekten eine politisch gewollte Ressourcenaustrocknung droht, ist gesellschaftspolitisch
gefährlich. Das Kulturzentrum Spittelberg mag kein autonomes Projekt
sein, in Struktur und Inhalten gibt es Widersprüche und Lücken.
Dennoch oder gerade deshalb meinen wir, dass das Kulturzentrum Spittelberg
auch Bedeutung als Bindeglied zwischen Szenen hat, zwischen sozialen Bewegungen
und Organisationen, zwischen linken Gruppen und zivilgesellschaftlichen Initiativen,
und dass das mittlerweile eine seiner Stärken darstellt, die Austausch
und Diskussion ermöglicht, Berührungsängste abbaut und immer
wieder neue Impulse bringen kann.
In welche Richtung sich das Zentrum weiterentwickelt, ist unsicher, auch, ob es in seiner jetzigen Form überhaupt noch Bestand haben kann, allein wegen der finanziellen Schwierigkeiten. Tendenziell meinen wir, dass das Zentrum im Amerlinghaus, das über 30 Jahre der Zuführung einer Verwertung im wirtschaftsliberalem Sinn und der Kommerzialisierung, von der es umgeben ist, widerstanden hat, nicht nur wegen seiner Geschichte, sondern auch wegen seiner gegenwärtigen Position als eines der letzten offenen, niederschwelligen und kritischen Zentren in Wien Teil der emanzipatorischen Kultur bleiben wird.
Weitere Texte, Materialien und Geschichte(n) auf:
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