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Enges Hoserl fürs Aug'

Wenn Bon Jovi den Rockhelden mimt, bleibt kein jugendliches Mädchenauge
trocken. Der Musikheld von heute muss aalglatt, fönfrisiert und einfach zu vermarkten
sein. John Bon Jovi erfüllt diese Anforderungen nahezu perfekt.

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     Wunschloses in großer Überzahl, jung-frauliches Menschenmeer.
Keine(r) schont die Stimmbänder. Kein Auge trocken und auch sonst keine Körperstelle. "Slippery When Wet" nannte die Band vor 14 Jahren ihr drittes Album. Einst wollten sie noch Rocker mit eindeutigen Anspielungen sein.
Das war nur ein anpässlerischer Schmäh einer Partie, die damals aussah wie die Schwestern jener "nice guys", die sich im Abstand von ein paar Jahren treffen,
um auf Platte oder live immer wieder das Gleiche zu tun. Nur damals steckte
das Image noch in den Kinderschuhen. Jetzt herrscht es und liegt es in den
Händen von Stylisten und Produzenten, die ihr Handwerk des glatten
Arrangements abstoßend perfekt beherrschen. Hier macht das Bild Musik
- und zwar zweieinhalb Stunden lang mit sattsam bekannten Songs nach
stereotypem Muster. Livin' On A Prayer. You Give Love A Bad Name. It's
My Life. Wanted Dead or Alive
...


Egal, womit begonnen wird. So ist das, wenn der aktuell chicste Eroberer des Entertainment-Poprock im weißen Elvis-Style-Anzug der Menge sein bestes Stück zeigt. Das Hoserl hat der Schneider ganz eng angelegt. Damit rüberkommt, was drin ist. John Francis Bongiovi zeigte sich den gut 40.000 von hinten. Es hat ohnehin fast zwei Songs gedauert, ehe es zu ersten echten Höhepunkten kommt! Ohnehin alles rein äußerlich! Schnell. Sauber. Ohne Rückstände. Alles ist eine rasch weggewischte Erregung. Denn die Hit-Hetzjagd will fortgesetzt sein. Könnte ja jemand beginnen, nachzudenken.

"Ein Schuss durchs Herz. Du bist schuldig. Du gabst der Liebe einen schlechten Namen." - "Es ist mein Leben. Jetzt oder nie. Ich werd' nicht ewig leben. Ich will nur leben, während ich am Leben bin." Schlager-Platitüden aufgemotzt mit breiten Gitarren, Instant-Rhythmus-Abteilung und einem singenden Po-Wackler als Teenager-Traum- Sexsymbol, der im Zwei-Song-Rhythmus den Reißverschluss seiner Jacke gegen die Körpermitte rutschen lässt (Ohnmacht nicht angebracht: er trug ein hautfarbenes Leiberl drunter!).

     Rock-Klischees für Hochglanzmagazine werden zelebriert. Ein künstlerisch seelenloses, von aus der Rockgeschichte zusammengestohlenen Anleihen zum abziehbildfähigen Image umgewandeltes Schauspiel ohne Ecken und Kanten wird geboten. In jeder TV-Sendung zu gebrauchen. Zehntausendfacher Jubel garantiert.
Weltweit einsetzbar, weil jede Authentizität, jede Originalität fehlt. Austauschbarkeit ist das Grundprinzip. Sie erhöht den Wiedererkennungseffekt, überrascht also Zuhörer niemals und wiegt sie in der ewigen Sicherheit: "Bon Jovi eh klar!"

Die US-Band - auch wenn es ihr beim Hören von "Anton aus Tirol" vielleicht gar nicht recht sein mag - liegt in einer Skala der Belanglosigkeit an gleich hoher Stelle wie DJ Ötzi. Als der vom VIP-Bereich in die Menge winkte, wurde nur ein bisschen weniger gejubelt, als beim Bon Jovi-Auftritt. DJ Ötzi war nicht von allen Plätzen im Konzertgelände zu sehen. Egal, ob aalglatter Poprock oder unerträglicher Bierzelt-Disco-Saufsound: Nach streng einfachem, millionenschwerem Erfolgsrezept zelebriert man auf der Bühne Lebens-Aufgaben.
Die Aufgabe im Publikum ist eine für Rettungsmannschaften schier aussichtslose Kombination von Kreislaufkollaps und Nervenzusammenbruch. "Lieber verdursten, als den hart erkämpften Platz direkt zu Füßen des schönen Bon aufgeben", ist die Parole. "If you told me to die for you/I would..."

Während junge Frauenkörper leiden, bleiben Herz und Seele brav unberührt. Sex passiert als optische Reizung mit einem tiefen Security-Graben zwischen dem angeblichen Anbieter und flehenden Nachfragerinnen. Von Rock ist nichts zu hören. Und das andere "teuflische Zeug", wie es Ralph Molina vom bekannt unenthaltsamen Band-Kraftwerk Crazy Horse nennt, ist gut versteckt hinter schwergewichtigen Security-Männern. Dabei bedienen sich Bon Jovi der Show wegen so gern an dem längst überholten "Sex and Drugs and Rock'n'-Roll"-Stereotyp. Sie greifen kräftig zu und geben nichts zurück.

Warum hier trotzdem kaum die Rede von Musik ist? Weil die Mischung aus Harmoniegesang, bei Springsteen abgeschauten Posen und Allerwelt- Akkordfolgen nur Mittel zum Zweck ist. Die Herren sind Schauspieler, die ihre musikalische Pompösität mit Ausnahme eines kurzen Akustik-Sets (Someday I'll Be Saturday Night, Bed of Roses, Lay Your Hands On Me und auch das einstige Durchbruchswerk Runaway) CD-getreu in eine Menge der zum Rockidol emporgestreckten Hände werfen. Ihre Rolle als Handelsreisende in Sachen Rockimage haben John Bon Jovi, Richie Sambora, Tico Tores, David Bryan und Hugh McDonald in Spielberg routiniert gespielt. Mehr muss die erfolgreichste Show-Truppe aus New Jersey nicht bieten.

Bernhard Flieher
(Bernhard Flieher ist Redakteur
bei den Salzburger Nachrichten)


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