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"It's just perfect" - Portishead live

Wenn Sie wissen wollen, was Perfektionismus ist, dann hören Sie sich doch
(wieder) einmal das Portishead-Konzert im New Yorker Roseland Ballroom an.
Aber lesen Sie vorher diesen Artikel!

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     P
ortishead live? Die Spezialisten der bis ins letzte Detail ausgetüftelten Musikstücke mit ihren Instrumenten live vor Publikum? Da war Skepsis angebracht. Wie sollte man diesen Sound auch nur annähernd adäquat auf die Bühne bringen? Wie sollte man live all die punktgenauen Arrangements spielen können?

Der Computer macht’s möglich, munkelten die vermeintlichen Experten. Aber das wird nicht mehr als ein müder Abklatsch der Studioversionen. Diese Musik lebt vom perfekten Sound, dem perfekten Ineinadergreifen von Gitarre, Schlagzeug, Bass, Keyboard und den Scratches und nicht zuletzt von dieser unbegreiflichen Stimme - all das ist live unmöglich zu bringen. Wir gehen hin, weil wir diese Typen und vor allem diese Frau einmal sehen wollen.

      Die Gelegenheit dazu bietet sich in Wiesen 1998. Damals hatten Portishead bereits ihr legendäres Roseland-Ballroom-Konzert in New York gegeben, das Ende des selben Jahres auch als Live-Album veröffentlicht wurde.
P.J. Harvey bestreitet das Vorprogramm. Vorprogramm? P.J. Harvey legt ein Konzert auf die Bühne, das alles bietet: perfekte Show, guten Gesang, sehr gute Instrumentierung. Und P.J. ist in ihrem roten Kleidchen einmal der rockende Derwisch und dann wieder die mysteriöse Unbekannte, die das Publikum verstört. Die Stimmung kocht über. Jetzt sollen Portishead kommen? Lieber ein Bier trinken gehen und warten, was passiert.

Dann stehen sie plötzlich da: Beth Gibbons, die Frau, die genau so aussieht, wie sie singt (?); Geoff Barrow, versunken hinter seinem Mischpult; und der dritte Große im Bunde, Adrian Utley, der an der Gitarre die letzten Handgriffe vornimmt; dazu noch Clive Deamer am Schlagzeug, ein guter Mann, das wissen wir; Jim Barr am Bass und John Baggot an den Keyboards. Die Spannung steigt.

     Was dann passiert, ist mit Worten nicht zu beschreiben. Es gibt nur noch diese Musik und wir alle verschwinden in einer anderen Welt. Wir werden keinem Menschen sagen können, wo wir waren. Nur die sechs da oben wissen es. Erst gut eine Stunde später bin ich wieder bei mir...

Es ist also möglich. Man kann diese Musik live spielen bzw. kann sie von diesen Musikern gespielt werden. Und sie brauchen dazu nicht viel mehr elektronische Unterstützung als man für ein Rockkonzert mit Gitarre, Bass und Schlagzeug benötigt. Das ist eine Überraschung. Das ist eine Leistung. Das ist im Grunde sensationell.

Es war nur allzu logisch, dass man diese ungeahnten Fähigkeiten auch vermarkten wollte. Das Roseland-Ballroom-Konzert, das mit Orchester gespielt wurde und damit den Hörgenuss noch um eine Nuance steigerte, kam in die Kinos und wurde als Live-Album veröffentlicht. Das ist nun über zwei Jahre her, und dieses Konzert hat dennoch nichts von seiner Faszination verloren. Diese Musik zieht einen vom ersten Takt an in ihren Bann.  Es ist dabei ganz egal, welchen ihrer Songs sie spielen. Portishead haben keinen schlechten Song geschrieben. Jedes Lied ist ein absoluter Hörgenuss - selbst live. Da ist alles perfekt arrangiert, von der Stimme über die Gitarre, den Bass, das Schlagzeug usw. Was soll man dazu noch sagen?

     Wenn es einen Perfektionisten auf dieser Welt gibt, dann heißt er Geoff Barrow. Er tüftelt an einem Lied wie kein anderer. Kein Mensch weiß, wann er zufrieden ist, wann es endlich reicht. Es verwundert, dass man mit so einem Menschen überhaupt zusammenarbeiten kann. Aber Beth Gibbons und Adrian Utley scheinen es zu können. Sie haben zumindest drei Alben miteinander eingespielt, und ein viertes soll folgen. Allerdings weiß niemand, wie lange die Aufnahmen dauern werden...

Markus Murauer

 


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