Ray Bremser: Gedichte vom Wahnsinn & Angel


Einführung von Allen Ginsberg
Nachwort von Charles Plymell
Deutsch von Pociao
Verlag Peter Engstler
2009

Ray Bremser wurde 1934 in Jersey City geboren. Allen Ginsberg und Gregory Corso wurden auf ihn aufmerksam, als er sechs Jahre in der Besserungsanstalt in Bordentown, New Jersey lebte, wo er nach zwei bewaffneten Raubüberfällen eingewiesen war. Eines seiner Gedichte erschien in der Zeitschrift Yugen, die von LeRoi Jones (heute Amiri Baraka) herausgegeben wurde. Nach seiner Entlassung aus der Besserungsanstalt tauchte Bremser 1958 in die New Yorker Jazz- und Poetry-Szene ein. Er wohnte mit dem Jazzdrummer Elvin Jones, kiffte mit John Coltrane und inspirierte einen jungen Folksänger namens Bob Dylan. Nach einem Auftritt in einer Talkshow, in der er sich für die Legalisierung von Marihuana einsetzte, wurde Bremser wieder verhaftet und saß sechs Monate im Staatsgefängnis von Trenton. Der Dichter William Carlos Williams setzte sich für seine Entlassung ein. Eine Flucht nach Mexico und eine weitere Haftstrafe später erschien 1965 der erste Gedichtband Poems of Madness bei Paper Book Gallery. Weitere Veröffentlichungen folgten, darunter Angel (Tompkins Square Press). Die Jahre nach dem Gefängnis waren von Alkohol- und Drogenabhängigkeit gezeichnet. Häufig lebte Ray Bremser von der Großzügigkeit seiner Freunde. Auf Allen Ginsbergs Farm in Cherry Valley verbrachte er mehrere Jahre. Seine letzte Lesung fand dortselbst im August 1998 bei der Beat und Bohemian Celebration statt, wo ihn eine jüngere Generation von Schriftstellern und Künstlern stürmisch feierte. Ray Bremser starb im November desselben Jahres an Lungenkrebs. 2009 sind Angel und Poems of Madness in deutscher Übersetzung bei Peter Engstler als Einzelband unter dem Titel Gedichte vom Wahnsinn & Angel herausgekommen. Im selben Verlag ist bereits vorher Bremser Gedichtband Die Eroberer erschienen. Hier ist nun das vollständige Nachwort seines in Cherry Valley ansässigen Kollegen und Freundes Charles Plymell:

Bremsers Back Beat
von Charles Plymell


Das Amerika der Nachkriegszeit fuhr auf Big Bands ab (Gene Krupa war alles andere als ein Versager.) Das goldene Zeitalter des Sounds erreichte jede größere Stadt. Charlie Parker übte auf seinem Saxophon in einem Schuppen auf der anderen Bahnseite in Kansas City. Die legendäre Subkultur wuchs von hep über hip zu Bebop und verstreute die ersten Samen für Hiphop. Der großartige Lord Buckley begründete den Ausdruck Riff, als Scat noch prä-nataler Rap war. Jazz-Fans und Amphetamin beherrschten die Szene, während ewig junge Herumtreiber, Zuhälter, Huren, Ex-Häftlinge, Straßenjungs und kreative Kids auf die ikonenhafte „wütende Spritze“ und ähnlich illegales Zeug zudrifteten. Ray Bremser war bereits Mitglied dieser unkonventionellen Subkultur. Sein von der Hoboken-Nase gebrochenes Profil und sein heiseres Jersey-Raspeln waren perfekt für die Rollenbesetzung in Hollywood, und er war stolz auf seine Erscheinung.

Natürlich benutzt er den Jargon der Zeit, um sein philosophisches Selbstgespräch zu beginnen: „Deshalb will ich es Ihnen schonend beibringen, Mr. Gone!“, und fährt auf seine sarkastisch-poetisch-brillante Art fort, die eigene Menschlichkeit und Vergangenheit zu analysieren, bis er zu dem Schluss kommt: „Das ist ein bisschen … sagen wir, zu viel, Mann, zu viel!“ Die Sprache hier hat ihren eigenen Klang, eine eigentümliche Frische; man muss ihre Bedeutung auskosten und sie vor dem Klischee retten. In diesem Umfeld ist die lockere Ausdrucksweise literarisch … ja, Shakespearisch zu verstehen. Heute bräuchte man wahrscheinlich einen Schauspieler, um den lässigen Charme und Sound eines Bremser oder Huncke zu ihrer Zeit wiederaufleben zu lassen, die Worte und den Jazz in der Kultur ihrer Zeit weiter … zu etymologisieren. Als Huncke per Anhalter in die Stadt fuhr und einen geläufigen Satz wiederholte: „Man, I'm beat“, wurde dieser Ausspruch von wachen Mittelstand-Studenten der Avantgarde schnell adaptiert, um eine Generation von Poeten und Schriftstellern zu definieren. Wenn man von der Glaubwürdigkeit oder Authentizität von Leuten wie Ray Bremser und Herbert Huncke in der Beat Generation spricht, sehe ich sie in einer rudimentären Subkultur verankert, die ganze Generationen ausspucken und benennen könnte.

In dieser Hinsicht hat Bremser meiner Ansicht nach Einfluss und Lebensstil des Beat als späteren, durchaus willkommenen Schutz vor der Straße übernommen, in den er seine Geschichte und seine Herkunft einbringen konnte. Es ist in den „Gedichten vom Wahnsinn“ nicht zu übersehen, dass er einen großen Teil seiner Lesezeit mit der Lektüre von Hart Crane, Pound und Shakespeare verbracht hat. Er versucht jedoch nicht, sie als seine eigenen Texte auszugeben, sondern schreibt als ebenbürtiger Kollege, der unter gesunden, sichtbaren Einflüssen steht. Nehmen wir die surreale Inspiration eines Hart Crane:

Denn ich habe Luftschlangen aufgehängt
und aus einer luftigen Position, wo das Leben beginnt/
eine wilde unpatriotische Rebellenhaltung aufgesogen
aus Konfetti und Kaskaden
mörderisch reinrassiger Haare!

Sollte Shakespeare sie sehen können, hätte er an folgender Figur, wie übrigens auch Chaucer, bestimmt seine helle Freude. Das Bild/Idiom ist ebenso zeitlos wie die philosophische Frage:

Scheißt euch euren eigenen Stiefel, ist mir egal,
aber seht, wie
die Horizontale gelegentlich
von einem bisschen Leben träumt, das herkam, um gewichtige Dualitäten auf dem Kopf zu ertragen

Auf frappierende Art feilt Bremser an Satzrhythmus und Mythos, um dann von Pound zum absoluten Gehör überzugehen:

Sahen Anubis und Schrecken
Sahen den Hauch eines Zaubers dort
Sahen die Knochen des schmutzigen Einbalsamierers
Sahen die sieben löchrigen Schuhe an den Füßen der Vögel
die schneller zum Himmel aufstiegen als Bela Lugosi.

Und wenn der akademische Klüngel von Dumpfbacken und Nichtpoeten nichts damit anfangen kann, verabschiedet er sich mit etwas einem handfesteren Rat:

Nehmt eure Museen, Marihuana!!!
Steckt sie euch sonstwohin und stellt die Welt auf den Kopf …

Charles Plymell, Mai 2009

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Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.