Jack Micheline: Skinny Dynamite und Rotweinfluss
Jack Micheline war ein Straßendichter und Maler, der zeitlebens am Rande der Armut gelebt hat. Als Harvey Martin Silver wurde er am 6. November 1929 im New Yorker Stadtteil Bronx geboren; nach seinem großen Vorbild Jack London und dem Familiennamen seiner Mutter, Mitchell, hat er sich in früher Jugend in Jack Micheline umbenannt. Als Jack Micheline hat er über die Kaputten und Ausgestoßenen geschrieben, über die Drogensüchtigen, Nutten, Zuhälter und Ganoven, die abgestürzten Typen aus der Arbeiterklasse, die Stadtstreicher und U-Bahn-Fledderer, denen er, zunächst in den Gassen der East Bronx, dann im Greenwich Village, in Harlem und später in San Franciscos Einwandererviertel North Beach, immer wieder begegnet ist und die sein bevorzugter Umgang waren. Er selbst kam aus einer armen Familie russisch-rumänischer Herkunft und ist in seiner Kindheit durch eine harte Schule gegangen. Als Jude ist der scheue und verträumte Junge oft von Gleichaltrigen furchtbar verdroschen worden. Die Spiele in der ärmlichen irischen Gegend gingen, wie er in der Kurzgeschichte “In der Bronx” schrieb, “nie ohne Krach und Schlägerei aus”. („Skinny Dynamite. Stories“, Maro Verlag 1979) Er lernte kämpfen, wegrennen und beten.
Nach dem Abgang von der Grundschule lebte Jack Micheline, wenn er nicht gerade im Jugendarrest oder im Gefängnis war, auf der Straße. Er ist durch Nord- und Mittelamerika getrampt, durch Europa und den Vorderen Orient, hat in Israel in einem Kibbuz gearbeitet, in den Staaten als Straßenfotograf, Landarbeiter, Pflastermaler, Theaterschauspieler, Lagerarbeiter, in einer Textilfabrik, als Straßensänger und -dichter usw. Er hat nie eine Universität besucht. Seine Universität war die Straße, und die auf der Straße gesammelte Erfahrung schlug sich in der Art seiner Dichtung nieder, in einer in Blues- und Jazzkadenzen gefaßten Wortmusik:
Give Bird Love/ as the babies cry /and the horn sounds sweet/ Give Bird Love / sweet is your sound/ in the dream lit sky/ Give Bird Love/ sweet is your sound/ in the eyes of hell/ Give Bird Love/ as the screams are heard/ in the Bellevue night/ Give Bird Love/ sweet is the sound/ in the tortured night/ Give Bird Love/ sweet is your sound/ by the wailing wall
Zu seinem ersten, 1958 erschienenen Gedichtband „River of Red Wine“ (Rotweinfluss, Heartbeat No. 13, Stadtlichter Presse 2005) hat ihm Jack Kerouac ein launiges Vorwort geschrieben und den freien und swingenden Stil seiner Verse gepriesen. In den fünfziger Jahren traf Jack Micheline außerdem mit Langston Hughes, Norman Mailer, Allen Ginsberg, Gregory Corso und vielen anderen Dichtern und Musikern der New Yorker Szene zusammen. Der Maler Franz Kline förderte sein malerisches Talent, der klassische Pianist und Maler Eddie Balchowsky, ein einarmiger Veteran aus dem Spanischen Bürgerkrieg, öffnete ihm die Augen für neue Sichtweisen auf die gewöhnlichen Dinge des Alltags.
Jack Micheline ist jedoch immer unbeirrt einen eigenen Weg gegangen und hat niemandem nach dem Mund geredet. Er gefiel sich in der Rolle des ungehobelten Bad Boys, des klassischen Außenseiters und Einzelgängers. Er war der Wilde Mann, der Kotzbrocken, der sich gern und oft betrank, auf Literaturparties provozierte und kulturbeflissene Damen beleidigte. Dem Literaturbetrieb stand er generell ablehnend gegenüber. Auch die Beat-Dichtung, sofern sie auf höhere Weihen aus war, empfand er als Masche.
Die etwa zwanzig Bücher, die er zu Lebzeiten veröffentlicht hat, sind folglich auch in kleinen Verlagen erschienen und nicht bei City Lights oder der Black Sparrow Press. Er konnte sich rühmen, niemals Unterricht in kreativem Schreiben erteilt und zu keiner Zeit ein Stipendium oder ähnliche Vergünstigungen erhalten zu haben. Allerdings hat er auch nie die Anerkennung genossen, die ein Gregory Corso oder ein William Burroughs bekommen haben, und nach der er vermutlich gleichwohl gestrebt hat. Der einzige Preis, der ihm je verliehen wurde, war der „Revolt in Literature Award“, den er 1957 aus der Hand des Jazzmusikers Charles Mingus empfangen hat. Jack Micheline ist seitdem noch oft zusammen mit Charles Mingus und seiner Band auf der Bühne gestanden und hat in den New Yorker Jazzlokalen und später, in den Siebzigern, nach seinem Umzug an die Westküste, in der San Franciscos Music Hall seine Jazzpoetry rezitiert.
Wegen Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses ist Jack Micheline des öfteren festgenommen worden und hat dabei immer wieder für kurze Zeit das Innere von Haft- und Irrenanstalten kennengelernt. Die Patienten, die er an diesen nicht besonders fröhlichen Orten, den „Wartesälen des Todes“ sah, die Hälfte davon waren Schwarze, beschrieb er u.a. in der Erzählung „Whisky, Wahnsinn und Bellevue“ („Skinny Dynamite. Stories.“). Es überrascht nicht, dass Jack Micheline sich mit Charles Bukowski, mit dem er sich mitunter betrank und zu Pferderennen ging, gut verstanden hat. Im Gegensatz zu Bukowski, für den Dichten gerade mal ein Job gewesen ist, nicht viel anders als der eines Elektrikers oder Schreiners, war für Jack Micheline die Poesie jedoch eine Art heilige Sache, eine echte Botschaft. Die Inbrunst, mit der er sie unter den Massen verbreiten wollte, nötigte sogar dem dafür unempfänglichen “Hank” Respekt ab: „Seine Gedichte sind totale Empfindungen, die mit dem Kopf auf den Boden der Schankstube knallen.“
Am 27. Februar 1998 starb Jack Micheline an Bord eines Pendlerzugs von San Francisco nach Orinda. Zwar hat er zu Lebzeiten nicht den Ruhm eingeheimst, der Ginsberg, Burroughs und Co. zuteil geworden ist, aber immerhin ist vor einigen Jahren eine Straße in North Beach nach ihm benannt worden.
Ein lesenswerter Nachruf auf Jack Micheline, verfasst von seinem Freund und Kollegen A.D.Winans:
http://www.emptymirrorbooks.com/beat/winans-remembers-jack-micheline-1.html
http://www.emptymirrorbooks.com/beat/winans-remembers-jack-micheline-2.html
Egon Günther
Beatlemania!

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
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LangenMüller
Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.
Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.