Peter Henisch: Blood Sweat & Tears, ein Gedicht
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Blood Sweat & Tears:
Wie kann man
eine Rockmusikgruppe
bloß so nennen?
Blut Schweiß & Tränen.
Was ist das?
Das ist ein Versprechen oder
eine gefährliche Drohung
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Was evoziert das,
was
beschwört das herauf?
Erinnerungen
in Schwarzweiß:
Männer,
die in den Krieg ziehen,
Frauen,
die ihnen nachwinken,
Männer
unter Helmen,
die aussehen wie
Don Quijotes
absurde Rasierschüssel,
Frauen mit grauen
Kopftüchern und
mit aufgekrempelten Ärmeln –
Bilder aus Waschküchen und
Munitionsfabriken ...
Eine eingeschlossene Armee,
gesehen von oben,
aus der Perspektive
deutscher Kampfflieger,
Dünkirchen, Dünnschiss,
Charlie Chaplin als Hitler –
(He’s got the whole world
in his hand
oder
mit Gottes Hilfe
doch nicht),
God shave the king –
What goes up,
must come down –
Quod erat demonstrandum,
na bitte –:
Das Victoryzeichen
am Horizont
(in hoc signo
vinces)
und der dicke Mann,
mit der dicken Zigarre,
als Literaturnobelpreisträger
(der Friedensnobelpreis
wäre denn doch
etwas peinlich gewesen) –
Oh du lieber Augustin :
Über große Dinge
muß man groß sprechen,
sagt Nietzsche
oder Albert Drach,
groß,
das heißt zynisch
& mit Unschuld.
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Ob die Kids von heute
solche Assoziationen haben?
Ach was, die Kids von heute
haben wahrscheinlich
überhaupt keine
historischen
Assoziationen,
kurz angebunden
an den Pflock des Augenblicks
wie sie sind.
Aber nein:
Diese Assoziation ist gemein.
Im übrigen zitiert der Autor hiermit
schon wieder Nietzsche –
Wozu habt Ihr eigentlich damals
Marx
& Marcuse studiert
mit heißem Bemühen?
Das fällt heute keinem
mehr ein
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Wir sind ja bitteschön nicht mehr
im neunzehnten Jahrhundert,
ja nicht einmal mehr
im zwanzigsten –
(Manchmal erschrickt man
wenn man sich das
bewußt macht) –
Blood Sweat & Tears heute
(2010)
on Tour:
Zehn ältere Männer,
oben weniger Haare
unten mehr Bauch –
Ihr Bild erinnert an ein Foto von einem Maturatreffen,
geschossen zur Erinnerung an & für
die Lebenden & die Toten:
Child is the father
to the man –
oder wie war das?
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Aber die Stimme auf den
alten CDs
und diese unglaublichen
Bläsersätze –
Hör dir das an.
Es fegt dich weg.
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Und ist ja alles
schon gar nicht mehr wahr,
eigentlich von Anfang an –
Eine Jazzrockgruppe
mit extrem wechselndem
Personal –
Wer soll sich denn bitteschön
all diese Namen merken?
Al Kooper,
Jim Fielder,
Steve Katz,
Bobby Colomby,
Fred Lipsius,
Randy Brecker,
Jerry Weiss,
Dick Halligan –
Aber das waren nur
die ersten 8 –
Zwischen 1967
und 1981
hat die Formation
ungefähr 50 Musiker
verbraucht,
von den in den späten 80ern,
den frühen 90ern,
und dann ab 2007
neu aufgestellten Mannschaften
gar nicht zu reden.
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New York 1967,
guter Ort, gute Zeit.
Erster Auftritt im Cafe Au Go Go,
als Vorgruppe von Moby Grape
(who the fuck was that?)
Das Publikum, lese ich,
war begeistert:
Blood, Sweat & Tears
combines blues, rock and jazz,
and stresses a blazing horn section,
consisting of
saxophone,
trumpets
and trombone ...
Okay,
aber was hat das alles
mit Churchill zu tun?
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Und sind ja nicht einmal
Englishmen in New York
diese guys.
Bloß
David Clayton Thomas
ist wenigstens Kanadier,
aber der kommt erst später –
Vorläufig singt
Al Kooper,
eine Bluesstimme,
die in extremen Lagen
an Eric Burdon erinnert
(I love you / I love you baby /
more than you ever know),
aber auch hintergründig sanft sein kann,
kontemplativ,
lunatisch, philosophisch:
The Modern Adventures of Plato,
Diogenes
and Freud –
Wer in aller Welt
erfindet solche Songtitel :
Refugee From Yuhupitz :
Nein, das war nie
Musik für Kids
(bei uns war dieses blöde Wort
damals noch lang nicht in Mode) –
das war immer
erwachsene Musik
intellektuell glänzend,
ironisch glitzernd,
perfekt gespielt,
einfach so,
just that.
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Dabei hab ich Bigbandsound
nie besonders vertragen –
Selbst
Duke Ellington
nur in kleinen Dosen.
Und das ist es doch beinah:
In Kombination mit David Clayton Thomas’
aufgeregt aufregender Stimme –
Etwas , von dem ich
niemals gedacht hätte,
daß ich es mögen könnte.
Aber es ist
ganz simpel
entwaffnend gut –
Trotz des beschissen
martialischen Namens –
Auch wenn Billie Holiday
ehrlicher klingt,
aus tiefstem Seelengrund
engagierter – :
Das Arrangement
und die Interpretation
der Blood Sweat & Tears- Version
von God Bless The Child
verursacht mir jedes Mal,
wenn ich die Platte oder die CD auflege
eine Gänsehaut
und das immerhin
seit 1969.
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Daß eine Band,
die keine Scheu davor hatte,
eine CD mit Variationen
auf ein Thema von Eric Satie einzuleiten
und in einer ganz bescheiden mit
Blues Part II
betitelten Nummer
Coltrane und Hendrix
zu zitieren,
trotzdem Hits wie
Spinning Wheel,
Hi-Di-Ho,
und Lucretia McEvil
landen konnte,
ohne damit
ihre ganz spezifische
Qualität zu verraten,
ist ein Phänomen.
Mir hat schon ihr Name
so sehr imponiert,
daß ich eine ganz andere Formation
Wiener Fleisch & Blut genannt habe,
aber das ist
kein Vergleich
und überdies
eine ganz andere
Geschichte.
Beatlemania!

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
19,95 EUR D / 20,60 EUR A / 34,50 CHF (UVP)
LangenMüller
Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.
Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.