Barbara Honigmann: Ocean Boulevard bei Berlin (Eric Clapton)
Die Platte kann ich nicht mehr finden. Obwohl ich sie doch immer in meiner Nähe behalten habe, dachte ich, all die Jahre. Und es sind viele Jahre! Die Doppel LP 461 Ocean Boulevard. Natürlich kann ich jetzt ja alles runterladen, aber irgendwo muss die Platte doch sein, ich hab sie wirklich lange gesucht. Zwischen Johann Sebastian Bach und Bela Bartok und den Beatles und Brecht/Weill. Ich kann nicht sagen, dass mich Eric Clapton immer „begleitet“ hat, aber wenigstens war dieses Doppelalbum doch da. Und jetzt kann ich es nicht mehr finden. Wahrscheinlich hat es einer meiner Söhne ausgeborgt. Aber das interessiert die doch überhaupt nicht. Nein, das stimmt nicht, wir haben Eric Clapton auch schon gemeinsam gehört.
Wie oft wir damals den Ocean Boulevard gehört haben, damals, im Sommer. Nein, es war kein Summer of Love. Es war ein Summer of kleine Kinder und überforderte Mütter. Wir waren Freundinnen untereinander. Die Männer waren, ich weiß nicht wo, aber weg waren sie auf jeden Fall. Please Be With Me.
Drei Mütter und drei kleine Jungen in einem großen Landhaus bei Berlin, das uns nicht gehörte. Essen ranschaffen, kochen, lange Spaziergänge, lange Gespräche, große Unordnung. Mit einer Verlängerungsschnur den Plattenspieler vor die Eingangstreppe montiert, damit wir die Platte auch im Garten, wo sich der Tag abspielte, wenn es nicht regnete, hundertmal wieder von vorne auflegen konnten. Plattättä! schrie sogar der allerkleinste von unseren Jungen, wenn I Shot the Sheriff verklungen war, Essen am langen Holztisch, Kinderspiele zu unseren Füßen, Matchboxautos flogen durch die Luft, Chaos, Schrei, Brüll, Zank, Steady Rollin’ Man.
Wer hatte uns eigentlich die Platte rübergebracht? Ich glaube, das war Klaus, das konnte nur Klaus gewesen sein. Habe nie wieder etwas von Klaus gehört. Er hat aber auch John Mayall und J. J. Cale mitgebracht. Dafür danke ich ihm heute an dieser Stelle, auch wenn ich die Platten nicht mehr finden kann. Mein Sohn hat mir einige davon auf den Computer geladen, da leiert es aber nicht so schön.
461 Ocean Boulevard war DIE Platte des Sommers von Anfang an und I Shot the Sheriff the Top of the Tops, weiß Gott, warum. Irgend etwas daran passte damals wohl zu uns, obwohl wir uns sonst nicht im Mainstream bewegten, oder das wenigstens glaubten. Und jetzt finde ich die Platte nicht mehr wieder. Da war doch ein Haus drauf auf dem Cover, wenn man es aufklappte, über die ganze Breite, wahrscheinlich in Florida, wenn es nicht Kalifornien war, jedenfalls weit weg von unserem Haus auf märkischen Sand, in dem wir mit unseren drei Jungs Ferien machten. I Can’t Hold It Out. Wir sangen alle Lieder mit, auch unsere kleinen Jungs. Obwohl wir kaum die Hälfte verstanden, konnten wir darin einen Ausdruck finden: Get Ready
Eric Clapton hatte so ein Babyface, auf der Innenseite des Covers. Nein, er hatte überhaupt kein richtiges Face, ich hätte und habe sein Gesicht nie wiedererkennen können, so unscheinbar, so brav und ohne jede Spur von einem Gemüt, das er doch irgendwo in den Songs versteckt hat. Wann immer ich später noch Fotos von Eric Clapton gesehen habe, dachte ich: Junge, wo ist dein Gesicht? Und erst jetzt, wo er doch auch schon sechzig sein muss, wachsen ihm Züge und Falten wie zu einem echten Gesicht.
Wenn die Kinder endlich im Bett waren, haben wir Mütter die Schokolade ausgepackt, einen Tee gekocht, den Plattenspieler wieder ins Wohnzimmer geholt und die Platte nun ganz in Ruhe gehört und mitgesungen oder wenigstens mitgesummt und danach haben wir gelesen, ohne Brüll, Schrei, Zank. Nein, es war kein Summer of Love. Definitely not. Ich könnte am Alter der Kinder ausrechnen, welcher Sommer das war. Welcher Sommer welchen Jahres. Ich möchte es aber nicht ausrechnen.
Es war der Sommer von drei Müttern mit drei Söhnen, von denen einer nicht mehr am Leben ist.
Beatlemania!

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
19,95 EUR D / 20,60 EUR A / 34,50 CHF (UVP)
LangenMüller
Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.
Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.