Sonja Rudorf: sternschnuppen (The Mamas and the Papas)


Stars fading but I linger on dear, still craving your kiss. Ich erinnere. Ferien. Sonne. Schwimmbad. Limonade. Pommes frites. The mamas and the papas. And evelyn. Ihr kirschroter mund, der den liedtext synchron mit den lippen formte. Dieser mund, diese zeilen. Dream a little dream of me. Nichts leichter als das! Am liebsten bei songs unserer bevorzugten band, die damals schon längst out war. The mamas and the papas. Und zuhause mama und papa. Warteten seit geraumer zeit mit dem mittagessen. Ich sah meine mutter zum wiederholten male die gardine am fenster beiseite schieben und die straße bis zu ihrer biegung mit den augen absuchen, während mein vater ungehalten das besteck am esstisch neu anordnete. Sie würden warten müssen; evelyn, das schwimmbad und diese musik, das war einfach zu viel konkurrenz.
Daheim dann, zwei stunden nach der zeit, die große schelte. Standpauke. Fernsehverbot. Als ob das etwas nützte gegen schicksalhafte verbindungen. Evelyn und ich. Und the mamas and the papas. Das war liebe auf den ersten blick. Wir und die vier tanzenden musiker, siebzigerjahrefrisuren, bunte hemden, john philipps an der gitarre, denny dohertys butterweicher tenor. Dazu die frauen. Michelle philipps mit ihrem blonden haar, dem geraden, beinah mageren körper direkt neben der unglaublichen mama cass, cass elliot, dick und stimmgewaltig, und immer in kniehohen stiefeln, die sie unter ihren umhangartigen kleidern trug.

Ich und evelyn und meine verliebtheit und diese folk-rock-gruppe und ihr einzigartiger sound und flower-power und blumengefühle. Ich erinnere.

Wir fuhren mit den rädern an die nordsee, sechszehnjährig, unbeeindruckt von verboten und wild auf das vor uns liegende. Freiheit atmen, gegenwart schmecken, den verrücktesten seiten in sich nachgehen. Go where you wanna go, sang cass elliot. Und sie hatte recht! Ganz gleich ob san Francisco oder die nordsee – die welt öffnete sich, wo immer jemand eintreten wollte.
Es roch nach dem sand der dünen, nach salz, meer, freiheit, nach dem, was man gerne als unbegrenzte weite bezeichnet, weil man den begriff für das schmerzhaft schöne gefühl der wunschlosigkeit im außen sucht.

Nicht benennbares glück, ich erinnere. The mamas and the papas. Aufbruch, freigeist, ungefiltert durch die kopfhörer des walkmans, ohne den wir nicht an den strand gegangen sind, nachts oft, in einer düne kauernd, den süßen himbeerwein aus plastikbechern, manchmal direkt aus der flasche, die hände ineinander verhakt. Dazu michelles stimme am ohr, so weich und hauchig, als säße ihr ein flaum auf den stimmbändern, und dann setzte cass machtvoll ein, john und denny folgten, eine spur weicher, und dieser sound der vier untermalte mein glück mit einem klangteppich, der mein herz berührte.

Das abi kam, darauf die trennung. Evelyn war fort, und mit ihr das blumengefühl. Dachte ich. Mein frisch begonnenes literaturstudium belehrte mich eines besseren. Das waren sie wieder, die siebziger, zumindest spürte man schwache nachwehen dieser ära. Vielleicht nicht gerade im kastenförmigen betonbau der juristen. Da regierten paragraphen, repititorien, aktenkoffer. Und bei den germanisten? Endlosreferate, strickliesel, chomsky und die marxistische linke, immer bereit, das seminar durch fragen zu sprengen. Die siebziger fand man auf dem campus oder im koz. Vergilbte musikposter an den wänden, nackte stühle, holztische wie vom sperrmüll. Hippiezeit und selbstbestimmung ließen sich hier noch atmen, bei käsebrot und kaffee, der natürlich aus nicaragua kam. Langes haar wurde jetzt in bänder gezurrt, die abgegriffene taz weitergereicht, während aus den lautsprechern – man glaubt es kaum – „california dreaming“ erklang.

„california dreaming“, ein lied, so alt wie ich, 1966 in die charts gekommen, ein welthit, der durchbruch für die jungen musiker und von jeher mein lebenselexier, wenn es grau um mich zu werden drohte. Jedes wort sauge ich auf, jede silbe, jedes energiegeladene gefühl, von dem denny doherty reichlich in seine stimme legt. Ich erinnere.

Ich bin in der blüte der flower-power-zeit geboren, wenn auch kein produkt ihrer auswüchse. An der westküste wechselten die menschen im glauben an die freie liebe ihre partner. Mir wurden zu der zeit die ersten windeln gewechselt. Und doch. Ein hauch jener zeit. Wehte herüber. Wurde mir in die wiege gelegt? Sicher ist zumindest: der flower-power lebt. In mir fort.
„i saw her again last night“ , „do you wanna dance“, „Monday, Monday“, „dancing in the street“ – kleine sternschnuppen, unlöschbar in mein herz gebrannt. Sie flittern noch heute durch meinen alltag.

Viel später erst habe ich mich mit den helden meiner frühen und späten jugend und ihrem werdegang näher beschäftigt. Auflösung der band nach zwei jahren, ehescheidung, solokarrieren; das lebensgefühl der vier, in leib und liedern verkörpert, schien nicht für alle zeiten konservierbar. Ihrer einmaligkeit kann dies jedoch nichts anhaben. Oder um es mit den mamas und papas zu sagen:

nothing`s quite as sure as change!


Beatlemania!
50 Jahre Beatles! Wir feiern mit einem sensationellen Bildband von Fans für Fans, mit Insider-Stories, fantastischen Fan-Fotos, Dokumenten und Faksimiles.

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
19,95 EUR D / 20,60 EUR A / 34,50 CHF (UVP)
LangenMüller

Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.

Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.