Stan Lafleur: Anschwellen und Verschwinden (Hüsker Dü)


In irgendeinem Laden in irgendeiner Nacht in irgendeiner Stadt kam ein Typ auf mich zugeschossen, der sich für sehr witzig und kommunikativ hielt. Er zerstocherte mit auffälligen Bewegungen die Luft mit seinem rechten Zeigefinger und stellte mir eine Frage, von der er behauptete, es sei eine so gute Frage, daß er sie ständig Fremden stelle, weil sie so gut zum Kommunizieren animiere. Die geniale Frage lautete: „Welches ist die beste Band der Welt?“ „Wie meinstn das?“ „Na, welches ist für dich die beste Band der Welt?“ „Sowas gibts doch garnicht.“ „Doch, doch, sag schon, du kennst eine!“ „O.k., wenn du so fragst, dann Hüsker Dü.“

Mit Hüsker Dü bin ich spät infiziert worden, Sommer 1987, drei Monate vor Auflösung der Band. Olaf, mein Nachbar im Zivi-Wohnheim, wollte meinen Musikgeschmack aufbessern. Olaf war ein Schlawiner und hatte sogar einen echten Bankräuber zum Onkel. Einmal besuchten wir den Onkel, auf den der Neffe wegen der alten Geschichte mit der Bank besonders stolz war, in seiner Bude im tiefsten Ruhrgebiet (genau dort wo's nicht mehr tiefer reingeht). Die Bude war dunkel und der Onkel saß mitten darin am Tisch und kiffte und träumte unter seiner angegrauten Hippiematte von einem Goldschatz in den Anden. Die zehn Jahre für den ziemlich gescheiterten Bankraub schien er ähnlich abgesessen zu haben, ein sympathischer Kerl, leider etwas einsilbig. Als Bankräuber wirst du schwerlich fürs Sprechen bezahlt. Olaf für seinen Teil schien damals hauptsächlich davon zu leben, sich bei allen möglichen Leuten Geld zusammenzuleihen. (Auch mir schuldet er noch - in D-Mark!) Zwar hatte er einen regulären Zivi-Job - an seiner Dienststelle kannte man ihn jedoch nur perifer. Hin und wieder kam dieses oder jenes hübsche Mädchen aus dem Ruhrgebiet vorbei und räumte den Müll aus seinem Zimmer, der dort ganz von selbst zu fantastischen Skulpturen heranwuchs. Olaf besaß neben einem beachtlichen Repertoire an Ausreden die seltene Fähigkeit, sich mitten im Raum in Luft aufzulösen, was ihm insbesondere bei unerwarteten Besuchen jener annähernd zahlreichen Gestalten zugute kam, die er erst wortreich angepumpt und direkt danach vergessen hatte. Olaf war sehr musikinteressiert und als er plötzlich einen Zimmerkumpanen zugeteilt bekam, der auch musikinteressiert war, gründeten sie stante pede eine Band, die sie Shmuel Goldberg macht Überstunden mit Jossele und noch einen nannten. Dieser Olaf also wollte meinen Musikgeschmack aufbessern. Zu diesem Zwecke stellte er mir an einem seiner besten Tage ein Mixtape zusammen, darauf zu hören unter anderem Zappa, Cream, The Doors, Micko Russell samt seiner irren Tin Whistle, eine unschlagbare Acapella-Version von „Why Paddy's not at work today“ und der lokale Kellerhit „Befreit Martin Semmelrogge“ von Stunde X. Das waren schon feine Sachen, aber alle wurden sie weit überstrahlt von der Energie dreier Songs auf der zweiten Seite: „Too far down“, „Hardly getting over it“ und „Dead set on destruction“. Sowas hatte ich tatsächlich noch nie zuvor gehört. Ein seltsam melodiöser Krach, der gegen die gesamte Welt anzuschwellen schien, genau der Krach, der mir als jungem Mann vonnöten war, mich darin einzurichten. Ich hatte lediglich bis dato nichts von einer solchen Notwendigkeit gewußt. Dieser sich wuchtig meiner Seele aufdrängende Krach stammte von einer Platte namens „Candy apple grey“, natürlich war diese Platte von Hüsker Dü, einer Band, über die längst alles geschrieben steht, während Shmuel Goldberg macht Überstunden mit Jossele und noch einen damals nach ihrem ersten Auftritt bei einem legendär-gewalttätigen Zivi-Festival (inklusive Zerstörung der Location) schnell den Bach runtergingen. (Olafs Zimmernachbar hats seitdem immerhin zum Keyboarder von Kreidler gebracht.)

Ich habe mir jedenfalls nach und nach alles verfügbare Tonmaterial von Hüsker Dü besorgt, auch die Bootlegs, und gehöre zu den wohl selteneren Erdbewohnern, die sich das erste Album „Land speed record“, weil es für heftigen fysischen und psychischen Durchzug sorgt, ungeschützt bis zum schnellen Schluß und das sogar mehr als einmal angehört haben. Vermutlich hatte dieses ultrabrutale Geknüppel auf mich eine therapeutische Wirkung, denn schießlich war es schon recht schwierig, ernsthaft mit dem eigenen Wahnsinn zu kokettieren, solang man nur DAS anschaltete und die gesamte mittlere Umgebung davon durchblasen ließ. Als Hüsker Dü sich auflösten, kam Olaf sehr erschlagen zu mir rüber und klagte, dies sei für ihn wie der Tag, an dem der Weihnachtsmann gestorben sei. Ich konnte mich nicht an den Todestag des Weihnachtsmanns erinnern. Daß ich die Band, die auch ich von allen am meisten schätzte, wohl nie live erleben würde, begriff ich damals noch nicht als typisches Zeichen für diese seltsam freischwebende Zwischengeneration, der ich angehöre. Und zwei der drei hüskerschen Einzelteile, Grant Hart und Bob Mould, bekam ich bald nachgereicht, auf Solokonzerten oder mit ihren neuen Bands, man mußte sie sich nur zusammendenken und den Bassmann dazu, denn tatsächlich spielten sie ein paar Hüsker Dü-Lieder auf diesen Konzerten, eben jeweils ihre selbstverfaßten. Meine Platten sind in der folgenden vagen Zeit in einer anderen Welt verloren gegangen, das war der wirre Kosmos meiner Jugend und Songs und Musikstücke wie „She`s a woman and now he is a man“, „Girl who lives on heaven hill“, „Diane“ oder „Reoccurring Dreams“ lieferten den perfekten Soundtrack dazu. Heute, da all diese Songs und dazu noch viele Privataufnahmen von unterschiedlichen Hüsker Dü-Konzerten auf Youtube zu finden sind, erschreckt mich diese unstillbare Sehnsucht, die aus fast allen Stücken klingt. Sie wächst sich bis in die Gegenwart aus und tausende Nostalgiker schreiben ihre Kommentare dazu.

„Hüsker Dü?“, fragt der Kerl, der von mir den Namen der besten Band der Welt wissen wollte. „Kennste nicht?“ „Doch, aber das hat noch niemand zuvor geantwortet.“ „Was antworten die Leute denn sonst so?“ „Beatles oder Stones. Eigentlich immer dasgleiche.“ „Dann scheint sich die Fragerei ja zu lohnen. Weißte was, geh doch mal an den Tresen und frag, ob sie was von Hüsker Dü auflegen wollen.“ „Klar, Mann.“ Sobald er mir seinen Rücken zudrehte, bin ich schnell aus dem Laden verschwunden.

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Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.

Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.