Thomas Kapielski: The Tonekneaters
Als sich Nils Krüger 1970 noch im Umfeld Uli Treptes bewegte und gelegentlich bei Guru Guru vorbeisah, hatte er längst den Tonkneter erfunden. Ein erstaunlich virutuoses Instrument: Gebläse alter Staubsauger bringen Gummimembrane zum Schwingen, die tonreich zu bespielen sind. Später kamen noch Schlundharfe, Schlauchknatter, Baßblase, Rüttler, Trommeltuba hinzu; sie klingen genauso, wie er sie genannt hat. Und die Sachen waren laut! Nach trefflicher Aussage eines Free-Jazzers, könnte Krüger mit seinem Instrumentarium mühelos ein ganzes Donaueschingen- und sonstiges Freejazz- und Moers-Fest bespielen! Er braucht hierzu Gehilfen, weswegen wir zu viert, manchmal sechst die Tonkneter gründeten, die im SO 36 aber fügsamer als The Tonekneaters tosten. (Auf meiner Ringkompressor-CD habe ich ein Stück mit Krüger im Duo eingespielt: Das Bettstättische Edikt – da kann man die Instrumente hören. Oder hier kann man die Knatter und die Trommel auch sehen: http://live.focus.de/videos/Tonkneter+Musikvortrag/1917/14319/videos/suche/sortierung/datum)
1982 wurden die Tonekneaters von Heiner Goebbels in die Frankfurter Batschkapp eingeladen. Wir waren fünf, mieteten einen Kleinbus, den ich steuerte, weil ich der einzige war der noch oder überhaupt einen Schein hatte. So kam ich auch recht nüchtern in Frankfurt an. Der Auftritt sollte am nächsten Tag sein, deshalb ging ein beachtlicher Feldzug durch Sachsenhausen los, den ich noch sehr gut in Erinnerung habe, weil ich, wie gesagt, bis dahin die Irrenanstalt nüchtern chauffiert hatte und um einiges an Verwirrung zurücklag.
Als den Massen verbundene Kulturschaffende landeten wir in der Sachsenhausener Äbbelwoi-Großstubb Germania. Im Auto hatten die Jungs und das Mädel schon zwei Kästen Bier und Wodka aus dem Intershop verräumt. Und ich stieg jetzt endlich mit ein, nachdem die Jungs und das Mädel sich wieder nüchtern gesoffen hatten. Wir bestellten den höchstmöglichen Liter-Bembel gleich mehrmals hintereinander. Ulli Polomski, ehemaliger Schöneberger Box-Juniorenmeister, nunmehr, glaubt immer keiner, Mathematiker, hatte die Neigung, in fortgeschrittenem Zustande konfliktlustig zu werden, wobei er, Gott sei Dank, noch immer einigermaßen Freund und Feind zu scheiden wußte und seine Kinnhaken letztlich auch immer sehr gutmütig gemeint waren. Den Nachbartisch hatte er dem Freundeslager zugeschlagen. Er hievte den Zehn-Liter-Bembel ab und an mit einer Hand hinüber, rüttelte ihn wie verrückt, so daß etliches davon überschwappte, und sprach dazu die einfühlsam, versöhnlich gemeinten Frankfurter Worte: "Schwibbele! Schwabbele!"
Die Sache wurde nicht unamüsiert aufgenommen. Der Nebentisch hob seinerseits die Viertel und machte auch Schwibbele-Schwabbele. Dies allerdings befeuerte unsern Ulli, die Sache zu forcieren, insbesondere das Schwappen. Die Damen tupften schon indigniert mit Tempos an den Kostümen herum, und alles putzte Brille. Nun gut, der Nebentisch wollte friedlich bleiben, hatte wohl auch dem Ulli seine Boxernase in Schlußfolgerung gezogen und setzte sich, als es ihm zu viel wurde mit der Spritzerei, einfach einen Tisch weiter. Damit war die Sache erledigt. Der Kellner hatte schon einschreiten wollen, aber "wir machen ditte schon selba mit unsan Ulli!" Da goß er nun also den Speierling brav über unsere Häupter, und alles war wieder gut.
Dann passierte allerdings etwas Unvorhergesehenes. Ein Heilsarmist betrat, wie gewöhnlich marineblau uniformiert, die Germaniastubb und bot seine Zeitung an, die Kriegsruf hieß. Damals, Anfang der achziger Jahre, gärte es in Europa um Auf- und Ab- und Nachrüstung. Unser Ulli war ein besessener, vulgo besoffen auch militanter Kriegsgegner und wähnte nun, bei Ansicht dieses harmlosen Soldaten Gottes und gar seines Kriegsrufes, trotz unserer Aufklärungsbemühungen, einen leibhaftigen Bundeswehrteufel vor sich und riß diesem Epauletten und Dienstmütze runter. Dann setzte er sich diesen Schirmhut selbst verkehrt herum auf und riß mit aller Kraft den Stapel von etwa dreißig Kriegsrufen in der Mitte, en bloc! auseinander.
Da setzte nun allerdings eine Art Toleranzfuror des polyglotten Frankfurters gegen uns preußische Dumpf- und Boxerleute ein, und während wir nun unsern Ulli allesamt festhielten, damit nicht noch Schlimmeres passierte, sprach der Kellner ein ewiges Hausverbot über uns aus, obwohl ich, als einstweilen besonnenster unter uns fünfen, dem erschrockenen Heilsarmisten längst alles erklärt, Entschuldigungen ausgesprochen und auch die Kriegsrufe großzügig vergütet und sogar noch die Offiziersmütze vom Ulli heruntergeschnappt und sie dem Heilsarmisten geputzt zurückgegeben hatte. Die Schulterstücke waren freilich hin.
Dann zogen wir unter bitterster Zurücklassung von beinnahe noch sieben Litern bezahlten Äbbelwois geschlossen hinaus. Hierbei fiel dem Kellner wieder was auf. Unser Ulli hatte sich entschlossen, ein volles Glas zur Wegzehrung mit hinaus zu nehmen. Prompt flitzte der Köbbes hinterher: "Ei, jungä Mann, des Glaas, gell! Lasse Se des do, gell! Des kost vierfötzisch! Gell?"
Kellner und Ulli sahen sich an. Es entstand eine eigenartige Pause. Bis unser Ulli unvermutet "Gell!?" sagte, und wir alle mit ansahen, wie er das Glas aus seinem Griff rutschen ließ, wie es runterflog. Und wie es auf dem Stein zerbarst. Dann fixierte Ulli den Kellner und stellte ihm die knifflige Frage: "Und wieville kostet dit jetzte?"
Nun schauten alle zum Kellner. Was wird er antworten? Wie steht es um seine Schlagfertigkeit? Dieser drehte aber sofort ab und keifte, daß er jetzt unwiderruflich, "gell!", Verstärkung und Polizei rufen werde. Wir flogen schnell ums Eck und flüchteten in die nächste, ähnliche Einrichtung.
Da nun keine Feindgruppen mehr vorhanden waren, nur noch die Jungs und das Mädel, warf uns unser Ulli feindlich gesinntes Gebaren vor sowie, wörtlich: "Verrat und Niedertracht in Situationen, wo man zusammenhalten muß!" Dann raste, beziehungsweise wankte er davon, wedelte ein Taxi ran und flog ab.
Ohne ihn fielen wir in Heiner Goebbels Wohngemeinschaft zur Nacht ein. Heute steht er gut da und würde uns wohl besser und lieber im Hotel unterbringen. Er ist ein freundlicher Mensch, und wir sind und waren schwierig.
Am folgenden Tag vernölter Aufbau im Batschkapp. Und plötzlich Ulli wieder da! Alle freuten sich, und er sah sogar besser aus als wir anderen vier. Wie er allerdings dort hingekommen sei, wo er, sehr komfortabel und freundlich übrigens, geschlafen habe, und wer die überhaupt gewesen seien, das könne er gar nicht sagen. Beim Frühstück jedenfalls hatten alle dort behauptet, man würde sich kennen. "Ick kannte die aba nich!" schwor unser Ulli verwundert. "Bis heute nich! - Na, is ejal."
Auftritt war gut, und dann sind wir wieder nach Hause.
Beatlemania!

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
19,95 EUR D / 20,60 EUR A / 34,50 CHF (UVP)
LangenMüller
Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.
Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.