Gunna Wendt: Last Waltz at Lone Star Café (The Band)

In Memoriam Jürgen Olschewski

Als ich Ende April 1980 in New York eintraf, um meine Freundin Ulrike zu besuchen, die im Rahmen eines DAAD-Stipendiums an der Columbia University studierte, stürzte ich mich sofort auf das musikalische Veranstaltungsprogramm der Stadt. Ich entdeckte kein großes spektakuläres Rock-Konzert und war zunächst enttäuscht: Big Apple – ohne Big Rock Event? Ulrike wies mich auf die zahlreichen kleineren Clubs hin, die ich übergangen hatte, und plötzlich hellte sich meine Stimmung auf: Rick Danko und Richard Manuel traten im Lone Star Cafe auf. Am nächsten Tag schon. Fast die halbe „Band“ - wunderbar!

Szenenwechsel: 27. Juni 1978 - Autobahn Hannover-Dortmund
Wir fahren zu viert in einem alten grasgrünen Opel Rekord-Caravan zum Bob Dylan-Konzert. Es ist sein erstes Deutschland-Konzert überhaupt. Das wurde mir allerdings erst viel später bewusst. Die Dortmunder Westfalenhalle ist komplett ausverkauft. Zum ersten Mal hören wir live die verfremdeten Songs:
„Was singt er denn da?“ – „All along the watchtower!“ – „Quatsch, die Melodie ist doch ganz anders!“ Dann folgt die Bestätigung von der Bühne.

Wir sind überwältigt, unser Fahrer sogar so sehr, dass er wenige Tage später nach Berlin reist, um Dylan dort in der Deutschlandhalle zu erleben.

Ich laufe in den nächsten Plattenladen und kaufe mir „Before the Flood“: Dylan! The Band! The Weight!

Kurze Zeit später sehen wir uns in derselben Besetzung im Raschplatzkino Hannover „The Last Waltz“ an und warten auf Dylans Auftritt. Er ist einer der Stars, die lange und erfolgreich mit The Band gearbeitet haben und nun mit ihnen im Winterland Palace in San Francisco Abschied feiern. Martin Scorcese hat dieses spektakuläre Ereignis der Rockgeschichte, das Thanksgiving 1976 stattfand und fünf Stunden dauerte, verfilmt.

Seine Hauptdarsteller sind:
Garth Hudson, Organ, Accordion, Saxophone, Synthesizers
Levon Helm, Drums, Mandolin, Vocal
Richard Manuel, Piano, Keyboards, Drums, Vocal
Rick Danko, Bass, Violin, Vocal
Robbie Robertson, Guitar, Piano, Vocal

Sie lernten sich Anfang der 1960er Jahre durch Ronnie Hawkins kennen, gehörten den legendären Hawks an, bevor sie sich selbständig machten. Wenige Jahre später wurden sie von Dylan entdeckt. Mit ihm nahmen sie unter anderem 1967 die „Basement Tapes“ auf. Ihre Art, Country mit Rock zu verbinden, war unvergleichlich. „The Night They Drove Old Dixie Down“ wurde wohl ihr bekanntester Song – unzählige Male gecovert.

Während des Films erzählen sie ihre Geschichte – in Gesprächssequenzen und vor allem beim Spielen: Das glücklich-verzückte Gesicht Robbie Robertsons lässt mich noch lange lächeln, wenn ich nur daran denke. Rick Danko wirkt nervös und viel jünger als die anderen, Richard Manuel still-verträumt, Levon Helm kraftvoll-energisch, Garth Hudson introvertiert-genial.

„Es ist hart, immer unterwegs zu sein, viele halten es nicht aus“, gesteht Robbie Robertson im Verlauf des Films. Deshalb sei es wichtig, selbst den Punkt zu bestimmen, an dem man aufhören sollte – „how to quit with class“. Und einer, ich glaube, es war Richard Manuel, weist darauf hin, dass sich alles verändert hat, auch die Frauen: „Women have changed“. Dann singt Joni Mitchell – ein toller Cut.

Alles hat sich verändert – Thomas Brasch bringt es in seinem Gedicht „Und der Sänger Dylan in der Deutschlandhalle“ auf den Punkt: „Die Wetter schlagen um: / Sie werden kälter./ Wer vorgestern noch Aufstand rief, / ist heute zwei Tage älter.“

1986 lese ich, dass sich Richard Manuel umgebracht hat. Während einer Tournee hat er sich in seinem Hotelzimmer erhängt. Es heißt, er habe an Depressionen gelitten und sei alkohol- und drogensüchtig gewesen.

Plötzlich bin ich wieder im Lone Star Café in New York, 5th Avenue/13 th Streeet. Ulrike und ich besuchen das erste Konzert an diesem Abend – es finden zwei hintereinander statt, alles klar geregelt, sogar die Zahl der Zugaben. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird der Club geräumt, die nächsten Besucher warten wie im Kino auf die nächste Vorstellung. Da ist der riesige Security Mann, der dem Film „Taxi Driver“ entsprungen sein könnte und dem ich versehentlich auf den Fuß trete, was er mit einem Hochziehen seiner Augenbrauen kommentiert.
An unserem Tisch wird offensichtlich Gras geraucht. Ein Mann fragt nach den Zigaretten, auch Ulrike und mich, und ich murmele etwas von „strange“ und „cigarettes“, worauf einer wiederholt: „strange cigarettes“ und alle lachen.

Rick Danko singt „Stage Fright“ mit großer Hingabe: “And for the price that the poor boy has paid, / He gets to sing just like a bird.” Richard Manuel bleibt eher verhalten, drängt sich selbst in den Hintergrund. Seine Stimme scheint noch höher geworden zu sein, manchmal klingt das heisere Falsett so wie ein letztes Aufbegehren vor der endgültigen Sprachlosigkeit.

Robbie Robertson widmet seinem toten Freund 1987 einen Song, „Fallen Angel“, in dem es heißt: „I don´t believe it´s all for nothing / It´s just written in the sand/ Sometimes I thought you felt too much / And you crossed into the shadowland.”

2004 erhalte ich den Auftrag, für ein Psychiatrie-Buch über das Phänomen Lampenfieber zu schreiben. Sofort habe ich Rick Dankos Stimme im Ohr: „See the man with the stage fright / Just standin´ up there to give it all his might. / And he got caught in the spot light, / But when we get to the end / He wants to start all over again.” Bei meiner Recherche stoße ich auf die Nachricht, dass er im Dezember 1999 gestorben ist. Es heißt, er sei ganz ruhig eingeschlafen, in seinem Haus in Woodstock.

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LangenMüller

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Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.