San Francisco Renaissance vs Beat Generation

You can't call a generation "a few people".
Gregory Corso

1957 wurden die Gesch�ftsf�hrer der in San Francisco gegr�ndeten City Lights Buchhandlung und ihres Verlags, Lawrence Ferlinghetti und Shegeyoshi Murao, nach einer langen Gerichtsverhandlung von der Anklage, eine obsz�ne Schrift zu verbreiten, freigesprochen, und infolgedessen wurde die durch den US-Zoll erfolgte Beschlagnahme von Allen Ginsbergs nicht allein deshalb ber�hmten Langgedicht Howl aufgehoben.

Heimlicher Held dieses Gedichts ist der in heruntergekommenen Hotels und Besserungsanstalten aufgewachsene Herumtreiber, �Bumser und Adonis von Denver� (Ginsberg), Neal Cassady, der in Myriaden gestohlener Autos durch Colorado hurte�, und gewidmet ist es dem Dadaisten Carl Solomon, der damals im Irrenhaus von Rockland einsa�, gewisserma�en stellvertretend f�r viele Abweichler von der Normalit�t der Nachkriegsjahre in eine Zwangsjacke gesteckt und mit Elektroschocks von seiner Andersartigkeit �geheilt�.

Ansto� bei den Beh�rden erregten Passagen, in denen der schwule Dichter Ginsberg �die besten K�pfe seiner Generation zerst�rt vom Wahnsinn, hungrig hysterisch nackt�, sah, wie sie �Polizisten in den Nacken bissen und vor Freude kreischten in den Streifenwagen, weil ihr einziges Verbrechen war, begeisterte P�derasten und berauschte Genie�er zu sein, die Genitalien und Manuskripte schwenkten, sich von Motorrad-Engeln in den Arsch ficken lie�en und schrien vor Lust...�

San Francisco war damals der liberale Hafen im verstockten Amerika der Eisenhower-�ra und � vielleicht neben dem New Yorker Greenwich Village � f�r die aufs�ssige und umtriebige Boheme der nordamerikanischen Au�enseiter ungef�hr so anziehend wie das Katalonien der Vorkriegszeit f�r Anarchisten und Sozialrevolution�re aus aller Welt. Auch den ehemaligen deutschen Revolution�r und Schriftsteller Franz Jung hatte es in den F�nfzigern nach Kalifornien verschlagen, von wo aus er seine exilierte Genossin Ruth Fischer wissen lie�:

�Ich habe hier auf Matticks Veranlassung eine Reihe Leute aufgesucht. Individual Marxisten, Anarcho Marxisten, Anarchisten und die hier ziemlich verbreiteten De Leon Leute (nach ihrem F�hrer, Daniel De Leon, benannte Syndikalisten, die neben den Industriegewerkschaften noch eine revolution�re Partei f�r notwendig halten; d. Verf.). Die meisten sind sehr nette Leute, keinesfalls sektiererhaft verbohrt, international belesen, meist in ausreichenden Jobs [...] Einige wie der Dichter Kenneth Rexroth, der Herausgeber von Resistance, David Koven, und die Leute um den Dissent vertreten uramerikanische alte IWW Tradition.�

Der einstige Wobbly, Wanderarbeiter, Kriegsdienstverweigerer und Krankenw�rter Rexroth veranstaltete in der Bay Area mit The Anarchists Circle Konferenzen und Dichterlesungen, hatte den Radiosender KPFA mitbegr�ndet und war eine Zeit lang Motor einer ziemlich lebhafen Szene, der etwa der vom Anarchismus inspirierte pazifistische Schriftsteller und Maler Kenneth Patchen sowie der Surrealist Philip Lamantia angeh�rten. Rexroth war es auch, der im Oktober 1955 die legend�re Lesung in der Six Gallery moderierte, bei der Allen Ginsberg zum ersten Mal vor Publikum auftrat und sein Geheul vortrug, eine Anklage gegen den monstr�sen kapitalistischen Moloch, �dessen Schornsteine und Antennen die St�dte kr�nen�.

Dies war aber bei weitem nicht die tats�chliche Geburtsstunde der Beat Generation, denn Ginsberg war dem Frankokanadier Jack Kerouac und dem exzentrischen Junkie William S. Burroughs � Spr�ssling einer der reichsten Familien Amerikas � bereits eine gute Dekade zuvor begegnet, an der Columbia University in New York. Der literarische M�nnerbund, der gemeinhin als die Keimzelle der Beats gilt, entstand in einer schw�len Augustnacht 1944, als der gemeinsame Freund Lucien Carr einen allzu aufdringlichen Verehrer mit dem Fahrtenmesser abstach und die Leiche in den Hudson rollte. Bevor Carr sich der Polizei stellte, suchte er um Hilfe und fand Rat bei dem Trio, das sich �als verlorener Teil einer Generation� (Kerouac) unbescheiden anschickte, die amerikanische Literatur zu renovieren. Burroughs und Kerouac fiktionalisierten sogleich den Hergang in einem Roman, der allerdings jahrzehntelang unver�ffentlicht blieb. (Und die Nilpferde kochten in ihren Becken, Nagel & Kimche, Z�rich 2010).

Obschon sie recht gut miteinander konnten, Kerouac und Ginsberg sammelten etwa des s�chtigen Meisters Burroughs chaotisch verstreute Texte, �berarbeiteten sie, fungierten zudem als Titelgeber f�r Naked Lunch und bet�tigten sich mitunter als Literaturagenten in der Sache des jeweils anderen, k�nnen ihre Werke dennoch unterschiedlicher nicht sein. Kerouac kultivierte einen radikal subjektiven Stil, alles geradeso niederzuschreiben, wie es kommt, um somit zu einer singenden und swingenden Dichtung des �Heiligen Wahnsinns� zu gelangen. Ginsberg hingegen feilte an seinen spontan wirkenden Gedichten. Die Endlospapierrolle, auf die Kerouac den Urtext von On the Road tippte, hatte �brigens Lucien Carr besorgt, der nach der in der Besserungsanstalt verbrachten Zeit in ein Nachrichtenb�ro wechselte, wo er dann irgendwann die Polizeiberichte redigierte.

Ginsberg schrieb zwar Zeilen wie �Amerika ich weine den Wobblies nach� oder �Wann wirst du deiner Million Trotzkisten w�rdig� und engagierte sich gegen den Vietnamkrieg, doch in erster Linie ging es ihm und den meisten Beats um lusthafte Selbstverwirklichung, um Sex, Rausch und Geselligkeit. In sp�teren Jahren arbeitete er auch weitgehend unkritisch mit einem faschistoiden tibetischen Lama zusammen, der mithilfe von CIA-Geldern in Colorado eine buddhistische Universit�t gr�ndete. Kerouac verhehlte ohnehin nie seine Ablehnung des Kommunismus und linksradikaler Seinsweisen.

Bevor der meist schwarzgekleidete, rebellische �Hipster� bzw. der rauscherprobte, jazzbegeisterte und promiske �Beatnik� zu einem Stereotyp der amerikanischen Kultur wurde und damit zu einem Exportschlager, der die im Mief der Wachstumsjahre zu ersticken drohende Jugend der westlichen Welt bereits in den Startl�chern fand, begierig, umgehend auf Achse zu gehen und �Engel, Kif und neue L�nder� auszuprobieren, hatte sich Kerouac selbst immer noch der San Francisco Renaissance zugerechnet.

Den Begriff Beat, was bekanntlich �fertig, erledigt, geschlagen� und zugleich �gl�ckselig� bedeuten kann, hat angeblich der Seemann und Times-Square-Junkie Herbert Huncke gepr�gt, und John Clellon Holmes hatte bereits 1952 dem ekstatischen Treiben der um etliche Lebenshungrige erweiterten Gruppe um Kerouac, Cassidy & Co. durch einen Artikel in der New York Times mit dem Titel �This is the Beat Generation� landesweit Aufmerksamkeit verschafft.

Gab es bei den Beats, neben Diane di Prima, deren Gro�vater m�tterlicherseits Anarchist war, eigentlich auch Frauen? Ja, die gab es, und l�ngst nicht alle warteten nur darauf, dass irgendwann einmal Kerouac bei ihnen vorbeikam, wie es der Buchtitel von Joyce Johnson zu suggerieren scheint: Warten auf Kerouac. Ein Leben in der Beat Generation. (Verlag Antje Kunstmann, M�nchen 1998).

Gregory Corso, auch er ein aus Waisenh�usern und Gef�ngnissen kommender Beat Dichter, beantwortete einst eine diesbez�gliche Frage: �Ich kannte sie, ihre Familien schafften sie in Anstalten, wo man ihnen Elektroschocks verabreichte. In den F�nfzigern konnte man ein Rebell sein, sofern man m�nnlich war, aber wenn du eine Frau warst, lie� deine Familie dich einsperren. Derlei F�lle kamen vor. Irgendwann wird jemand dar�ber schreiben.� Aber dar�ber vielleicht ein andermal.

Egon G�nther


Aus: SyndiKal 2017 - Kalender f�r das Ende der Lohnarbeit, Syndikat-A Medienvertrieb, Moers

Beatlemania!
50 Jahre Beatles! Wir feiern mit einem sensationellen Bildband von Fans für Fans, mit Insider-Stories, fantastischen Fan-Fotos, Dokumenten und Faksimiles.

1. Auflage 2010, ca. 140 Seiten, mit über 100 Fotos, Dokumenten u. Faksimiles
ISBN: 978-3-7844-3221-2
19,95 EUR D / 20,60 EUR A / 34,50 CHF (UVP)
LangenMüller

Als sie noch live auftraten, wurden sie von ihren Fans in einem Maße verehrt, wie es keiner anderen Popgruppe je zuteil wurde. Der Kult um die vier Jungs aus Liverpool hält bis heute ununterbrochen an. Die Beatles haben die Musik revolutioniert und die Menschen begeistert. Die Beatles und ihre Fans – das ist ein seit damals andauerndes Liebesverhältnis, fast schon eine Weltanschauung. In diesem aufwändig und liebevoll gestalteten Album wird diese besondere Beziehung dokumentiert – mit vielen raren, zum Teil unveröffentlichten Fotos und Texten. Ein Buch von Fans für Fans.

Mit Texten von Horst Fascher, Lisa Fitz, Chuck Hermann, Jürgen Herrmann, Chris Howland, Klaus Kreuzeder, Gabriele Krone-Schmalz, Uschi Nerke, Abi Ofarim, Brian Parrish, Helmut Schmidt, Manfred Sexauer, Tony Sheridan, Pete York uvm.
Fotos von Bubi Heilemann, Werner Kohn, Ulrich Handl, Rainer Schwanke, Frank Seltier, Günter Zint u.a.