: ARD: Widerstand gegen Einigung mit Verlegern
Der Konflikt, den die Zeitungsverleger mit ARD und ZDF wegen ihrer Internet-Angebote austragen, steht, anders als in der vergangenen Woche berichtet wurde, keineswegs vor einer Einigung. Das legen Briefe und Mails nahe, die innerhalb der ARD kursieren. Sie richten sich gegen die ungewollt bekanntgewordene Friedenserklärung der Verhandlungsführer. An mehreren Stellen werden derzeit Gegenpositionen erarbeitet. Die Debatte überschattet die heute beginnende Tagung der ARD-Intendanten in Erfurt.
Eigentlich sollte die „gemeinsame Erklärung von BDZV, ARD und ZDF“ einen Schlussstrich ziehen unter den Streit, was die mit Gebühren finanzierten Sender im Internet dürfen und was den Wettbewerb verzerrt – zumindest aus Sicht der Verlage, die auf die Vermarktung ihrer Online-Inhalte angewiesen sind.
Der Streit war eskaliert, als acht Zeitungsverlage (darunter auch der dieser Zeitung) stellvertretend für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) eine Klage gegen die Tagesschau-App eingereicht haben. Der Richter des Landgerichts Köln riet jedoch, die gegnerischen Parteien sollten versuchen, den Zwist auf andere Weise zu klären.
Also setzten sich die Verhandlungsführer an einen Tisch. Das Ergebnis ist jene Erklärung, in der steht, dass die Telemedien-Angebote von ARD „bei der inhaltlichen und gestalterischen Anmutung (…) fernseh- und hörfunkähnlich“ zu halten seien, während die Online-Angebote von Verlegern vorrangig aus Text und Foto zu bestehen hätten. Abweichungen seien die Ausnahme.
Aus der flächendeckend lokalen Berichterstattung hätten ARD und ZDF sich herauszuhalten. Die Vereinbarung gelte zunächst ein Jahr und könne in beiderseitigem Einvernehmen jederzeit verlängert werden.
Widerstand von ARD- und ZDF-Journalisten
Dagegen regt sich Widerstand. In einer Mail schrieb Georg Berg, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse, an die „liebe Frau Piel“: Da solle wohl „ein neues Medium in die Kategorien eines alten einsortiert werden“. Der Mail hängt ein gemeinsamer Appell an, in dem die Intendanten aufgefordert werden, „keinem Kompromiss zuzustimmen, der die Zukunft von ARD und ZDF im Internet gefährdet.“ Parallel erinnerte die für die Online-Koordination der ARD zuständige Heidi Schmidt SWR-Intendant Peter Boudgoust an seine Zuständigkeit als „Online-Intendant“ der ARD. Auch sie bittet ihn, „der Erklärung in dieser Form (…) nicht zuzustimmen“.
So könne nicht sein, dass ARD und ZDF bei aktuellen Ereignissen, zu denen noch keine Audiodateien und Videos vorliegen, mit der Berichterstattung warten müssten, um bloß keine Texte zu verwenden, die mit Online-Angeboten der Zeitungen konkurrieren. Erst recht sei dieses Zugeständnis unsinnig, da der Rundfunkstaatsvertrag zwar regle, die Online-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen dürften nicht „nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen und Zeitschriften entsprechen“. Gemeint seien aber die Druckausgaben nicht die Online-Auftritte.
Im Übrigen seien RSS-Feeds, Flash-Anwendungen oder Suchalgorithmen ebenso wie Text, Foto und Bild „Teil eines globalen Instrumentariums“ und „weder von den Rundfunkanbietern in Deutschland noch von den Pressehäusern in Deutschland entwickelt“ worden. Sie seien folglich „keineswegs pressetypisch“ und „deshalb nicht dazu geeignet, die Onlineauftritte der Pressehäuser von denen anderer Anbieter in Deutschland (und der Welt) abzugrenzen“.
Öffentlich-Rechtliche ohne klare Position
Piel erklärte in ihrer Antwort an Berg, die Hinweise zwar ernst zu nehmen. Die Erklärung sei jedoch „weitgehend ausverhandelt“. Weitgehend bedeutet: unter jenen, die von ARD-Seite mit am Tisch saßen. Das waren, abgesehen von Piel, NDR-Intendant Lutz Marmor, der im kommenden Jahr den ARD-Vorsitz übernehmen soll und diese Baustelle wohl lieber nicht erben will, und Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, dem eine Nähe zu den Zeitungsverlegern unterstellt wird.
Allen anderen Intendanten wird Piel in Erfurt wohl erst einmal vermitteln müssen, welche „medienpolitische Chance“ sie in der Erklärung „für die Entwicklung von ARD und ZDF in der digitalen Zukunft“ sieht – und warum tagesschau.de und die dazu gehörende App, die doch Kern des Streits sind, in der Erklärung nicht mit einem Wort vorkommen.