Ralf Kellermann hatte keine Chance. „Trainer in den Pool“, rief eine Schar seiner Wolfsburger Spielerinnen. Dabei schoben sie den Übungsleiter in den Katakomben des Kölner Stadions vor sich her in Richtung Kabine, um ihn ins Entmüdungsbecken zu werfen. Kellermann, der das Traineramt nach der Saison aufgibt, ergab sich widerstandslos in sein Schicksal.

„Ich bin sehr glücklich, dass wir es wieder geschafft haben, dem Druck standzuhalten“, hatte er vorher erklärt; im Hinblick auf das 2:1, das sich der VfL Wolfsburg vor 17 000 Zuschauern im DFB-Pokalfinale am Sonnabend gegen den tapferen, aber spielerisch unterlegenen SC Sand erkämpft hatte – in einer am Ende spannenden Hitzeschlacht bei mehr als 30 Grad.

Nach einer schwachen ersten Halbzeit traf die dänische Stürmerin Pernille Harder, die erst seit Dezember für Wolfsburg spielt, zweimal für den nach dem Seitenwechsel überlegenen VfL (65./75.), der aber noch zittern sollte. Denn Alexandra Popp sah die Rote Karte, da sie Schiedsrichterin Ines Appelmann einen Vogel gezeigt hatte (77.).

Am Ende war es brenzlig

Sand kam durch einen glücklichen Treffer von Jovana Damnjanovic auf 1:2 heran (78.). Der Ball prallte vom Pfosten an den Rücken der Wolfsburger Torhüterin Almuth Schult – und von dort ins Tor. Ganz am Ende gab es noch Gelb-Rot für Wolfsburgs Sara Gunnarsdottir (90.+5). Ein Treffer fiel aber nicht mehr. „Mit der ersten Hälfte bin ich überhaupt nicht einverstanden.

Das war unsere schwächste Halbzeit seit Monaten. In der zweiten Hälfte haben wir das Spiel in die Hand genommen“, klagte Kellermann, „mit dem 2:0 war es eigentlich durch, dann gibt es diese Rote Karte. Selbst die hätte uns nicht so sehr geschadet, wenn wir nicht direkt das 2:1 kassieren. So war es am Ende brenzlig, und ich bin heilfroh, dass in der Nachspielzeit nicht noch das 2:2 fällt.“

Kellermann macht Posten frei

Die VfL-Spielerinnen machten somit das Double aus Meisterschaft und Cup-Erfolg perfekt, den DFB-Pokal gewannen sie zum dritten Mal in Serie. Sie waren entsprechend euphorisch und befanden sich in ausgelassener Partylaune. „Halb besoffen ist rausgeschmissenes Geld“, hatte Nationaltorhüterin Almuth Schult angekündigt.

Allein: Angemessen feiern durften sie jedoch nicht. Die Klubleitung hatte es ihnen untersagt, am Sonntag nach der Heimkehr auf dem Rathausplatz der Autostadt einen Empfang zu zelebrieren. Der „gesamte VfL“ sei „komplett auf die Relegation fokussiert“, hieß es in einer Mitteilung auf der VfL-Homepage. Am Montag kämpft die Wolfsburger Männermannschaft im Rückspiel gegen Braunschweig um den Verbleib in der Bundesliga. 

„Es ist schwierig nachzuvollziehen, das Feierverbot“

Deshalb soll die Party der Frauen „bewusst erst zum Start der kommenden Saison“ stattfinden. Dann werde man „gebührend feiern“, erklärte Geschäftsführer Tim Schumacher. Ablenkung war jedoch gar nicht möglich. Das Männerteam befand sich am Wochenende nicht in Wolfsburg, sondern von Freitag- bis Sonntagabend in einem Trainingslager in Ostwestfalen.

Kellermann hatte das Feierverbot vorab als sehr hart bezeichnet. „Das hat uns wehgetan“, sagte der 48-Jährige. Und wenn die Feier dann nachgeholt werde, seien einige Spielerinnen gar nicht mehr beim Verein. „Es ist dann nicht mehr das Gleiche“, fügte der Frauenfußball-Welttrainer des Jahres 2014 hinzu. „Es ist schwierig nachzuvollziehen, das Feierverbot“, sagte Alexandra Popp.

Montag werden die Daumen für die Männer gedrückt

Am Sonnabend wollten Kellermann und seine Spielerinnen sich die Freude durch das wenig einfühlsame Vorgehen des Vereins nicht verderben lassen. Kellermann wird sich nach neun Jahren in Doppelfunktion als Wolfsburger Trainer und Sportlicher Leiter künftig allein auf das letztere Amt konzentrieren, sein Nachfolger wird sein bisheriger Assistent Stephan Lerch.

Der Coach sagte: „Wir werden am Montag alle gemeinsam in der Kabine das Relegations-Rückspiel der Männer verfolgen, sie anfeuern und Daumen drücken. Wir sind davon überzeugt, dass wir am Montagabend alle etwas zu feiern haben.“

Und seine Keeperin Schult klagte: „Verstehen muss man das nicht, ich sage aber lieber nicht mehr, denn sonst rede ich mich um Kopf und Kragen. Jetzt wird gefeiert, „Es ist schwierig nachzuvollziehen, das Feierverbot“