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„Alte Liebe“ rostet nicht

Das Ehepaars Elke Heidenreich / Bernd Schröder im Dialog

© Die Berliner Literaturkritik, 08.09.10

MÜNCHEN (BLK) – Im September 2009 ist der Roman „Alte Liebe“ von den Eheleuten Elke Heidenreich und Bernd Schroeder im Hanser Verlag erschienen.

 

Klappentext: Alte Liebe rostet nicht. Aber die Zeit ist an Lore und Harry nach 40 Jahren Ehe nicht spurlos vorbeigegangen. Die leidenschaftliche Lore hat Angst, bald mit dem frisch pensionierten Harry untätig im Garten zu sitzen. Nur in einem sind sich die Alt-Achtundsechziger einig: Ihre Tochter Gloria hat alles nur Mögliche im Leben falsch gemacht! Nun will Gloria in dritter Ehe einen steinreichen Industriellen heiraten, der auch noch ihr Vater sein könnte. Wie konnte es so weit kommen? Elke Heidenreich und Bernd Schroeder erzählen in umwerfenden Dialogen die Geschichte eines Ehepaars, in der sich eine ganze Generation wiedererkennen kann. Komischer sind die Szenen einer Ehe noch nicht erzählt worden.

Elke Heidenreich ist einem breiten Publikum als Fernsehjournalistin und Autorin zahlreicher Bücher bekannt. Sie wurde 1943 in Korbach geboren und studierte nach dem Abitur Germanistik, Publizistik, Theatergeschichte und Religionswissenschaft. Sie arbeitet(e) als Autorin, Kabarettistin, Moderatorin und Opernlibrettistin. Ihr Mann Bernd Schroeder, von dem sie getrennt lebt, ist Jahrgang 1944, und arbeitet ebenfalls erfolgreich als Autor und Regisseur. Ihm wurden u.a. der Adolf-Grimme-Preis und der Deutsche Filmpreis zuerkannt. (kum/ros)

Leseprobe:

©Hanser©

Das gibt wieder endlose Diskussionen. Und am Ende werden wir doch hinfahren. Aber zuerst muss ich mir die ganze Litanei anhören, immer und immer – Damit will ich nichts zu tun haben, Das interessiert mich nicht mehr, Natürlich ist sie meine Tochter, aber ihr Privatleben geht mir allmählich am Arsch vorbei, Auf welcher Müllkippe hat sie diesen Kerl nun wieder gefunden … Ich hör es schon. Ich würde ihm am liebsten sagen: Harry, halt jetzt einfach den Mund, sag jetzt einfach gar nichts, nimm den Brief hin, lass uns zu dieser idiotischen Hochzeit fahren, ja, es ist eine idiotische Hochzeit, ja, du hast recht, aber es ist nun mal unsere Tochter und ich finde es völlig müßig, alles jetzt noch mal von vorn durchzukauen. Was für ein Theater aber auch mit diesem Kind. Ich ärgere mich über Harrys Kommentare, die ich schon jetzt höre, als hätte er sie bereits losgelassen, ich kenn doch meinen Harry. Aber er hat recht, verdammt noch mal, er hat recht. Glorias Leben ist eine einzige Katastrophe. Sechsunddreißig Jahre, der dritte Mann, eine entsetzliche Ehe nach der anderen. Und dieser Mann ist auch falsch, ich fühle das. Eine Mutter fühlt so was. Das geht auch schief. Was haben wir bloß falsch gemacht mit diesem Kind. Sie war so ein süßes kleines Mädchen, blonde Locken, diese Sternenaugen, wie schön sie Klavier gespielt hat. Wir haben sie nie zu irgendwas gezwungen. Als sie die Schule abbrechen wollte, haben wir sie gelassen, als sie nach Indien wollte, haben wir sie gelassen, wir haben sie immer gelassen, vielleicht war das falsch. Sie wollte nicht so leben wie wir. Das wollen Kinder ja nie. Aber mein Gott, wie leben wir denn, ist das denn so schlecht? Immerhin hat unsere Ehe alle Stürme überdauert, eine 68er Ehe, das muss man erst mal bringen. Und Gloria – schon der dritte Ehemann. Die vielen überflüssigen Affären gar nicht mitgezählt. Ich weiß nicht, was ich Harry sagen soll. Ich sage erst mal gar nichts. Ich lass ihn den Brief lesen. Da muss er jetzt durch. Und ich auch.

„Hast du gelesen?“

„Ja, natürlich.“

„Dann sag was.“

„Lore, was soll ich da denn sagen? Du weißt alles, was ich dazu sagen könnte.“

„Sie ist unsere Tochter, Harry.“

„Natürlich ist sie unsere Tochter. Sie bleibt auch immer unsere Tochter. Aber du weißt genau, dass mir ihr desaströses Privatleben allmählich am Arsch vorbeigeht.“

„Ich wusste, dass du das sagen würdest.“

„Warum fragst du dann.“

„Wir fahren also nicht?“

„Du kannst gern fahren, keiner hindert dich. Aber ich habe keine Lust, schon wieder einen dieser Kerle kennenzulernen, die sie auf irgendwelchen Müllkippen findet.“

„Sie ist Mitte dreißig. Vielleicht ist es …“

„Sie ist bald Ende dreißig und es ist dieselbe Scheiße wie immer. Warum muss sie eigentlich jedes Mal heiraten? Wie spießig ist das eigentlich?“

„Wir haben auch geheiratet.“

„Ja. Einmal. Damals. Aus Liebe.“

„Liebe.“

„Ach, jetzt war es nicht mal mehr Liebe?“

„Darüber diskutier ich mit dir nach vierzig Jahren nun wirklich nicht mehr.“

„Wie gesagt, du kannst gerne fahren, ich guck mir diesen Basedow nicht an.“

“Bredow.”

“Bredow, Basedow, Ossi, oder?”

„Kann sein. Ich weiß es nicht, Harry, er hat viel Geld, schreibt sie. Sie wäre endlich – na ja, versorgt.“

„Ich hör wohl nicht richtig. Muss sie versorgt werden? Die hat doch eine Ausbildung!“

„Sie hat drei Ausbildungen, sie hat nichts abgeschlossen, sie hat das Kind, sie hat immer gearbeitet, aber du weißt doch selbst, dass das alles nicht rosig war. Nicht rosig ist. Warum soll nicht mal ein reicher …“

„Besser als dieser Schluffi.“

„Schluffmann. Das ist nun zwanzig Jahre her, Harry, sie war siebzehn, mein Gott.

„Indien. Schluffi-Hochzeit in Indien. Ich sag am besten gar nichts mehr.“

„Ja, dann lass es doch. Ich fahr jedenfalls hin.“

©Hanser©

Literaturangabe:

HEIDENREICH, ELKE / SCHROEDER, BERND: Alte Liebe. Hanser Verlag, München 2009, 192 S., 17,90 €.

Weblink:

Hanser Verlag


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