ZÜRICH (BLK) – Der Gedichtband „Die Namen der Sehnsucht“ von Nazim Hikmet ist im Juli 2008 beim Ammann Verlag erschienen.
Klappentext: Das Werk von Nâzým Hikmet ist ein Meilenstein der modernen türkischen Literatur. Schon zu seinen Lebzeiten galt er als Star-Poet, dessen Texte zu Liedern, Parolen und geflügelten Worten wurden. Seine Gedichte sind zugleich Erlebnis und Dokumentation des 20. Jahrhunderts. Die Neuübersetzung von Gisela Kraft erschließt endlich auch die existentielle Dimension dieses außergewöhnlichen Lyrikers. Ihre Auswahl ist eine Reise zu den Lebensstationen Hikmets: vom zarten Debüt des Elfjährigen aus Istanbul bis hin zur ironischen Skepsis im Moskauer Exil. Sie vollzieht seinen künstlerischen Werdegang nach und zeigt den Dichter in allen seinen Wandlungen: als Liebenden und Freund, als Kämpfer und Agitator, als Romantiker und avantgardistischen Sprachspieler. Hikmets Ton ist mal zweifelnd, verzweifelnd, mal maßlos mutig, mal lakonisch komisch – aber immer voll poetischer Intensität.
Nazim Hikmet wurde 1902 in Saloniki geboren und wuchs in der kosmopolitischen Atmosphäre Istanbuls auf. Zeitlebens blieb der politisch engagierte Dichter in seiner Heimat verfolgt. Sechzehn Jahre verbrachte er im Gefängnis, zwölf Jahre lebte er im Exil. Er starb 1963 in Moskau. Sein Publikationsverbot wurde in der Türkei erst 1965 aufgehoben.
Leseprobe:
©Ammann Verlag©
ICH LIEBE DICH, wie ich Brot
in Salz tunke und verzehre,
wie ich in der Nacht, vom Fieber geweckt,
den Mund an den Wasserhahn presse und trinke,
wie ich ein rätselhaftes, schweres Postpaket
öffne, argwöhnisch und fröhlich,
ich liebe dich, wie wenn ich zum ersten Mal
im Flugzeug das Meer überquere,
wie etwas, das sich in mir rührt, wenn weich
der Abend über Istanbul hereinsinkt,
ich liebe dich, wie ich sage: Danke – wir leben.
27. August 1960
DIE REISE
Ein Dichter macht eine Reise
von einem Meer unserer Welt
blickt er auf einen Stern.
Ein Dichter geht auf die Reise
von dem Meer eines Sterns
blickt er auf unsere Welt.
Dichter sind auf Reisen
auf den Meeren des Weltalls
blickt einer den anderen an.
Mittelmeer, 1960
WILLKOMMEN BABY
du bist an der Reihe mit Leben
auf dich warten Stickhusten Diphtherie Schwarze Pocken
Malaria Schwindsucht Herzinfarkt Krebs usw.
Elend Erwerbslosigkeit und dergl.
Zugunglück Busunglück Flugzeugabsturz Arbeitsunfall
Erdbeben Sturmflut Dürre und dergl.
Schwermut Trunksucht usw.
Gummiknüppel Knast usf.
auf dich wartet die Atombombe und dergl.
willkommen Baby
du bist an der Reihe mit Leben
auf dich warten Sozialismus Kommunismus und dergl.
Leipzig, 10. September 1961
FÜR VERA
Sie sagte komm doch
Sie sagte bleib doch
Sie sagte lach doch
Sie sagte stirb doch
Ich kam
blieb
lachte
und starb
1963
©Ammann Verlag©
Literaturangaben:
HIKMET, NAZIM: Die Namen der Sehnsucht. Aus dem Türkischen von Gisela Kraft. Ammann Verlag, Zürich 2008. 360 S., 29,90 €.
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