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Die schönsten Bücher 2010

Lesenswertes für das neue Jahr

© Die Berliner Literaturkritik, 30.12.09

Von Frauke Lengermann

BERLIN (BLK) – Zu den weithin bekannten und beliebten Bräuchen der Silvesternacht zählt es zweifellos, sich nach dem Genuss des obligatorischen Fondues im Kreis enger Freunde wein- oder bereits sektselig die Zukunft herbeizuorakeln.

Neben den eisernen Neujahrs-Vorsätzen (Diät, Sport, Rauchfreiheit) soll das neue Jahr schicksalhaft größere oder kleinere Wunder im Lebensentwurf (Liebe, Karriere, Finanzen) bringen. Diese gilt es nun, anhand der phantasievollen Auslegung bizarr geformter Bleiklumpen oder dem Interpretieren von Tarot-Karten zu bestimmen.

Glücklicherweise braucht es keinerlei Orakel, sondern nur den Blick in die Frühjahrskataloge der Verlage, um vorherzusagen, dass 2010 ein viel versprechendes Bücherjahr werden wird. Allein die deutschsprachige Literatur bietet viel Lesenswertes. Wie zum Beispiel den neuen Erzählungsband der preisgekrönten Autorin Kathrin Röggla mit dem Titel: „die alarmbereiten“ (S. Fischer Verlag). In ihren Geschichten beleuchtet sie den Ausnahmezustand der Gegenwart im Zeichen von Finanzkrise, Klimakatastrophe und Entführungsfällen.

Auch Clemens Meyer beschäftigt sich mit der Jetzt-Zeit und ihrer Krisenhaftigkeit: Sein drittes Buch „Gewalten“ (S. Fischer Verlag) beschreibt im Stil von Tagebuchnotizen ein Jahr im Leben seiner Romanfigur, der neben Schreibblockaden auch der Niedergang der Weltordnung zu schaffen macht. Wem an einer Relativierung der gegenwärtigen Krisenstimmung gelegen ist, dem sei das erstmalig 1954 erschienene und jetzt von Thea Dorn wieder aufgelegte Buch „Die Lust am Untergang“ (Eichborn Verlag) des Zeitkritikers Friedrich Sieburg ans Herz gelegt. Wie Thea Dorn ganz richtig feststellt: Das Buch hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt!

Den erfreulicheren Aspekten des Lebens – insbesondere der Liebe – widmet sich die in Frankreich lebende Autorin Anne Weber in ihrem zweiten Roman „Luft und Liebe“. Auf elegante Weise erforscht sie die Abgründe der Liebe. Eine betörende Entdeckung ist auch der Erzählungsband „Flamingos“ (Schöffling & Co Verlag) von Ulrike Almut Sandig. Die aus Sachsen stammende Autorin, die auch eine Absolventin des Literaturinstituts Leipzig ist, hat bislang mit Lyrik Furore gemacht, beweist aber nun ihr Talent für Prosa.

Für Lyrikinteressierte steht dieses Frühjahr ein besonderes Schmankerl auf dem Programm: Eine Anthologie deutschsprachiger Gedichte von Nietzsche bis Celan, mit dem Titel „Beständig ist das leicht Verletzliche“ (Ammann Verlag). Und für die Freunde der leichteren Muse: Der erheiternde Schweden-Erlebnisbericht von Christoph Borchelts mit dem schönen, an Astrid Lindgren gemahnenden Titel: „Überall ist Lönneberga. Ein Deutscher unter Schweden“ (Blessing Verlag).

Auch der Blick über den Tellerrand lohnt sich: Arundhati Roy, die mit ihrem fulminanten Romanerstling „Der Gott der kleinen Dinge“ Millionen begeisterte, setzt ihr soziales Engagement mit dem wortgewaltigen Essayband „Aus der Werkstatt der Demokratie“ (S. Fischer Verlag) fort. Und besonders Fans des Südafrikaners J.M. Coetzee, dessen Roman „Schande“ jüngst in einer Filmadaption im Kino zu sehen war, dürften über die Erscheinung seines neuesten autobiographischen Werkes „Sommer des Lebens“ (S. Fischer Verlag) erfreut sein.

Der Hanser Verlag hat gleich ein ganzes Feuerwerk herausragender literarischer Neuerscheinungen im Angebot. Das fängt an bei Philip Roths neuestem Roman „Die Demütigung“, setzt sich fort mit „Das wilde Kind“ (einer Variation des Wolfskindmythos von Bestsellerautor T. C. Boyle) und endet noch lange nicht mit dem Briefroman „A und X. Eine Liebesgeschichte in Briefen“ des großartigen englischen Schriftstellers und Booker-Preis-Trägers John Berger.

Besonders erfreulich: Die Grand Dame der US-amerikanischen intellektuellen Elite, die 2004 verstorbene Susan Sontag, hat mit ihren Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 1947-1963 einen Platz im Verlagsprogramm gefunden („Wiedergeboren“, Hanser Verlag).

Natürlich gibt es im kommenden Jahr auch auf dem Gebiet des Sachbuches einiges zu entdecken. Das digitale Zeitalter mit seiner Netzwerkkultur und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft wird analysiert in Nicholas A. Christakis und James H. Fowlers Werk „Connected! Die Macht sozialer Netzwerke und warum Glück ansteckend ist“ (S. Fischer Verlag ). Mit dem Thema Essen und Ernährung beschäftigt sich die Journalistin Tanja Busse in ihrem Sachbuch „Die Ernährungsdiktatur. Warum wir nicht länger essen dürfen, was uns die Industrie auftischt“ (Blessing Verlag). Und für die wissbegierigen Freunde der schönen Literatur hat der Germanist Andreas Kraß in seiner literaturwissenschaftlichen Studie das Undine-Motiv unter die Lupe genommen: „Meerjungfrauen. Geschichten einer unmöglichen Liebe“ (S. Fischer Verlag).

Jene, die es lieben, sich vorlesen zu lassen, können 2010 auf einen ganzen Strauß attraktiver Hörbuchangebote des DAV (Der Audio Verlag) zurückgreifen. Der neue Roman von Paul Auster „Unsichtbar“ (Rowohlt Verlag) wird von Schauspieler Burghart Klaussner sehr ausdrucksstark vorgetragen. Um das Liebesleiden einer treulosen Ehefrau dreht sich das neue Buch der skandalumwitterten französischen Autorin Catherine Millet mit dem Titel „Eifersucht“ (Hanser Verlag), welches ebenfalls vertont wurde. Und wem nach dem Stéphenie-Meyer-Hype noch immer der Sinn nach Vampirsagas steht, der kann sich das Hörbuch zu dem Buchtitel „Der Fürst der Finsternis“ von Anne Rice zulegen – hierbei handelt es sich um den zweiten Band der legendären „Chronik der Vampire“.

Da man bekanntermaßen sein Kind niemals zu früh an das Kulturgut Buch heranführen kann, soll auch ein kurzer Blick in das Kinderbuchprogramm geworfen werden. Michael Sowa beispielsweise hat Mozarts Oper „Die Zauberflöte“ in Kindermärchen umgeschrieben, so dass eine Beschäftigung mit Mozarts klassischem Werk kindgerecht und lustvoll gelingt („Prinz Tamino“, Aufbau Verlag). „Die schönsten Kindergedichte“ (Aufbau Verlag) hat Max Kruse ausgewählt, und wenn in Ihrem Kind ein kleiner Poet oder eine kleine Poetin steckt, kann ihr Kind ihn/sie hier spielend entdecken. Oder einfach nur Spaß haben! Wie mit der Anthologie „Ein Pudel spricht zur Nudel. Komisches für Kinder“ mit Texten von Christian Morgenstern, Cornelia Funke und Robert Gernhardt (Aufbau Verlag).

Zum Schluss bleibt festzustellen, das Jahr 2010 verspricht ein aufregendes und facettenreiches Bücherjahr zu werden und es bleibt nur noch zu hoffen, dass man die Möglichkeit hat, sich im Arbeitsalltag ein paar Mußestunden für hingebungsvolles Schmökern im Lieblingssessel freizuhalten. In diesem Sinne: viel Spaß beim Lesen!


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