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Gelassen alt werden

Anselm Grüns neuer Ratgeber „Leben ist jetzt“

© Die Berliner Literaturkritik, 29.07.09

Anselm Grün ist der wohl bekannteste Benediktinermönch Deutschlands. Seine Vorträge, Schriften und Kurse werden viel besucht und gelesen. Wenn er sich zu Wort meldet, findet er Gehör, und dies nicht nur in der christlichen Welt. Das mag daran liegen, dass der promovierte Theologe und Philosoph nicht nur ein außergewöhnlicher Rhetoriker ist. Er hat auch Betriebswirtschaft studiert und leitet als Finanzchef der Abtei Münsterschwarzach ein mittelständisches Unternehmen. Grün lebt mitten in der Realität, sein spirituelles Zentrum ist das Kloster.

Grüns neues Werk trägt den Titel „Leben ist Jetzt — Die Kunst des Älterwerdens“. Alt wollen alle werden, nur nicht älter. Jungsein ist in, konstatiert Grün. Wir tun alles, um die Zeichen des Älterwerdens zu ignorieren, zu kaschieren, ja weg zu operieren. Damit nehmen wir uns die Chance, das Altern als tiefe, menschliche Erfahrung zu erleben, die uns reifer und letztlich weiser werden lässt, schreibt er. Der Autor lädt den Leser dazu ein, sich auf das Älterwerden aktiv einzulassen, zu sich selbst zu finden, sich dabei nicht vom Zeitgeist bestimmen zu lassen, sondern immer mehr auf seine innere Stimme zu hören.

Altwerden ist für ihn Wandel: Die körperlichen Kräfte lassen nach, dafür wächst die Erfahrung, und die verbleibende Kraft wird effizienter genutzt. Ein junger Mensch muss sich beweisen, sich noch seinen Platz in der Gesellschaft erkämpfen, der Ältere hat ihn gefunden und kann gelassener sein. Es geht Grün darum, dass der Älterwerdende immer mehr zu seinem eigenen Rhythmus findet und dies als beglückende Erfahrung wahrnimmt. Nicht mehr von äußeren Zwängen bestimmt sein, gebe die Freiheit, authentisch zu werden.

Für Grün bedeuten der Rückzug aus dem aktiven Berufsleben, das Loslassen der Kinder, die sich verändernden Beziehungen, nicht, sich aus dem Leben zu verabschieden. Vielmehr eröffne sich Raum für Neues. Das Vergangene als Schatz an Weisheit und Erfahrung — auch zum Weitergeben an die Nachgeborenen — zu erleben, ohne darin zu verharren, und neugierig auf die Zukunft zu bleiben, dazu ermutigt Grün.

Der Autor beschönigt die Malaisen des Alterns keineswegs. Gebrechlicher, ja krank zu werden, den Beruf — und damit oft den Status der eigenen Bedeutung — aufzugeben, den Partner zu verlieren — all dies sieht auch er als schwere Brüche im Leben jedes Einzelnen. Gleichwohl böten Krisen die Chance, sich darauf zu besinnen, was geblieben ist. Sich unnütz zu fühlen, darüber depressiv zu werden, ist eine Erfahrung, die viele alte Menschen machen. Diesem Gefühl sollte man sich nach Meinung des Verfassers stellen, es als Einladung annehmen, das Älterwerden zu akzeptieren und loszulassen.

Wenn das Ende des Lebens näher kommt, spielt Spiritualität eine immer größere Rolle. Grün definiert sie als „Weg in das eigene Innere“. Sie lasse uns auf den Grund unserer Seele gelangen und schaffe so Vertrauen in uns, in die Menschen und vielleicht in Gott. Damit ließen sich die Ängste angehen, die alle Menschen haben, vor allem vor dem Tod. Diese begleite uns stets, sei aber kein Hemmschuh, sondern ein Aufruf, jeden Tag bewusst zu leben.

Anselm Grüns Buch ist eine Einladung zum Reflektieren, zum Innehalten, zum Abwägen, zum dialektischen Denken. Es ist ein kluges, ruhiges Werk in einer hektischen, oftmals geschwätzigen Welt.

Von Susanna Gilbert-Sättele

Literaturangabe:

GRÜN, ANSELM: Leben ist jetzt — Die Kunst des Älterwerdens. Herder Verlag, Freiburg 2009. 239 S., 17,95 €.

Weblink:

Herder Verlag


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