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Hermann Hesse - „Das Glasperlenspiel“

Das Spätwerk des schwäbischen Schriftstellers als Hörbuch

© Die Berliner Literaturkritik, 25.05.10

Von Marco Gerhards

Ludus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Luder. Ha, wie geil ist das denn! Und wie falsch dazu, denn das ist natürlich die frech-fesche Eigeninterpretation und Einstiegslist eines Wortes, das viel Gewichtigeres zu symbolisieren hat. Ludus, so entnehme ich meinem Latein-Duden, der mich seit Jahr und Tag begleiten darf, ist einerseits Spiel, Zeitvertreib und Kurzweil, also beste Unterhaltung, und andererseits kann man es mit Schule, im speziellen auch Musikschule übersetzen, was weniger nach Spaß und Abenteuer als nach Ernst des Lebens klingt. Ein paradoxes Wort, so könnte man heute meinen, und wahrscheinlich deshalb eine treffliche Vorlage für einen Meister, der es gewohnt gekonnt verstand, aus jenen Vorgaben die Unergründlichkeit der Welt in doppelbödige Strukturen zu fassen.

Hermann Hesse hieß der Meister und entwarf Josef Knecht, den Magister Ludi, den Meister also des Spiels und der Schule, den Fachmann für Verantwortung und Freiheit, wenn man so will. Der Autor selbst war einer, der den Spannungsbogen zwischen den Extremen des Lebens meisterlich in Worte fassen konnte. „Das Glasperlenspiel“ ist sein letzter bedeutender Roman, er entstand im langen und politisch alles andere als spielerischem Zeitraum zwischen 1931 und 1943. Drei Jahre später übrigens bekam Hesse dann den Nobelpreis für Literatur, nicht explizit für dieses Werk, aber ganz offensichtlich war die schwedische Jury davon begeistert. Wie überhaupt von dem Lebenswerk des geborenen Schwaben, das interessanterweise nicht mehr als zehn Romane umfasst; ein ungewöhnlich kleines Oeuvre, verglichen mit seiner Reputation und den meterlangen Werksausgaben, die allenthalben die germanistischen Bibliotheken füllen.

Der Magister Ludi Josef Knecht offenbart in seinem Wesen, seinem Forschen und seinem Drang, die Dinge verstehen und meistern zu wollen, den anonymen Mahner, der die intellektuelle Welt der abgeschotteten Wissenschaft, der elitären Zirkel und der gehobenen Selbstbeweihräucherung nicht revolutionär kritisiert, sondern metaphorisch demaskiert - ein typisches Stilmittel Hesses, das weniger auf Konfrontation als auf psychologische Kniffe zu setzen weiß. Der Erfolg seines Werkes war auch über den Nobelpreis hinaus maßgeblich, so zum Beispiel für den umgangssprachlichen Ausdruck Glasperlenspiel, welcher eitles und unkreatives Hantieren zum bloßen Selbstzweck meint; die abgehobenen Lehrmeister der hier beschriebenen Akademien und das Glasperlenspiel selbst sind damit gemeint.

In der Mitte der Gesellschaft Kastaliens, dort wo der Schauplatz dieser Geschichte ist, steht also das Spiel mit den Glasperlen. Es stellt eine Beschäftigung mit Wissenschaft und Kunst, mit Feingefühl und Intuition, mit Wissen und Macht dar. Es ist die Ausgeburt einer Idee, die im göttlichen Tanz der Zahlen und alter Harmonielehren schon früher angedeutet wurde. Hesse verfeinert, exemplifiziert und nihiliert es schließlich, denn als reines Schulspiel akademischer Meister kann man damit nicht weiterkommen. Der Zusammenhang zwischen Individualität und Gesellschaft, zwischen persönlicher Freiheit und kollektiver Verantwortung, zwischen Spiel und Schule offenbart sich hier also, die Eingangspassage deutete das an.

Den Wert oder die Kraft des Inhalts zu durchleuchten, ist hier weniger nötig, als die Umsetzung des Buches als Hörspiel vom Hörverlag. Um es positiv zu formulieren: Hesse selbst hätte an diesem verschachtelten, stereophonen, nicht selten kakophonen Auswüchsen moderner Aufnahmetechnik seine helle Freude gehabt. Von links und rechts sprechen die Erzähler und Schulmeister mit unterschiedlichen Stimmen aus den Boxen, hohe, klirrende Schwermutsorgelpassagen begleiten das Gesamtwerk nahezu beständig. Knecht selbst spricht aus der Ich-Perspektive, mal rückblickend, mal momentan. Das alles ist nicht einfach zu verdauen und auch nicht einfach zu hören, ja ja, das Buch gibt das mit seiner verschachtelten und kryptischen Struktur auch vor, aber zumindest dieses klirrende Magengeschwür hätte man sich im Hörverlag sparen können.

Oder vielleicht war es ja so. Eines der berühmten Zitate aus Hesses Werk lautete: „Auf einfache Wege schickt man nur die Schwachen.“ So gesehen müssen die Hörerinnen und Hörer ziemlich stark sein, um sich dieses Kunstwerk der Verwobenheit und Spannungs- und Sprachdifferenzen anhören zu können. Wer die Power hat und durchhält, kann wie immer bei dem beliebten Autor tief blicken. Die tonale Umsetzung jedenfalls will dieser Herausforderung in nichts nachstehen; wer sich denn darauf auch einlassen kann, der wird sich fühlen, als wäre er am Spielen und Lernen zugleich. Nicht zu erklären das Geschehen.

Literaturangaben:

HESSE, HERMANN: Das Glasperlenspiel. Der Hörverlag, München 2010. 5 CDs, 24,95 €.

Weblink:

Der Hörverlag


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