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Letzter Band von Zadeks Erinnerungen

Peter Zadek zählt zu den bedeutendsten Theatermachern des 20. Jahrhunderts

© Die Berliner Literaturkritik, 04.02.12

Diese Rezension erschien am 6. Mai 2010 erstmals in diesem Literaturmagazin.

Von Wilfried Mommert

Dreibändige Memoiren kennt man in Deutschland eigentlich nur von Kanzlern oder ähnlichen Größen der Geschichte. Aber auch Peter Zadek machte es nicht darunter. Und hat Recht damit, denn er zählt ohne Zweifel zu den bedeutendsten Theatermachern des 20. Jahrhunderts und hat entsprechend viel zu erzählen. So auch im jetzt erschienenen letzten Teil seiner dreibändigen Memoiren „Die Wanderjahre 1980-2009“ nach „My Way 2004“ und „Die heißen Jahre 1970-1980“ aus dem Jahr 2006.

Zuletzt schildert der im Sommer 2009 im Alter von 83 Jahren gestorbene Zadek seine späten beruflichen Triumphe und Niederlagen und auch persönliche Krisen vor allem in Hamburg und Berlin verbunden mit allgemeinen kritischen Betrachtungen der Theaterszene dieser Jahre - oft voller Resignation. „Aber Ich gebe nicht auf“, meint dann der alte Kämpfer und Streuner, wie er sich selber auch sah, plötzlich kurz und bündig zwischendurch. Auch seine gesundheitlichen Krisen kommen ausführlich zu Wort im Gespräch mit dem Verleger Helge Malchow. Herausgeberin ist Zadeks letzte langjährige Lebensgefährtin, die Übersetzerin Elisabeth Plessen, die auch das Vorwort schrieb.

Eines der spannendsten Kapitel berichtet von den im wahrsten Sinne des Wortes dramatischen Kämpfen um die neue Zukunft des Berliner Ensembles nach der Wiedervereinigung in den 90er Jahren, als Zadek zusammen mit Kollegen wie Heiner Müller und Peter Palitzsch in einem fünfköpfigen Direktorium die Leitung des früheren Brecht-Theaters am Schiffbauerdamm übernahm.

Zadek, der sich vor allem nach seiner gescheiterten Hamburger Intendanz selbst als schlechten Theaterleiter bezeichnete, stieß hier mit ihm völlig diametral entgegengesetzten Welten zusammen - dem Theater Heiner Müllers und einem östlichen Konzepttheater mit entsprechend geschulten Schauspielern. Es habe bei ihnen eine grundsätzliche Ablehnung für sein konzeptloses Theater gegeben, das die Ost-Schauspieler für oberflächlich hielten. Es musste immer über den Kopf gehen. Das sei für ihn sehr schwierig gewesen, erinnert sich Zadek.

Und dann war da diese unauflösbare Rivalität mit Heiner Müller. „Müller war mir eine zu komplizierte und opportunistische Person, die für mich zwischen Ost und West hin- und herpendelte ... Er blieb undurchsichtig für mich“, heißt es bei Zadek. Er habe auch eine besondere Art zu intrigieren gehabt. Müller selbst blickte meist eher lächelnd auf die Arbeiten Zadeks, die er auch gerne operettenhaft nannte, die aber beim Publikum ungemein erfolgreich waren und für volle Häuser sorgten.

Das galt übrigens auch für die skandalumtobte Arbeit Einar Schleefs, eines anderen Zadek-Antipoden, bei der Uraufführung von Rolf Hochhuths „Wessis in Weimar“ 1993. „Mir fällt kein Theatermensch in Deutschland ein, der mir so unsympathisch war wie Schleef“, meinte Zadek über den 2001 gestorbenen Regisseur. Zweifellos war der eines der größten Talente im deutschsprachigen Theater, arbeitete aber mit völlig anderen, drastischeren Mitteln als der Poet und Theater-Zauberer Zadek, für den die märchenhaften Abenteuer von Alice im Wunderland und Peter Pan, dem Jungen, der nie erwachsen werden wollte, „zu den großen Lieben meines Lebens“ gehörten.

Schleefs Arbeit aber war für Zadek ein Horrortrip, wie er sich an diese „neue Form von Faschismus“ erinnerte. „Ich kann im Theater wie im Leben schreiende Menschen nicht ertragen. Brüllen ist eine deutsche Eigenart“, kritisierte der in Berlin geborene und in den 50er Jahren aus dem englischen Exil nach Deutschland zurückgekehrte Zadek. Ihm schwebte am einstigen Theater Bertolt Brechts eine neue Faust-Inszenierung vor, mit Ulrich Wildgruber und Ekkehard Schall (als Mephisto) sowie Eva Mattes als Gretchen. Doch daraus wurde nichts. Die Ironie der Theatergeschichte wollte es, dass auch das Faust-Projekt seines berufsmäßigen Erzfeindes Schleef scheiterte, als 1993 das West-Berliner Schillertheater geschlossen wurde.

Eines der bewegendsten Kapitel dieser Erinnerungen ist die Tragödie seines letzten gescheiterten Shakespeare-Projektes mit „Was ihr wollt“. Zadek wollte es zusammen mit Tom Stromberg und einer freien Theatergruppe in seinen letzten Lebensjahren realisieren - noch einmal mit seinen Schauspielern wie Angela Winkler, Susanne Lothar, Eva Mattes, Uwe Bohm und Michael Rehberg. Die meisten sprangen während der Proben zur großen Enttäuschung Zadeks ab, als sich seine schwere Krankheit immer länger hinzog.

Ich war mehr als enttäuscht...Das Ende dieses Projekts war ein furchtbarer Schlag für mich“, erklärte Zadek. Er warf den Schauspielern Feigheit vor und konstatierte auf dem Krankenbett verbittert: „Ich habe dann die Herrschaften aus meinem Kopf gestrichen. Damit war sozusagen meine Familie zerbrochen. Sie hatten mich verraten.“ Mehrere dieser Schauspieler erwiesen ihrem Regisseur die letzte Ehre, als sie kürzlich im Berliner Ensemble aus diesem letzten Band von Zadeks Memoiren lasen - allerdings nicht dieses schmerzliche Kapitel.

Mit oft bitter-sarkastischen Untertönen erinnert sich Zadek auch an seine Hamburger Intendantenzeit von 1985 bis 1988 mit seinen spektakulären Inszenierungen „Verlorene Zeit“ von John Hopkins (ganz sicher eine meiner wichtigsten und gelungensten Inszenierungen) oder „Lulu“ von Frank Wedekind. Insgesamt erinnert sich Zadek an Hamburg nur noch unwirsch und gereizt.

Schon sein Vorgänger am Schauspielhaus, Niels-Peter Rudolph, habe sich in den üblichen Auseinandersetzungen mit der Stadt befunden, mit der jede Intendanz in Hamburg endet. Der damalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi sei „ein außergewöhnliches Beispiel für das arrogante und hochnäsige beschissene Benehmen der Hamburger“ gewesen. Die Hamburger Jahre seien „hoffnungslose Todeskämpfe mit furchtbaren Snobs und furchtbaren Pelzmänteln sowie mit Politikern“ gewesen, die „sich für alles interessieren, nur nicht für Kultur“, resümierte Zadek.

Literaturangaben:

ZADEK, PETER: Die Wanderjahre 1980-2009. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2010. 520 S., 24,95 €.

Weblink:

Kiepenheuer & Witsch


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