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„Nachtradio“ von Elizabeth Hay

„Nachtradio“ ist eine Expedition in die kanadische Wildnis

© Die Berliner Literaturkritik, 09.02.10

Von Andreas Heimann

„Nachtradio“ ist ein ungewöhnliches Buch einer ungewöhnlichen Autorin. Elizabeth Hay ist in Deutschland kaum bekannt. Die meisten ihrer Bücher sind bisher nur auf Englisch zu haben. Bei „Late Night on Air“ hat der Schöffling & Co Verlag nun den richtigen Riecher gehabt und sich an die Übersetzung gewagt. Der Roman erzählt die Geschichte einer Handvoll Menschen in einem Kaff namens Yellowknife im Norden Kanadas. Harry gehört dazu, ein mürrischer Radiomacher der alten Schule, Dido, eine Moderatorin, die er unglücklicherweise für die Liebe seines Lebens hält und Gwen, die es erst vor kurzem in die Northern Territories verschlagen hat. In Yellowknife leben sie wie in einer eigenen Welt, die alles andere als idyllisch ist.

Ihr eigentlicher Mikrokosmos aber ist der kleine Radiosender, bei dem sie arbeiten. Und die Leidenschaft fürs Radio ist auch das, was sie verbindet, bei allem, was sie trennt. Elizabeth Hay ist ein erzählerisches Multitalent: Dialoge beherrscht sie ebenso wie Landschaftsbeschreibungen, kleine Dramen genauso wie echte Tragödien von selbstzerstörerischer Liebe bis zum Tod durch Erfrieren. Den ersten Impuls zu der Geschichte über die Mitarbeiter des kleinen Radiosenders am äußersten Ende der Zivilisation gaben eigene Erlebnisse: Elizabeth Hay hat Mitte der 70er Jahre selbst in Yellowknife gelebt.

Und wie einige ihrer Protagonisten hat sie damals den Thelon River mit dem Kanu erkundet, auf einer Tour, die so beeindruckend gewesen sein muss, dass sie noch Jahre später davon in der menschenleeren Wildnis und der rauen Ursprünglichkeit der Landschaft für ihr Buch profitiert hat. Manchmal sind ihre Beschreibungen einsamer Seen oder plötzlich auftauchender Karibuherden so dicht, so authentisch, als sei sie gerade erst von ihrer Expedition zurückgekehrt.

Die faszinierende Landschaft in der arktischen Kälte, in der viele Flüsse nur für wenige Wochen im Sommer befahrbar sind und manche Seen auch dann vereist, ist aber nur das eine, was das Buch auszeichnet.

Es ist auch ein Roman über die Liebe zum Radio - Elizabeth Hay hat zehn Jahre als Moderatorin gearbeitet. Die Angst vor dem Mikro beschreibt sie so glaubhaft wie die kleinen Intrigen im Sender oder Harrys Sorgen vor der Konkurrenz durch das Fernsehen. Auch das macht „Nachtradio“ so vielschichtig und umso lesenswerter. Spannend erzählt ist es sowieso.

 

Literaturangabe:

HAY, ELIZABETH: Nachtradio. Schöffling & Co Verlag, Frankfurt am Main 2009. 423 S., 24,90 €.

Weblink:

Schöffling & Co Verlag

 


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