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„Aischa und Mohammed“

Der neue Historienroman über die Geschichte Mohammeds

© Die Berliner Literaturkritik, 07.07.10
Kamran Pasha (c) privat

Kamran Pasha (c) privat

Von Frauke Kaberka

Wenn es um ihren Religionsgründer Mohammed geht, reagieren strenggläubige Muslime mitunter sehr sensibel. Vor zwei Jahren sorgte die Amerikanerin Sherry Jones mit ihrem Roman „Aisha. Das Juwel von Medina“ für Aufsehen: Terrordrohungen gegen Verlage, Brandanschläge gegen Buchhandlungen und Proteste jeglicher Art waren die Folge. Jones hatte in diesem und im Folgeroman „Das Erbe des Propheten“ (2009) das Leben der Lieblingsfrau Mohammeds an seiner Seite gezeichnet und den Propheten als „normalen Sterblichen“ dargestellt. Nun hat es wieder einer gewagt, sich dem „Vater der Gläubigen“ zu nähern - voller Respekt, ebenso wie Jones. Aber im Gegensatz zu ihr ist Autor Kamran Pasha praktizierender Muslim.

Dabei hat sein halbauthentischer Roman „Aischa und Mohammed“ einen ähnlichen Ansatz wie Jones’ Bücher: Aischas Kindheit, ihre Vermählung als Neunjährige mit dem Mittfünfziger Mohammed, ihr Leben im Harem, ihre Einflussnahme auf den Propheten und seine Politik, ihr Verhalten nach seinem Tod, die Spaltung der jungen Religionsgemeinschaft. Auch Pasha, ein gebürtiger Pakistaner, erwartet Kontroversen: Er sei davon überzeugt, dass dieses Buch eine „leidenschaftliche Diskussion unter Muslimen und Nicht-Muslimen“ hervorrufen werde, sagt er auf der Webseite eines amerikanischen Literaturmagazins. Es sei durchaus möglich, dass sich Menschen verschiedener Religionen beleidigt fühlten.

Genau das ist der Punkt, in dem sich Jones’ „Aisha“ und Pashas „Aischa“ unterscheiden: Während sich Jones vor allem dem Genre Roman verpflichtet fühlt, aus Fakten und ihren Recherchen einen bunten Bilderbogen malt und als „Ungläubige“ eine nach ihrem Verständnis objektive Geburtsstunde des Islam skizziert, beleuchtet Pasha das Thema als Historiker und als Muslim. Und bewältigt dabei gekonnt die Gratwanderung zwischen der für einen Geschichtswissenschaftler zwingenden Objektivität und seiner subjektiven Bewertung als gläubiger Muslim. Vielleicht gesteht man dem in Hollywood auch als Drehbuchautor und Produzent erfolgreichen Pasha deshalb eher als Jones zu, die Seele des Islam zu erfassen.

Dass der Mann, der in den USA unter anderem vergleichende Religionen studierte, dennoch mit Auseinandersetzungen rechnet, mag an seiner Darstellung Andersgläubiger liegen. So vorsichtig Pasha auch in seiner Wortwahl ist, Mohammeds Gemeinschaft mit den damals in Medina lebenden drei jüdischen Stämmen zerbricht nach seinen Recherchen hauptsächlich an deren Paktunfähigkeit: Zwei Stämme werden verjagt, aus dem dritten werden alle Männer wegen Verrats hingerichtet, Frauen und Kinder versklavt. Dennoch: Wie Pasha den gemeinsamen Ursprung der Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam darstellt, ihre Gemeinsamkeiten und die mit der Zeit immer deutlicher werdenden Unterschiede herausarbeitet, ist höchst interessant.

Mit der jungen muslimischen Gemeinde der Zeit Mohammeds (um 570-632) geht Pasha auch nicht gerade zimperlich um. Neid und Missgunst unter den Anhängern des Propheten, Machtstreben, das sich nicht nur auf die Umma (die Religionsgemeinschaft) beschränkt, die Unterdrückung und Bekämpfung Andersgläubiger oder Annektionsbestrebungen nennt er ebenso beim Namen wie den mit allen Mitteln durchzusetzenden Anspruch der Muslime, die allein gültige und rechtmäßige Glaubensgemeinschaft zu sein. Man kann die kaum verbrämte Kritik auch ganz aktuell als Appell zur Toleranz verstehen.

Noch ein Wort zur Zwangsverheiratung von Kindern mit älteren Männern: Ebenso wie Jones stellt Pasha diesen Sachverhalt äußerst sachlich dar. Wie der Autor selbst sagt, entspricht seine getreue Zeichnung des ehelichen Verkehrs auch mit sehr jungen Mädchen den sexuellen Gepflogenheiten in der islamischen Geschichte. Über Beischlaf sei zur Zeit Mohammeds offen gesprochen worden, und erst während der Kolonialisierung Nordafrikas und unter dem Einfluss viktorianischer Werte sei dies ins Abseits gedrängt worden.

Die Pädophilie ebenso wie die Polygamie jener Zeit hätten einen einfachen Grund: das Überleben. Zahlreicher Nachwuchs sei damals notwendig gewesen, um der frühen Sterblichkeit der Menschen zu begegnen und das Weiterbestehen des Volkes - und das der jungen Religion! - zu sichern. Im Roman allerdings scheut sich Pasha nicht, auch die Wollust der Männer als Grund anzuführen. Kontroversen - auch aus den eigenen Reihen - sind also durchaus programmiert. „Aischa und Mohammed“ ist ein fantasievoller, ein packender historischer Roman - und im Vergleich zu Sherry Jones' Buch auch literarisch anspruchsvoller.

Literaturangaben:

PASHA, KAMRAN: Aischa und Mohammed. Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2010. 667 S., 19,95 €.


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