STUTTGART (BLK) – Der Klett-Cotta Verlag hat im Februar 2011 den Roman „Die Freundin meines Sohnes“ von Lauren Grodstein veröffentlicht. Das Buch wurde von Silvia Morawetz aus dem Amerikanischen übersetzt.
Klappentext: Für Pete Dizinoff läuft alles prima. Er hat eine erfolgreiche Praxis, eine liebevolle Frau und ein hübsches Haus in einem gediegenen Vorort. Vor allem hat Pete einen Sohn, Alec, für den er nur das Beste will. Aber eines Tages und nach langer Abwesenheit taucht Laura wieder auf, die Tochter von Petes bestem Freund. Sie ist zehn Jahre älter als Alec, unwiderstehlich schön und steht in dem Verdacht, als Teenager ihr Baby bei der heimlichen Geburt getötet zu haben. Alec ist sofort von Laura hingerissen, Pete hingegen sieht seine Träume für den Sohn zerplatzen. In dem festen Glauben, nur in Alecs Sinne zu handeln, versucht er, die Beziehung seines Sohnes zu hintertreiben. Doch es sieht so aus, als ob er selber ein Auge auf Laura geworfen hätte. Und alles gerät außer Kontrolle ...
Lauren Grodstein ist in New Jersey aufgewachsen und lebt in New York. Nachdem sie ein Jahr in Paris verbracht hat, kehrte sie 1998 an die Columbia University zurück. Sie unterrichtet heute Creative Writing in Rutgers-Camden. Auf Deutsch sind bislang der Geschichtenband „Für unsere zynischen Freunde „ (2003) und der Roman „Der Makel der Liebe“ (2005) erschienen.
Leseprobe:
©Klett-CottaVerlag©
Kapitel eins
Wenn mich jemand fragt, wie es mir geht – es überrascht Sie vielleicht, manche fragen noch –, zucke ich in letzter Zeit nur mit den Achseln und sage so gelassen wie möglich: “Viel besser, als Sie glauben.“ Und das stimmt ja auch. Ich habe zu essen, ich habe etwas zum Anziehen, ich habe immer noch ein paar Patienten, die Nets gewinnen, meine Mutter hat Gott sei Dank doch dem betreuten Wohnen in Rockland zugestimmt. Und ich habe so etwas wie ein Zuhause – das Zimmer über der Garage, das wir für Alec eingerichtet hatten, damit er, mit unserer Liebe gerüstet und unserem Geld, dort malen kann. Alec sollte sich auf jeden Fall immer unterstützt fühlen, er sollte nichts von unserem Entsetzen mitbekommen, als er nach drei Semestern Hampshire sausen ließ und damit fast sechzigtausend Dollar für Unterricht, Bücher, Unterkunft und andere Beweise elterlicher Wertschätzung weg waren. Sechzigtausend Dollar einfach so – puff ! – in Luft aufgelöst, unser Sohn schmeißt an einem College hin, an dem es nicht einmal Noten gibt, und als Reaktion darauf richten wir ihm für seine Kunst ein Atelier über unserer Garage ein. Und, das ist die Krönung, wir haben es gern getan. Es war eine von vielen Lehren, die wir aus dem Kummer unserer Freunde Joe und Iris Stern gezogen haben, die ihre Tochter Laura schon einmal verloren hatten – wie jetzt wieder.
Unterstützen Sie dieses Literaturmagazin: Kaufen Sie Ihre Bücher in unserem Online-Buchladen - es geht ganz einfach und ist ab 10 Euro versandkostenfrei! Vielen Dank!
Mein neues Zuhause, das Atelier, hat einen grauen Linoleumboden. In einer Ecke steht Alecs alter Zeichentisch neben einem breiten Futonbett, das unter einem Berg von Flugzeugdecken verschwindet. An der gegenüberliegenden Wand steht die ein wenig kitschige Anrichte, Eiche mit schnörkeligen Verzierungen und Messingbeschlägen, ein Hochzeitsgeschenk von Elaines Eltern, das wir brav über zwanzig Jahre in unserem Schlafzimmer stehen hatten. Ein Sessel aus derselben Zeit. Neben dem Sessel liegt ein Stapel Bücher, ein paar von Alec, ein paar von mir: Bukowski und Burroughs, eine kleine Auswahl von Comicromanen und Thrillern, für die ich mich nicht mehr interessiere.
In diesem Atelier lese ich. Schlafe ich. Am Wochenende oder spätabends höre ich manchmal den Kriegers von nebenan zu, wenn sie sich streiten – unsere Garage steht an der Grundstücksgrenze. Die Kriegers haben vor kurzem bei sich angebaut, und jetzt kann ich, sogar ohne besondere Anstrengung, direkt in ihre Granit-Edelstahl-Küche hineinsehen und mir anschauen, wenn sie sich ankeifen. Jill Krieger ist offenbar eine Meckerziege, und Mark wirft gern mal was durch die Gegend. Wann hat das wohl angefangen ? Elaine und ich haben die beiden immer gemocht, fanden sie als Paar und ihre kleinen Kinder immer nett. Okay, das mit dem Anbau hat ewig gedauert, aber wenigstens waren sie so freundlich, auf ein geschmackvolles Äußeres zu achten. Ob Elaine sie hört ? So wie die zwei haben wir uns nie gestritten.
Wenn jemand weiter fragt, mir tief in die Augen blickt und ergründen will, ob in meiner wunden Seele noch irgendein Geheimnis schlummert, sage ich immer: „Das Leben geht weiter.“ Das ist nicht einfach so daher gesagt. Das Leben geht wirklich weiter. Das habe ich gelernt. Es geht überraschenderweise weiter.
©Klett-Cotta Verlag©
Literaturangabe:
GRODSTEIN, LAUREN: Die Freundin meines Sohnes. Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011. 351 S., 21,95 €.
Weblink: