Von Ulrike Cordes
MÜNCHEN (BLK) - Der Londoner Scotland-Yard-Commander Adam Dalgliesh wird in ein hochherrschaftliches Landhaus in der wunderschönen südenglischen Grafschaft Dorset gerufen. Er soll den Mord an der Journalistin Rhoda Gradwyn aufklären. Im nunmehr in eine Schönheitsklinik umgewandelten „Cheverell Manor“ hatte man die Reporterin nach einer Gesichtsoperation erwürgt im Bett gefunden. Da Außenstehenden der Zutritt in die Klinik verwehrt ist, kommen als Täter nur wenige Menschen infrage. Abermals in der „Whodunit“-Manier eines klassischen Detektiv-Romans ermittelt Dalgliesh, berühmter Held fast sämtlicher P.D. James-Krimis, auch in seinem neuen Fall. Phyllis Dorothy Baroness James of Holland Park hat mit „Ein makelloser Tod“ erneut einen spannenden Roman vorgelegt. Die Autorin wird im August bereits 89 Jahre alt.
Den zahllosen P.D.James-Fans auf der ganzen Welt ist eines schon jetzt klar: Wenn Dalgliesh so eine Aufgabe übernimmt, geht es im Wesentlichen nicht darum, ob nun etwa der ehrgeizige Arzt und Schlossbesitzer George Chandler-Powell, die kühle Schönheit Helena Cressett oder der durchgeknallte Schauspieler Robin Boyton die schreckliche Tat begangen hat. Denn wieder einmal benutzt die „Queen of Crime“ und Agatha-Christie-Nachfolgerin das Gruselgenre, um in der ihr eigenen detailfreudigen Genauigkeit und psychologischen Präzision etwas ganz anderes zu beschreiben: ihre Sicht auf den geistig- seelischen Zustand der bürgerlichen Gesellschaft in unserer Zeit.
Und da dürfen dem Leser wahrlich Schauer über den Rücken laufen: Es sind Entwurzelte, Singles und Geschiedene, Menschen mit traumatischer Kindheit und Emporkömmlinge, Unglückliche und Sehnsüchtige, die den Landsitz oder schicke Stadtwohnungen in London bevölkern. Sie alle eint, dass sie eher nichts eint: Beziehungen erweisen sich als brüchig, Biografien als Täuschungen, Lüge und Verrat lauern überall.
Vergänglichkeit und Verlust prägen das Grundgefühl: eine Finanzkrise – und schwupp, ist selbst der jahrhundertealte Grundbesitz dahin. Hinter den menschlichen Abgründen macht P.D. James immer wieder Glaubensverlust und Gottesferne aus: Wie Leitmotive ziehen sich Anspielungen auf den Verfall von Christentum und Kirche durch ihren Roman. Die Anglikanerin, die einst nach schweren Schicksalsschlägen und beruflichen Erfahrungen in der Krankenhaus- und Polizeiverwaltung erst mit 40 Jahren zu schreiben begann, scheint in „Ein makelloser Tod“ noch einmal all ihre Lebenserfahrung einzubringen.