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Rastlos von Kontinent zu Kontinent

Globetrotter sucht die „Nachtseiten des Reisens“

© Die Berliner Literaturkritik, 29.10.09

Von Klaus Blume

Ob Bombay, Timbuktu oder Cap Haitien - es gibt anscheinend keinen Ort auf der Erde, der vor Dieter Schlemihl sicher wäre. Rastlos jagt der Literaturkritiker von einem Kontinent zum anderen und begegnet auf seinen Reisen indischen Huren, pakistanischen Islamisten oder chinesischen Kulturbürokraten. Selbst die Antarktis darf nicht fehlen, einschließlich einer Polarkreistaufe auf dem argentinischen Eisbrecher Almirante Irizar.

Schlemihl ist der Ich-Erzähler in Hans Christoph Buchs „Reise um die Welt in acht Nächten“. Gewisse Ähnlichkeiten mit dem vielgereisten Autor sind unverkennbar und auch beabsichtigt. Buch hatte in den vergangenen Jahren unter anderem Romanessays zu Haiti, Essay-Sammlungen zu Dritte-Welt-Themen oder die Kolportage „Tod in Habana“ veröffentlicht. In dem „Abenteuerroman“ - so der Klappentext - geht es Buch nun darum, „die Nachtseiten des Reisens“ zu zeigen, wie er bei der Vorstellung in Berlin sagte.

Das Buch gliedert sich in acht Kapitel, die den Leser nach Indien, Pakistan, China, in die Antarktis, den Senegal, nach Mali, Kongo und Haiti führen. Im streng islamischen Pakistan sucht Schlemihl verzweifelt nach Bier, im Kongo nach mutmaßlichen Menschenfressern, und in den Bordellstraßen von Bombay kann er nur mit Mühe angesichts der Aidsgefahr seinen Sexualtrieb zügeln. Es gibt keine Chronologie, die Geschichten spielen bunt durcheinander zwischen 1986 und etwa 2002. Alle haben laut Buch einen realen Kern, den er aber ins Fiktive ausweitete.

Der Titel ist - wer hätte anderes gedacht - eine Hommage an „In 80 Tagen um die Welt“ des von Buch hochverehrten Jules Vernes. Und die Nächte? Eine Anspielung auf „Reise ans Ende der Nacht“ des Franzosen Louis-Ferdinand Céline (1894-1961). Darauf kommt man nicht von alleine. Zumal die Reisen ja jeweils länger als eine Nacht dauern.

„Das Ganze ist die Parodie eines Abenteuerromans“, sagt Buch auf die Frage, ob es sich bei einer losen Aneinanderreihung einzelner Geschichten überhaupt um einen Roman handelt. Es finden sich darin eindrucksstarke Schilderungen einer Dampferfahrt auf dem Niger mitten durch die Wüste oder des Einsatzes von Eisbrechern im Südpolarmeer. Schockierend sind die Islamisten in Waziristan, die den Reisenden aus Deutschland mit den Worten „ihr seid Arier wie wir, und euer Führer hat sechs Millionen Zionisten umgebracht“ willkommenheißen. Aber die gibt es wirklich.

In die Revolutionswirren in Haiti 1986 hat sich auch der Lustknabe „Tadzio“ verirrt, der schon im „Tod in Habana“ (2007) auftaucht, einer Persiflage auf Thomas Manns „Tod in Venedig“. Überhaupt geht es in den Geschichten viel um Sex, wobei Buchs Schilderungen („Ich wollte dem Liebesgott mein Sperma ins Arschloch spritzen“) manchmal etwas derb ausfallen. „Sexualität als das letzte Abenteuer, das war schon immer ein Motiv des Reisens, nicht nur die Suche nach dem Gold“, meint Buch.

Buch glaubt, dass Reisen nicht immer nur bildet, sondern den Menschen auch negativ verändern könne - wie den berüchtigten Kapitän Kurtz, der in Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ zum grausamen Tropentyrannen wird. So tauchen bei Buch am Rande des Weges viele kaputte, gestrandete, „verbuschte“ Typen auf. Seine Erzählung sei auch ein „Spiel mit Identitäten“ meint der Autor. Am Ende stellt sich heraus, dass Erzähler Schlemihl die Reisen gar nicht selbst erlebt hat, sondern ein Doppelgänger namens „Dschungel-Rudi“. Das wirkt dann doch ein wenig albern.

Literaturangabe:

BUCH, HANS-CHRISTOPH: Reise um die Welt in acht Nächten. Frankfurter Verlagsanstalt/Frankfurt am Main 2009. 255 S., 19,90 €.

Weblink:

Frankfurter Verlagsanstalt

 

 


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